Paderborn

Fast 400 Jahre alte Grabplatte vor dem Dom gefunden

Bei Ausschachten stoßen Bauarbeiter auf eine Grabplatte aus dem 17. Jahrhundert. Die Spannung ist groß, was darunter liegt

Marco Schreiber
02.03.2016 | 03.03.2016, 06:46
Geheimnis gelüftet: Restaurator Matthias Rüenauer dirigiert die Grabplatte auf sicheren Grund. - © Marc Köppelmann
Geheimnis gelüftet: Restaurator Matthias Rüenauer dirigiert die Grabplatte auf sicheren Grund. | © Marc Köppelmann

Paderborn. Diese Wette hat Grabungsleiter Ralf Mahytka verloren. Unter der Sandsteinplatte mit dem Sterbekreuz ist nichts als nackte braune Erde. Bauarbeiter hatten sie am Dienstag auf dem Paderborner Domplatz freigelegt, in Ost-West-Richtung liegt sie in dem meterbreiten Graben.

Eigentlich hatte der Abschnitt schon freigegeben werden sollen, als Zufahrt zum Parkplatz, berichtet Mahytka. Doch im letzten Moment – „typisch für eine archäologische Grabung" – schrappt die Baggerschaufel über Stein und legt die ockerfarbene Platte frei.

Information

Platte mit Lazaruskreuz

  • Das lang gestreckten Kreuz auf der Grabplatte wird auch als Lazaruskreuz bezeichnet. Typisch sind die dreiblättrigen Kleeblätter an den Enden der Kreuzarme. Es ist auch als Dreiblattkreuz bekannt.
  • In der katholischen Kirche wird das Lazaruskreuz als Sterbekreuz verwendet und im Sterbezimmer aufgestellt bzw. dem Sterbenden zum Kuss gereicht.
  • Nach dem Johannesevangelium wurde der tote Lazarus Jesus auferweckt.
  • In der Symbolsprache steht das Dreiblattkreuz für die Heilige Dreifaltigkeit.

Kurz nach elf wird sie am Mittwoch gehoben. Reporter sind da, Fotografen, ein Kameramann. Sie lichten den Namen über dem Grabkreuz mit den kleeblattförmigen Enden ab, das Todesdatum darunter. „Johann Surland", liest Martin Kroker vor, Leiter des Museums in der Kaiserpfalz. „Obiit AD, also gestorben im Jahre" – und dann wird es schwierig.

Drei Ziffern der Jahreszahl sind einwandfrei zu erkennen. Eine lädt zu Spekulationen ein. 1678 könnte der Mann gestorben sein, an einem 22. Dezember; der Tag zumindest ist eindeutig.

Gibt Rätsel auf: Der Grabplattenfund am Domplatz. - © Marc Köppelmann
Gibt Rätsel auf: Der Grabplattenfund am Domplatz. | © Marc Köppelmann

Oder 1628, was die Sache spannend macht. An jenem Tag habe ein Paderborner namens Georg Baer im Duell einen Mann erschlagen, erzählt Grabungsleiter Mahytka. In einer Fachzeitschrift sei er auf diese Information gestoßen, ein einziger Satz, ganz zufällig. Wer an diesem 22.12.1628 gestorben, dies herauszufinden wird schwierig. Die Paderborner Kirchenakten reichen bis ins Jahr 1632 zurück; einen vielleicht im Duell getöteten Surland „würde man nicht finden", sagt Mahytka.

Als sich der Bagger in Bewegung setzt, ebben alle Gespräche ab. Handelt es sich tatsächlich um eine Grabplatte, wird darunter ein Sarg mit einem Toten zu sehen sein? Oder ist es eine Grabstele, aus einer Sandsteinsäule geschlagen, worauf die gewölbte Oberfläche schließen lässt? Das man zur Stunde nicht, hatte Mahytka gesagt. War es eine Grabstele, knapp mannshoch, ist sie möglicherweise umgekippt, als der Friedhof eingeebnet wurde. Sicher über hundert Kilo schwer, ließ man sie damals vielleicht einfach liegen.

Die Baggerschaufel senkt sich über den Stein, ein Mann in Arbeitskluft windet das weiße Seil darum. Wenig später wird die Platte auf eine Holzpalette bugsiert. Darunter war nichts, nur blanke Erde, was Museumschef Kroker zum Gewinner der Wette mit Mahytka macht.

Der Grabungsleiter steht schon wieder im Schacht und kratzt gemeinsam einem studentischen Volontär die platt gedrückte Erde zur Seite. Steine kommen zum Vorschein, dunkelbraune Knochen, fingerlang, sonst nichts.

Die Platte werde zunächst zwischen Dom und Kaiserpfalz gelagert, sagt Kroker. Ob der Stein seine Geschichte preisgeben wird? So oder so ist es ein seltenes Stück, weil für die Gegend eher Sandstein typisch ist.