Sehen mit den Ohren: Junge aus dem Kreis Paderborn entdeckt die Welt durch Echos

Hövelhof. Kommt man in die Kita Bentlake mit dem Wissen, dass hier ein Mobilitätstrainer mit einem blinden Kind trainieren soll, wird man doch überrascht, denn: Ein Unterschied lässt sich definitiv nicht erkennen. Erst als der fünfjährige Finn seinen Stock rausholt, gibt er sich zu erkennen. Zum dritten Mal trainiert Finn nun schon mit Juan Ruiz. Nach einer Spendenaktion im März, organisiert von der Kita Bentlake, kamen unfassbare 16.750 Euro zusammen. Mit dem gesammelten Geld können Finn und einem weiteren vollständig erblindeten Kind in der Hövelhofer Kita mehrere Einheiten Klicksonartraining ermöglicht werden. &bdquo;Von der gesammelten Summe sind wir immer noch ganz überrascht“, sagt Kita-Leiterin Susanne Michels sichtlich gerührt. Mit so viel Anteilnahme habe wohl keiner gerechnet, erzählt sie. Dass es nicht sein erstes Training mit Juan Ruiz ist, wird schnell klar: Finn bewegt sich alleine ganz selbstverständlich durch die Hövelhofer Kita. Dabei nutzt er neben seinem Langstock die Klicksonartechnik, auch &bdquo;Menschliche Echoortung“ genannt, um sich in seiner Umgebung zu orientieren. Als Vorbild für diese Technik dient das Tierreich: Fledermäuse und Delfine orientieren sich in der Dunkelheit mit einer ganz ähnlichen Methode. Methode kommt aus der Tierwelt Beispielsweise senden Fledermäuse in der Dunkelheit Ultraschallwellen aus. Anhand des entstehenden Echos können die Tiere anschließend Insekten präzise lokalisieren, ohne sie zu sehen. Der Amerikaner Daniel Kish hat diese Methode weltweit bekannt gemacht. Juan Ruiz war einer seiner ersten Schützlinge. Der gebürtige Mexikaner ist seit seiner Geburt blind. Heute lebt Ruiz in Wien und schult selbst Kinder, Jugendliche und Erwachsene in der Klicksonartechnik. &bdquo;Viele Kinder stampfen schon früh ganz intuitiv mit den Füßen auf den Boden, um sich eine Orientierung zu geben. Mit dem Mund ist es jedoch besser, da es näher an den Ohren ist“, erklärt er. So war es auch bei Finn, erzählt sein Vater Daniel Bee: &bdquo;Das Stampfen mit den Füßen hat er schon ganz früh gemacht.“ Zu Hause übe der Fünfjährige immer fleißig weiter, habe keine Probleme, sich zu orientieren. &bdquo;Auch in der Kita macht er alles alleine, kommt sehr gut zurecht“, bestätigt Kita-Leiterin Michels. Kinder müssen eigene Erfahrungen sammeln Viele Eltern hätten Bedenken, ihre erblindeten oder sehgeschwächten Kinder eigenständig die Welt entdecken zu lassen, erzählt der Klicksonartrainer. Dabei könne nur durch eine eigene Erkundung der Umgebung ein Bild dessen entstehen. &bdquo;Sie müssen ihre eigenen Erfahrungen machen, um die Geräusche im Gehirn richtig abzuspeichern“, führt er weiter aus. Heute falle ihm das Training schwer, sagt der Fünfjährige. Sein Vater klärt auf: &bdquo;Finn ist noch ein bisschen erkältet, hört auf dem rechten Ohr fast nichts, das erschwert es natürlich“. Doch sobald Juan Ruiz in die kleine Turnhalle der Kita kommt, strahlt Finn. Sie haben sichtlich Spaß zusammen. &bdquo;Juan, erinnerst du dich noch daran, dass wir nach Paderborn mit dem Zug gefahren sind?“ oder &bdquo;Juan, erinnerst du dich noch daran, als wir in der Kirche waren?“, fragt Finn seinen Weggefährten in einer Trainingspause. &bdquo;Mit Juan entdecke ich immer so viel Neues, das macht richtig Spaß“, sagt der Fünfjährige. Bereits nach dem dritten Treffen haben sich beide ins Herz geschlossen. &bdquo;Ich möchte mal mit dem Zug nach Bielefeld fahren!“ Nach einer kurzen Ruhephase geht das Training für die beiden Freunde weiter. Finns Lieblingsübung darf heute natürlich nicht fehlen. Dafür verlässt er schmunzelnd den Raum mit den Worten: &bdquo;Tschüss, macht’s gut.“ Trainer Juan platziert daraufhin eine dicke Gymnastikmatte in der Turnhalle. Finn soll sie mithilfe der Klicksonartechnik finden und darf sie dann mit einem großen Krachen umschmeißen. Nach einer Stunde anstrengender Übungen ist erst einmal Schluss. Für Juans nächsten Besuch hat Finn auch schon einen Wunsch: &bdquo;Ich möchte mal mit dem Zug nach Bielefeld fahren!“ An einem Bahnhof gebe es für ihn eintausend neue Sachen zu entdecken, sagt er. Aber einer dürfe bei diesen Entdeckungstouren nicht fehlen: sein Freund Juan.

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