Paderborn. Als Angela Webster vor sechs Jahren ihren Arbeitsvertrag in einem Discounter am Paderborner Marienplatz unterschrieb, ging gerade der „Fall Emmely“ durch die Medien. Der Kassiererin war vorgeworfen worden, zwei ihr nicht gehörende Flaschenpfandbons im Wert von 1,30 Euro eingelöst zu haben. Ihre fristlose Kündigung löste einen gesellschaftlichen Diskurs über Bagatellkündigungen aus. Jetzt ist Angela Webster selbst ein Fall, der die Gerichte beschäftigt und der nach einem jetzt gescheiterten Gütetermin am Arbeitsgericht Paderborn in die nächste Runde geht.
Am 23. Juli dieses Jahres wurde der 43-Jährigen fristlos gekündigt, weil sie an der Kasse Bonbons gelutscht und schlecht über ihren Arbeitgeber gesprochen haben soll. Die Kassiererin bestreitet die Vorwürfe und wirft ihrem ehemaligen Arbeitgeber vor, nach Gründen zu suchen, um sie loszuwerden. Seit sie in ihrer Filiale einen Arbeitsunfall hatte, ist sie gesundheitlich so schwer beeinträchtigt, dass sie als schwerbehindert gilt. Das macht ihrem Arbeitgeber eine Kündigung nicht einfach.
Die erste Abmahnung habe sie im März 2014 bekommen, als ihre Filiale geschlossen werden sollte und sie Unterschriften dagegen sammelte. Die Filiale blieb geöffnet, aber in den kommenden Monaten habe es weitere Abmahnungen gehagelt – insgesamt vier, in fast allen sei es um angebliche Minusstunden gegangen, insgesamt 53 Stunden sollen auf ihrem Arbeitszeitkonto gefehlt haben. „Aber ich war krankgeschrieben und habe mich natürlich geweigert, diese Stunden unentgeltlich nachzuarbeiten.“ In dieser Supermarktkette ist das offenbar keine Ausnahme, wie das ZDF-Nachrichtenmagazin „Frontal 21“, das Angela Websters Geschichte vergangene Woche öffentlich machte, recherchiert hat. Wegen eines Formfehlers, der den besonderen Kündigungsschutz bei Schwerbehinderung betrifft, beschäftigt dieser Fall das Verwaltungsgericht Münster.
Richterin bemüht sich vergeblich um Einigung
Beim Gütetermin vor dem Arbeitsgericht ging es also zunächst nur um die fristlose Kündigung, die für Angela Webster nicht nur zum Jobverlust, sondern auch zu einer dreimonatigen Sperre des Arbeitslosengeldes geführt hat. Die Vorsitzende Richterin Silke Petersen bemühte sich vergeblich um eine Einigung. Angela Webster, deren Interessen vor Gericht durch Siegfried Schuster vom DGB vertreten werden, forderte: „Ich will meinen alten Job in meiner alten Filiale zurück. Schließlich habe ich nichts Unrechtes getan, und ich vertraue auf das Recht!“ Auf der anderen Seite saß der Gebietsverkaufsleiter der Discounter-Kette mit seinem Anwalt, beide wenig kompromissbereit. Der Kammertermin wurde für den 18. November terminiert, dann wird die Richterin versuchen, mit Hilfe von Zeugen den Sachverhalt aufzuklären.Obwohl sie gegen einen großen Konzern kämpft, will sich Angela Webster nicht unterkriegen lassen. „Ich kenne meine Rechte und lasse mir das nicht gefallen!“ Für ihren Rechtsbeistand Siegfried Schuster ist der Fall klar: „Ein typisches Beispiel, wie Unternehmen unbequeme Mitarbeiter loswerden wollen.“