
Delbrück. Es klingt grausam, was Tierschützer dem Tierpark Nadermann in Delbrück vorwerfen. Es klingt nach Schmerz und Leid und so, als würde es den beiden Schimpansen beinahe mutwillig zugefügt.
Die Tiere würden in einem "Quälgehege" gehalten, sagen sie: Der Düsseldorfer Tierschutzverein Animal Public. Britta Gorsler vom Bund für Tier- und Naturschutz Ostwestfalen. Der Affenforscher Volker Sommer. Ein großer Fernsehsender. Und Colin Goldner vom Great Ape Project zum Schutz von Menschenaffen. Wie die Schimpansen bei Nadermann gehalten werden, "widerspricht sämtlichen gesetzlichen Vorgaben", sagt Goldner.
Der Tierrechtler wirft der Familie vor, sie hätte "keinen Blick dafür, dass die Affen massiv leiden". Die Tiere hätten schwere Depressionen entwickelt, was an ihrem Verhalten erkennbar sei. Entweder seien die Schimpansen in Lethargie versunken und völlig von der Welt abwesend. "Oder sie toben vollkommen überdreht durch den Käfig", sagt Goldner. Als Ursachen macht er "massiven Bewegungsmangel und Ernährungsfehler" aus.
"Den Affen geht es gut", sagt Reinhold Nadermann. Es ist ein kühler Vormittag im Herbst, der 62-Jährige sucht einen Platz in der Sonne. Bedächtig setzt er Wort an Wort. Manchmal reibt er mit der Hand über Augen und Stirn, bevor er den nächsten Satz beginnt. Manche Formulierung klingt wie von einem Zettel abgelesen, etwa wenn er sagt, man sei "bemüht, die Affenhaltung vielfältig und interessant zu gestalten".
Nadermann ist klar, dass dies allein nicht reicht. Mit seinen 50 Quadratmetern ist das Affengehege viel zu klein. 200 Quadratmeter sollen es seit 2014 mindestens sein, so schreibt es das Säugetiergutachten der Bundesregierung vor. Ein Außengehege müsste demnach sogar 250 Quadratmeter bieten. Und zwar je Tier.
"Nach den alten Richtlinien ist das Gehege groß genug", sagt Nadermann. Die zuständige Behörde gibt ihm Recht. Der Tierpark habe die Mindestvorgaben stets eingehalten, teilt das Landratsamt auf Anfrage mit, bei dem das Veterinäramt angesiedelt ist. Nach Bekanntgabe des Gutachtens sei der Tierpark aufgefordert worden, veraltete Gehege anzupassen oder einen Zeitplan dafür vorzulegen. Dies sei erfolgt, ein Konzept für die Umgestaltung liege der Behörde vor.
Ausgenommen das Affengehege. Die Schimpansen nämlich will Nadermann abgeben. Man suche nach einer entsprechenden Anlage, sagt er. Die von Tierschützern favorisierte niederländische Auffangstation Aap lehnt er jedoch ab. Weil sie dem Tierpark einen endgültigen Verzicht auf Affenhaltung abverlangt. Doch Vorschriften will sich Nadermann nur von den zuständigen Behörde machen lassen. Außerdem hätten die Holländer nicht garantieren können, dass die 33 und 35 Jahre alten Schimpansen, Bruder und Schwester, nicht voneinander getrennt werden. Nadermann macht dies zur Bedingung. "Für mich ist wichtig, wie es woanders mit den Affen weitergeht", sagt er.
Mittlerweile hat der Tierpark auch beim Wales Ape and Monkey Sanctuary angefragt, einem Refugium für ehemlige Zoo- und Zirkustiere in Großbritannien. Auf Betreiben der Tierschützer um Goldner hatte sich die Einrichtung bereit erklärt, die beiden Schimpansen aufzunehmen.
Strittiger Zoo
Zwischenruf von Marco SchreiberDie einen stellen Tiere aus und verdienen damit ihr Geld. Die anderen meinen, das Ausstellen von Tieren gehöre im Grunde verboten. Ihre Argumente sind nachvollziehbar. Kein Zoo kann die natürliche Umgebung der allermeisten Tiere auch nur annähernd simulieren. Mit schriller Wortwahl und emotionalen Kampagnen ist ihrem Wohl jedoch wenig gedient. Der Aussteller sieht sich als Tierquäler am Pranger, der Besucher als eine Art Mitläufer diffamiert. Auf diese Weise kann das Verhältnis von Mensch und Tier kaum neu bestimmt werden, wie es Tierrechtler letztlich wollen. Das kann nur eine sachliche Debatte erreichen, bei der mit- und nicht übereinander geredet wird.