Letzter Verkaufstag bei Linnemann in der Westernstraße

Paderborn. Bücher über Bücher: Wenn eine Buchhandlung schließt, so sollte man meinen, müssten am Ende vor allem Bücherkisten gepackt werden. Doch weit gefehlt: Die Traditionsbuchhandlung "Linnemann - Mehr als Bücher", seit 1977 in der Paderborner Innenstadt präsent, hat zwar auch einen Tag vor ihrem Ende in der Westernstraße noch eine kleine Auswahl parat. Doch die meisten Regale sind inzwischen leer. Restbestände gingen zurück an die Verlage oder ab in die Filiale im Einkaufszentrum Südring. Wer jetzt noch im Hauptgeschäft stöbert, findet vor allem eine seltsame Stimmung. Irgendwo angesiedelt zwischen Wehmut, Trauer und auch Enttäuschung. "Das ist mit nichts zu vergleichen, was ich bisher kenne", sagt Ute Schöttler. Die 63-Jährige war eine der drei ersten Mitarbeiterinnen, als Antonius Linnemann und sein Frau Katharina, heute 79 und 74 Jahre alt, anno 1977 in der 3. Etage des Kaufhaus Dany am Königsplatz ihre erste eigene Buchhandlung eröffneten. Lange mit dem Rückzug gehadert "Es fällt uns in diesen Tagen schwer, die Fassung zu behalten", sagt Antonius Linnemann und fügt hinzu: "Denn was jetzt passiert, ist auch ein großer Einschnitt in unser Leben und in unsere Lebensplanung." Mit dem Rückzug aus der teuren City auf die noch gut laufende Filiale auf der grünen Wiese, haben Linnemanns lange gehadert. Als vor drei Jahren die Umsätze in der Westernstraße gefährlich zurückgingen, hatten sie gerade ihren Mietvertrag verlängert. Versuche, in der Fußgängerzone auf etwas weniger Fläche zu akzeptablen Preisen umzuziehen, scheiterten, so erzählen es die Linnemanns. Ende letzten Jahres dann die Entscheidung zum Rückzug. "Für mich ist das aber auch ein Neustart, den ich spannend finde", gibt sich Marcus Linnemann (44), auch optimistisch. Der Sohn stieg 2000 in den elterlichen Betrieb ein und zog das eigene Internet-Geschäft auf. Es wird von der Filiale im Südring aus weiter bedient. Gegen den Online-Riesen Amazon half das am Ende nicht. "Manchmal gibt der Postbote hier bei uns Bücher für Nachbarn ab, die bei Amazon bestellt wurden", ärgert sich Antonius Linnemann. Ihr eigener Service, Bücher in der Kernstadt per Fahrradkurier kostenlos zustellen zu lassen, werde zwar täglich einige Dutzend Male nachgefragt, habe aber auch nicht viel geändert. Antonius Linnemann: "Schön für die Innenstadt wäre es allerdings, wenn auch andere Händler diesen Lieferservice anbieten würden." So bleiben den Linnemanns und ihren teils langjährigen 19 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zunächst alle übernommen werden, vor allem die Erinnerungen. "Wir waren lange eine der zehn umsatzstärksten Buchhandlungen in NRW", ist Katharina Linnemann jetzt noch stolz auf die Zeit, bevor 2005 die Buchhandelskette Thalia nach Paderborn kam. "Und das lag vor allem an den lesefreudigen Paderbornern", sagt Antonius Linnemann. Was man unter anderem auch daran sah, dass man für Fahrten zur Buchmesse nach Frankfurt acht Busse chartern musste. Briefe und süße Grüße der Kundschaft Derweil tat Katharina Linnemann mit ihren Vorträgen in Schulen und Kindergärten alles, um bei jungen Menschen das Lesefeuer zu entfachen. Als erste organisierten Katharina und Antonius Linnemann Lesungen bekannter Autoren in Paderborn - und wurden so zu einem kulturellen Pfeiler der Stadt. "Wen ich alles mit meinem Auto vom Hotel abgeholt habe", staunt Katharina Linnemann noch heute. Bergsteiger Reinhold Messner und Michael Ende ("Momo") waren die ersten von bisher 400. Möglichst ging man nach den Lesungen mit allen essen, mit manchen wurde der Abend lang. "Es war einfach nur toll, all diese Autoren kennenzulernen", sagt Antonius Linnemann. Überwältigt sind die Buchhändler nun aber, wo das Schicksal zugeschlagen hat, auch von der Resonanz der Kundschaft. Viele bringen Süßigkeiten vorbei. Stapelweise sind Briefe eingetroffen, dankbare Schreiben der Verbundenheit. Einige der Zeilen zieren nun die ansonsten leeren Auslagen. "Gerade mit Herrn Linnemann geht doch ein echtes Unikat", heißt es da in Anspielung auf dessen Eigenheit, die Kunden nicht nur mit Charme und Witz zu verblüffen, sondern auch mit persönlichen Lautsprecher-Durchsagen. Damit ist nun im Südring wirklich Schluss. Aber nur damit.

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