
Paderborn. In einem unscheinbaren Laden an der Marienstraße in Paderborn werden wöchentlich die gewaltigsten Schlachten des Universums entschieden. Heroische Feldherren führen ihre Heerscharen gegen Orks, Aliens und das Chaos selbst und mitten drin: Mario Flötotto.
Der Ladenleiter des Games Workshop Paderborn ist für seine Kunden mehr als nur Verkäufer. Er ist wandelndes Regelbuch, gewiefter Feldherr, scharfäugiger Künstler und verlässlicher Ansprechpartner in einer Person. In den vergangenen 22 Jahren hat er einen Großteil seiner Frei- und Arbeitszeit in Games-Workshops verbracht. Aber was ist das eigentlich?
Hobbies für Menschen mit Fantasy-Faible gibt es zuhauf. Filme, Serien und Videospiele, Karten- und Brettspiele und Modelle für Sammler. Und dann gibt es noch etwas dazwischen: Der britische Spielehersteller Games Workshop bietet sogenannte „Tabletopspiele" an. Hier kaufen sich die Spieler Figuren aus zahlreichen unterschiedlichen Fantasy-Universen, malen diese an und spielen nach vorgegebenen Regelbüchern Schlachten oder spezielle Kampagnen auf selbstgebauten Landschaften nach.
Die populärsten Fantasy-Welten sind das mittelalterliche „Warhammer Age of Sigmar", bei dem Menschen, Elfen und Zwerge gegen Orks, Riesenratten und das „Chaos" kämpfen, und das Science-Fiction-Universum „Warhammer 40.000", in dem in einem abgedrehten Zukunftsszenario auf fernen Planeten gekämpft wird. Außerdem sehr beliebt ist ein Tabletop-Spiel zur Herr-der-Ringe-Trilogie, die nach dem erscheinen der „Hobbit"-Filme komplett in „Der Hobbit" umbenannt wurde.
"Ich habe mich schon immer für Fantasy interessiert"
Klingt nerdig? Ist es auch. Aber: es macht auch riesig viel Spaß. Tabletop-Spieler stecken nicht nur viel Geld sondern auch sehr viel Zeit in das Bemalen ihrer Figuren, das Bauen von Landschaften, das Planen und Zusammenstellen ihrer Armeen, sowie das genaue Studieren der komplexen Spielregeln.
Denn jede Figur hat im Spiel eigene Fähigkeiten, Sonderregeln, sowie Stärken und Schwächen, die genau kennen sollte, wer seine Truppen letztendlich zum Sieg führen will. Die Spielfiguren variieren in ihrer Größe von daumengroßen Hobbits bis zu tellergroßen High-Tech-Panzern und feuerspeienden Drachen und kosten zwischen 12 und mehreren Hundert Euro.
„In diesem Hobby gibt es sowohl Spieler, die zwar nur wenig Geld, aber dafür viel Zeit mitbringen", sagt Mario Flötotto. „Und es gibt diejenigen, die nicht viel Zeit, aber viel Geld haben und sich die teuersten Figuren kaufen und die dann von anderen anmalen lassen." Flötotto selbst hat in seinem Leben viel Zeit und viel Geld in sein Hobby gesteckt. Mit 12 Jahren entdeckte der Gütersloher an einem Bahnhofskiosk den „White Dwarf", das offizielle Magazin des Games Workshop. „Ich habe mich immer schon für Fantasy interessiert und seit ich sieben war mit meinem Bruder das Brettspiel „Hero Quest" gespielt. Tabletop fand ich dann so faszinierend, weil es ein komplexes Regelwerk wie beim Kartenspiel „Magic" mit der Haptik des Modellbaus verbindet", sagt Flötotto. Seitdem lässt ihn das Hobby nicht mehr los.
Nach seinem abgeschlossenen Studium der Medieninformatik in Bielefeld arbeitete Flötotto einige Zeit lang in einem kleinen Entwicklerstudio für Videospiele in Frankfurt. Nach dem Konkurs des Unternehmens entschied er sich dann, sein Hobby zum Beruf zu machen. Dafür arbeitete er zunächst in einem Zweier-Team im Games Workshop in Essen.
2012 übernahm er dann den Laden in Paderborn. Hier führt er täglich Neulinge an das Hobby heran, betreut seine Stammkunden und organisiert Malwettbewerbe, Hobbyabende und große Turniere, bei denen hunderte Figuren auf den Spieltischen gegeneinander antreten. Rund 15 Stammkunden verbringen täglich ihre Freizeit im Laden und Malen, Spielen, Basteln oder kommen einfach nur zum Quatschen vorbei.
"Wer das Hobby selbst betreibt, weiß, wie viel Herzblut darin steckt"
Zu vielen Kunden pflegt der Ladenchef ein freundschaftliches Verhältnis. Für seine Schäfchen hat Flötotto nur gute Worte übrig: „Die sind super und die Mischung hier stimmt. Für manche ist Tabletop nur ein kleiner Spaß nebenbei und für andere ein riesiger Teil ihres Lebens. Ich bin unglaublich zufrieden mit den Leuten hier in Paderborn."
Streit oder Diebstähle gebe es trotz des hohen Werts der Figuren nur in den seltensten Fällen. „Wer das Hobby selber betreibt, weiß, wie viel Herzblut darin steckt. Wenn nach großen Turnieren mal jemand aus Versehen eine fremde Figur einpackt, wird die meistens schnell wiedergebracht. Und wenn tatsächlich mal eine Figur verschwindet, sind das Leute, die keinen Bezug zum Hobby haben", sagt Flötotto.
Darauf angesprochen, dass das Hobby nun schon seit 22 Jahren Teil seines Lebens ist, wird Mario Flötotto nachdenklich: „Es ist schon krass, wie schnell die Zeit vergeht." Einige der kleinen Stöpsel von damals, die er früher selbst an das Hobby herangeführt habe, seien heute bereits erwachsen, so der Ladenchef. Im Spiel seien sie nun ernstzunehmende Mitspieler.