Paderborn. Schon das wunderbare Wort „Bier-Yoga" lädt zum Sprachexperiment ein. Es bewegt sich in einer ähnlichen Liga wie „Nikotin-Jogging" oder „Kiffer-Schach", direkt aus der Rubrik „Finde den Fehler!" Dabei gilt „Bier-Yoga" schon in vielen Großstädten als Breitensport, und auch da liegt Paderborn wieder voll im Trend.
Schon zum zweiten Mal veranstaltet Michael Sander von Yoga&Fitness in der Nordstadt einen Abend mit der neuen Trendsportart in der angesagten Location Wohlsein an der Brückengasse - ein Top-Event und seit Wochen ausverkauft.
Gegen 19.15 Uhr:
Es geht durch den Bar-Eingang und es bildet sich eine kleine bunte Schlange aus Sportsfreunden- und freundinnen, die man an der eingerollten Matte unter dem Arm erkennt. Ausverkauft heißt also nicht, dass man um Plätze kämpfen muss, für alle gibt es genug Raum zum Ausstrecken.
Durch die Anlage schallt der ewige Hit „Griechischer Wein" im Original von Udo Jürgens und ich erfahre an der Bar, dass es nicht unbedingt Bier sein muss beim Bier-Yoga. Hauptsache Alkohol! Spontan entscheide ich mich für Caipirinha, wegen der garantierten Wirkung und der Vitamine in den Limetten.
Schlauer wäre was aus der Flasche gewesen, ein Anfängerfehler, den hier viele machen. Denn anscheinend bin ich nicht die Einzige, die Yoga bisher als Form der Askese missverstanden und somit konsequent gemieden hat.
Um 19.30 Uhr:
Ist das Dittsche, der jetzt durch den Lautsprecher knarzt und Gehaltvolles zum Thema Bier beisteuert? „...wenn es nich schmeckt, brauch man das auch gar nicht trinken..." Bier-Übungsleiterin Kira und Michael Sander stellen sich und die Idee des Bier-Yoga vor. Stark verkürzt: ...Normal-Yoga geht nach Innen, Bier-Yoga mehr nach außen.
Die Musik dazu: Ich geb Gas, ich will Spaß... (NDW 1982!) Gemeinsam begrüßen wir unser Bier, nicht trinken, nur den Duft einatmen. Eine komplizierte Streckung der Beine verhindert den direkten Kontakt zu meinem Drink. Soundtrack: Life is Life.
Nach 20 Uhr:
Bier-Yoga ist doch ein Sport, schweißtreibend, anstrengend und hochkompliziert. Nena singt jetzt von 99 Luftballons, und ich habe plötzlich mindestens drei Arme und einen Drink zu viel. Nicht absetzen, kreisen lassen!
Links und rechts sind schon lange keine verlässlichen Kategorien mehr, zum Soundtrack von Biene Maja sollen wir jetzt auf den Neigungswinkel achten. Zwischendurch werden wir immer wieder von dem unglaublich fitten Michael Sanderliebevoll verspottet. Häufigster Satz: Das ist ja wie im Altersheim Wo war nochmal der Neigungswinkel?
Irgendwann später:
Mittlerweile hat sich jedes Zeitgefühl verabschiedet und ich sitze irgendwann hochzufrieden mit angehobenen, durchgestreckten Beinen, den Rest vom Drink zwischen den Füßen und spüre Muskeln, die ich bisher noch gar nicht kannte. Dazu Morricone: Spiel mir das Lied vom Tod.
Jemand raunt aus dem Off: Du musst jetzt nichts mehr tun, Dein Atem bewegt Dein Bier! Unterschiedlich erschöpft lauschen alle Toni Kater und dem wunderbaren Refrain „jeder ist anders betrunken...." und sehen sehr zufrieden aus.
Fazit:
Bier-Yoga ist so toll, dass es auch ohne Bier vorstellbar ist oder um den Yoga-Forscher Mark Singleton zu zitieren: Yoga wird immer mehr zu dem, was Menschen gerade brauchen.