Paderborn

Julian Klenner: Ein kleiner Paderborner Rebell auf zu großer Bühne

Kabarett: Der Paderborner Julian Klenner präsentiert sein neues Programm "Leck mich, Laktose" und wählt dafür die überdimensionale Neuhäuser Freilichtbühne. Was vermutlich ein Fehler war

Natur im Hintergrund, Naturkostwahn im Kopf: Julian Klenner möchte sich vom Fitness- und Ernährungswahn abheben. | © Dietmar Gröbing

Dietmar Gröbing
02.07.2018 | 02.07.2018, 12:00

Paderborn-Schloß Neuhaus. Vor anderthalb Jahren wurde Julian Klenner auf der Bühne erwachsen. Inzwischen ist der öffentlich vollzogene Reifeprozess abgeschlossen. Zeit, sich etwas Neuem zu widmen - etwas Spannendem wie den Moden und Marotten der Gegenwart. Diese bieten jede Menge Angriffsfläche, wie Julian Klenners aktuelles Programm "Leck mich, Laktose" belegt. Am Samstagabend feierte es auf der Neuhäuser Freilichtbühne seine Premiere.

Schnell wurde klar, dass Klenner nicht gewillt ist, dem Zeitgeist kritiklos zu folgen. Im Gegenteil, er bietet ihm die Stirn. Einer muss sich schließlich quer stellen und Spielverderber sein. In diesem Fall crasht Klenner die familiäre Osterzusammenkunft. Muss er auch, denn was der 22-jährige Paderborner sieht, gleicht einer Ansammlung von opportunen Mit-dem-Strom-Schwimmern, die in ihrer Anpassungsgeilheit den Blick für die Realität verloren haben.

Männer pinkeln nur noch im Sitzen

Oder ist es normal, dass niemand mehr Fleisch isst, und alle plötzlich dem Bio-Wahn verfallen sind? Zudem scheinen die wenigsten Menschen ihrem angestammten Rollenbild folgen zu wollen, betrachten sich doch (fast) alle Frauen plötzlich als Feministinnen. "MeToo" und "Time's Up" lassen grüßen. Und die Männer? Die pinkeln nur noch im Sitzen und fahren E-Autos. Leisefahren passt zu Leisetreten. Höchste Zeit für Rebellentum. Klenner ist ein Rebell und erhebt folgerichtig seine Stimme.

"Ich kaufe keine laktose- und glutenfreien Produkte", brüllt Klenner mehr als 100 Zuhörern kategorisch entgegen. Und mit Chia-Samen, dem neuen In-Produkt in Sachen "kackfreundliche Ernährung" hat Klenner auch nichts am Hut. Dafür erntet der junge Mann manch unverständliches Kopfschütteln, besonders aus der Fraktion der Veganer, der neuerdings auch seine Tante angehört.

Auch die Kühe sind gereizter

"Weißbrot macht unentspannt und gereizt", ist so ein Vorwurf. Wobei auch die Kühe gereizter sind als früher, "denn man beraubt sie ihrer Milch". Zudem ist das Klagen des Kopfsalats "nicht hörbar". Warum auch, besitzt das Gemüse doch weder Stimme noch Lobby. Im Gegensatz zu Julian Klenner, der dabei ist, sich auf heimischen Bühnen stimmungsvoll zu etablieren.

Allerdings sollte sich Klenner künftig einen anderen Ort für seine Premieren aussuchen. Auf der raumgreifenden Freilichtbühne musste sich der Student beinahe einen Wolf spielen, um bis in hinterste Zuschauerreihe vorzudringen. Das fraß enorm viel Energie, die gleichzeitig dem lyrisch unterfütterten Wirken Klenners abhanden kam. Folglich entstanden Längen und Redundanzen, die ein kleinerer, intimerer Rahmen wahrscheinlich vermieden hätte.