Paderborn. Eine gelöste Stimmung und strahlende Gesichter sieht man nach gut zwei Stunden in der Gynäkologisch-Onkologischen Tagesklinik in Paderborn. Zehn Frauen ohne Perrücke oder Mütze sitzen vor Schminkspiegeln, neben ihnen zahlreiche Kosmetikprodukte. "Es war toll! Ich habe neue Tipps bekommen und die Gruppe war einfach klasse", sagt Teilnehmerin Yvonne Gaubitz nach dem Seminar.
"Look good, feel better" war das Motto des kostenlosen Schminkkurses für Krebspatientinnen in Chemo-Therapie. Ziel der Deutschen Knochemarktspenderdatei (DKMS) als Veranstalter ist es, den Frauen den Weg durch die Therapie ein Stück weit zu erleichtern und ihnen Lebensfreude zurückzugeben.
Annette Wenz ist 47 und leitet den Kurs. Seit 20 Jahren arbeitet die Visagistin und Kosmetikerin ehrenamtlich für die DKMS. Und sie weiß, wovon sie redet: Die Augsburgerin hatte selber Krebs und kennt die Sorgen der Patientinnen, die zu den Schminkseminaren kommen: "Das Schlimmste war für mich damals, den rasierten Kopf abends auf das kalte Kopfkissen zu legen. Das fühlte sich an, als würde einer ein Messer in die Kopfhaut rammen", erzählt Annette Wenz. Einige der Teilnehmerinnen nicken.
Das Seminar für Frauen in Chemo-Therapie ist kein einfacher Schminkkurs wie sie ihn sich auch bei Youtube anschauen könnten. Es geht um die Probleme der Frauen, um Produkte, die sie gut nutzen können und andere, die sie besser im Regal stehen lassen. Um Pflege des Gesichts und der Kopfhaut. Annette Wenz erklärt, dass die Teilnehmerinnen im besten Fall drei Mal pro Tag duschen sollten, weil so die Giftstoffe der Chemos aus dem Körper gespült werden. Immerhin ist die Haut das größte Organ. Und auch die Kopfhaut sollen die Frauen bei ihren täglichen Ritualen miteinbeziehen. Die Visagistin gibt Tipps, wie und wie oft die Patientinnen ihre Haare abrasieren sollten: Nämlich auch während der Chemo immer wieder, damit sie später besser nachwachsen.
Die DKMS hat mit Douglas und anderen hochwertigen Marken für jede Frau eine Tasche mit Kosmetikprodukten zusammengestellt. "Ich hatte noch nie so viel Schminke", sagt eine Teilnehmerin beim Auspacken. Mit dabei ist zum Beispiel ein pflegendes Rosenwasser, das der Haut Feuchtigkeit zuführt. Danach testen die Frauen ein Thermalwasser und sprühen es sich ins Gesicht: "Das fühlt sich richtig toll an. Erfrischend", lautet das Urteil. Auch zum Thema Hygiene gibt es Tipps: "An unseren Händen haben wir viele Bakterien. Gehen Sie nicht mit den Fingern in den Crème-Tiegel rein, nutzen Sie dafür einen kleinen Spatel. Und Tuben sollten Sie hinterher rund um die Öffnung einmal desinfizieren", rät die Visagistin. Die Hygienetipps haben ihr am meisten gebracht, sagt Gabi Tomkel nach dem Seminar: "Man kriegt am Anfang der Behandlung tausende von Sachen gesagt. Aber heute waren es neue Infos, die ich so noch nicht wusste. Auch, dass ich auf jeden Fall Sonnenschutzfaktor 50 nehmen muss."
Eine Teilnehmerin stellt Fragen zur Wimpernverlängerung: "Wie ist das mit Wimpernwelle und den ganzen Sachen?" Es gibt bestimmte Wimpern zum Kleben, die Annette Wenz den Frauen für die Zeit während der Therapie empfiehlt. Und andere Produkte, die später das Wachstum wieder beschleunigen. Wichtig dabei: Eine hormonfreie Alternative zu wählen. Zum Schluss wird noch in den Farbtopf gegriffen. Jede Teilnehmerin hat Lidschatten, Concealer und Wimperntusche in ihrer Tasche. Die Kosmetikerin erklärt, wie die Tiegel, Puder, Quasten und Applikatoren genutzt werden. Äderchen werden kaschiert, Augenringe abgedeckt und die Augen mit der richtigen Schminktechnik ausdrucksstark umrandet. "Tupfen, nicht reiben", lautet der Tipp der Expertin.
Dann zeigt sie, wie die Frauen ihre fehlenden Augenbrauen nachzeichnen können, denn die geben dem Gesicht eine Kontur. Die zehn Teilnehmerinnen fühlen sich nach dem Kurs sichtlich wohl. "Statt Tabletten schlucken endlich mal wieder die Augen schminken", sagt Agnes Wroblewski. Ein paar Farben können manchmal Wunder bewirken - oder die Gemeinschaft und das Zusammensitzen: "Das sind neue Erfahrungen. Aber schön ist auch, Leute zu treffen, die das selbe Problem haben wie ich", erklärt Brigitte Stork. Und am Schluss möchte auch Gabi Tomkel noch etwas loswerden: "Ich kann wirklich nur jedem raten, regelmäßig zur Vorsorge zu gehen. Da ist dann jahrelang nichts und plötzlich ist es doch da. Und bei mir wurde es bei der Vorsorge-Untersuchung entdeckt."
In Deutschland organisiert die DKMS jedes Jahr mehr als 1.400 Kosmetikseminare. Die Nachfrage ist groß - auch in Paderborn. Das Seminar war mit zehn Frauen voll besetzt. Krebspatientinnen können einmal kostenlos am Seminar teilnehmen und bekommen dazu die prall gefüllte Tasche mit Produkten für die tägliche Pflege. In Paderborn findet der Kurs alle acht Wochen in der Gynäkologisch-Onkologischen Tagesklinik Woltersdorf und Wüllner in der Driburger Straße statt. Mehr Informationen zu den Schminkkursen unter www.dkms-life.de oder bei der Tagesklinik .