Paderborn. Ein Trümmergrundstück in Berlin, in moderndem Unrat erwacht Adolf Hitler wieder zum Leben und agierte im speckigen Soldatenrock am Samstagabend im Paderborner Theatertreff. "Der Herr hat mir geholfen, zu überleben", kündet in russischen Worten die wirre Malerei auf der Bühnenwand und Grundstücksmauer.
Kommt der schwarze Messias diesmal aus Russland zu den Deutschen, die sich so leicht verführen und gerne in den Krieg schicken lassen? "Er ist wieder da", nennt Timur Vermes seinen schaurig heiteren Satireroman, stellt H. und seine humorlos bösartigen Aussagen in die heutige Spaß- und Mediengesellschaft und provoziert damit lautstarkes Gelächter, wie auch schon vor fast hundert Jahren über den hergelaufenen, gescheiterten Kunstmaler gewitzelt wurde.
Das engagierte Team unter Marie-Sophie Dudzic erarbeitete eine höchst unterhaltsame Bühnenfassung von einer Stunde Dauer, jedem jungen Menschen zu empfehlen, der den Grat zwischen beißendem Humor und tödlichem Ernst geistig erwandern möchte. "Auf, auf zum Kampf fürs Vaterland", ertönt das Intro, akustisch zieht die Geschichte Deutschlands vorbei: Kanonendonner, zwei Nationalhymnen, Ulbricht, Kohl, bis zum "wir schaffen das!" Das Licht geht an, auf dem Bühnenpodest ein Stehtisch und ein symbolischer Zeitungskiosk, Alexander Wilß eröffnet als H. in perfekter Maske und hilfloser Pose die szenische Lesung: Traum oder Wirklichkeit, wo bin ich und wann?
Nur wenige Äußerungen im H.-Sound
Der 400-Seiten-Text wurde mit Sorgfalt eingedampft, die seine Person und seine Nöte beschreibenden Sätze liest Wilß in ordentlichem Hochdeutsch und lässt der Komik freien Lauf, der typische H.-Sound bleibt zum Glück auf wenige Äußerungen beschränkt. "Sie sehen aus wie Adolf Hitler", sagt der biedere Zeitungsverkäufer und reicht ihm den Spiegel - V-Effekt total -, die Ausgabe von damals mit dem charakteristischen Porträt auf der Titelseite, das auch Timur Vermes Buchdeckel prägt.
Alle Dialoge enden mit unterkühltem Lachen, drei Typen, Willi Hagemeier, David Lukowczyk und Tim Tölke, erscheinen komödiantisch überzeugend in kurzen wechselnden Rollen, von den ahnungslosen Fußballjungs: "Wer isn ditte?" bis zu den radikalen Schlägern, die den suspekten H. vermöbeln und, herrlich, Lukowczyk verkleidet als Frau von heute mit Rastazöpfchen und Baby im Arm zum Entsetzen von H. Mit markiger Stimme verkündet Wilß seine kruden Weisheiten und startet damit eine neue Karriere in der hin und her zappenden Mediengesellschaft.
Er hat den Soldatenmantel in die türkische Blitzreinigung Yilmaz gegeben, dafür wieder den gruseligen schwarzen Ledermantel angezogen und keiner merkt etwas. Das Volk und die Zuhörer scheinen fasziniert von seinen propagandistischen Sprüchen, der Führer macht keine Witze, als gefeierter TV-Star knüpft er Kontakte zu den führenden Politikern im Staat.
Die Satire erreicht ihren Höhepunkt, die beeindruckende und irritierende Inszenierung weckt Assoziationen zum aktuellen Weltgeschehen, das angeregte Publikum spendet lebhaften Applaus.