Sommerinterview mit Bürens Bürgermeister: "Hier muss man auf nichts verzichten"

Herr Schwuchow, Sie sind schon seit 2009 Bürgermeister der Stadt Büren und haben in dieser Zeit viel erlebt. Waren die von der Pandemie und nun auch vom Ukrainekrieg geprägten letzten Jahre die schwierigsten in Ihrer Amtszeit? Die von der Pandemie geprägten Jahre waren Jahre mit außerordentlichen Herausforderungen. Es fällt mir allerdings schwer, einige Jahre als schwierig herauszupicken, weil alle Jahre Herausforderungen hatten. Gleich 2009 musste ich mich mit der Insolvenz des Krankenhauses beschäftigen. Das war natürlich etwas ausgesprochen Schwieriges. Wenn man antritt mit dem Ziel, das Krankenhaus zu retten, und dann den Menschen, die dort arbeiten, und der Gesellschaft erklären muss, dass man nicht erfolgreich gewesen ist, ist das etwas sehr Belastendes. Auch die ganze Innenstadtentwicklung war sehr schwierig. Darüber wurde auch sehr emotional diskutiert. Schwierig war auch die Zeit nach der Finanzkrise. 2012 sind wir nur um knapp 30.000 Euro an der Haushaltssicherung vorbeigerutscht. Da mussten wir konsolidieren und den Vereinen erklären, warum wir freiwillige Leistungen kürzen. Da konnten wir nicht mehr wie gewohnt das abliefern, was die Gesellschaft von uns erwartet hat. Aktuell ist natürlich die Situation mit den Flüchtlingen aus der Ukraine schwierig, aber beherrschbar. Es ist anders als 2015, als wir eher unvorbereitet gewesen sind. Büren gehört auch zu den Kommunen, die ganz genau auf jeden Cent achten müssen. Die Gewerbesteuereinnahmen sind für Ihre Stadt wichtig. Wie stehen die Chancen auf Erweiterung von Gewerbeflächen? Die Chancen stehen gut. Jetzt sind wir in der Lage, zu investieren. Standen wir 2012 noch kurz vor der Haushaltssicherung, so stehen wir vor dem vierten Jahr in Folge, wo wir Jahresüberschüsse erwirtschaften. Haushaltstechnisch geht es uns momentan besser, unsere Ausgleichsrücklage ist gut gefüllt – es fühlt sich richtig gut an. So haben wir Mittel für Flächenbevorratung, um für die Bedarfe der Industrie neue Gewerbegebietsaussiedlungen vorzunehmen. Flächen sind eine begrenzte und wertvolle Ressource, man kann sie nur einmal verbrauchen oder verkaufen. Früher war es schwer für uns, an neue Flächen zu kommen. Jetzt haben wir aber ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis zu unseren Geschäftspartnern, den Landwirten und den Eigentümern. Wenn sie Flächen haben, kommen sie gerne zu uns. Die Stadt ist ein guter und verlässlicher Geschäftspartner. Was macht Büren so attraktiv fürs Gewerbe? Ich unterstelle der Verwaltung und auch mir als Bürgermeister, dass wir sehr wirtschaftsaffin sind. Und dass wir genau hingucken, was die Wirtschaft für Bedarfe hat. Wir haben ein sehr gutes wirtschaftliches Umfeld und eine strategisch gute Lage. Das Gewerbegebiet Büren West hat zum Beispiel keine Restriktionen, da kann man im Dreischichtbetrieb rund um die Uhr und auch an allen Tagen produzieren. Wir haben auch eine sehr gute Infrastruktur zu bieten mit den Autobahnen A33 und A44 und auch den kleinen Hellweg am Industriegebiet, der für mich schon ein großer Hellweg ist. Wir sind hervorragend angebunden, nicht nur ans Oberzentrum, sondern auch an den Flughafen. Wir haben viele Anfragen von Unternehmen und können diesen auch Angebote machen. Wir arbeiten auch sehr intensiv daran, dass die Bestandsunternehmen hier gut wirtschaften können und sich wohlfühlen. Windkraft ist in Büren immer ein Thema gewesen. Wie sehen da die Planungen aus, wird es noch mehr Windräder geben? Und kann die Gemeinde daran verdienen? Es existiert ja diese Wahrnehmung, dass die Kommunen planen können, wie sie wollen. Doch es kommt immer wieder vor, dass ihre Planungen vor Gericht gekippt werden, da sich regelmäßig Anlagenbetreiber oder Investoren finden, die diese beklagen. So gesehen ist es schon ein kleines Erfolgserlebnis, dass unser Flächennutzungsplan von 2015 bis heute noch nicht beklagt worden ist. Jetzt haben wir eine gänzlich veränderte Gesetzeslage. Früher war es eine Ausschlussplanung, bei der wir darlegen mussten, wo keine Windräder stehen dürfen. Heute ist es eine Positivplanung. Eigentlich hat Büren genug getan, wir haben 65 Windräder und erzeugen mehr Energie, als wir selbst verbrauchen. Aber nach dem Willen des Landes kommen trotzdem neue Windräder. Alles, was uns mal in Aussicht gestellt wurde, ist Schnee von gestern – auch aufgrund der Energiekrise. Wir haben die Möglichkeit, bevor die Bezirksregierung es macht, eine eigene Vorratsplanung aufzustellen. Darüber denken wir aktuell sehr intensiv nach. Wie sieht es mit dem Ausbau anderer erneuerbarer Energien aus, vor allem PV-Anlagen oder Nahwärme? Wir haben schon seit vielen Jahren auf unseren kommunalen Gebäuden Photovoltaikanlagen. Auch das bekommt nun einen anderen Drive, weil der Ausbau von PV-Anlagen sehr intensiv gefördert wird. Wir werden unsere Dachflächen noch einmal überprüfen, auch bei Gebäuden, für die es zunächst wirtschaftlich nicht sinnvoll erschien. Wir sind seit vielen Jahren Mitglied bei der Bürener Solarpark GmbH. Mit anderen Firmen betreiben wir eine PV-Anlage auf einer Industriebrache unterhalb des Kapellenberges. Da generieren wir Einnahmen, wie auch aus den Windparks. Wenn wir diese Art der Energieerzeugung bei uns im großen Stil haben, dann müssen auch die Kommune und die Bevölkerung daran partizipieren. Zum Thema Wärmeplanung. In Steinhausen haben wir ein Wohnbaugebiet, wo wir bereits Fernwärme nutzen. Wir sind sehr offen, auch zukünftige Wohnbaugebiete, die wir entwickeln, so zu versorgen. Die Stadt fördert auch private Balkonkraftwerke. Der Fördertopf mit 30.000 Euro ist Mitte des Jahres schon aufgebraucht. Da müssen wir nachdenken, ob wir nachsteuern. Bauland ist überall gefragt. Was kann die Stadt Büren noch anbieten? Wir haben in den letzten zwei, drei Jahren knapp 120 Baugrundstücke erschließen können. Da haben wir ähnlich wie bei den Gewerbeflächen einen Paradigmenwechsel vollzogen und nun die Möglichkeit, Land zu erwerben und dieses zu entwickeln. Die Nachfrage ist hier auf dem Land auch groß und wir merken, dass trotz der etwas angespannten Lage nur wenige Baugrundstücke zurückgegeben werden. Und wenn, dann gibt es neue Abnehmer. Wir haben jetzt noch etwa zehn Grundstücke in Siddinghausen, Ahden, Steinhausen, Wewelsburg und Weine. Wir sind dabei, neue zu planen. Wir haben in der Fillekuhle in Brenken Flächen für 12 bis 15 Baugrundstücke erwerben können und steigen jetzt in die Bauleitplanung ein. Auch in Harth im Harthfeld werden 15 Grundstücke entwickelt sowie in Büren am Kapellenberg nächstes Jahr auch noch einmal 25 bis 30 Baugrundstücke zur Verfügung stehen werden. Wie würden Sie jemanden, der in den Kreis Paderborn ziehen will, Ihre Stadt schmackhaft machen? Warum sollte er im Bürener Stadtgebiet bauen oder wohnen? Man kann hier mitten in einer wunderbaren, natur- und kulturhistorischen Landschaft hervorragend leben und muss trotzdem auf nichts verzichten. Wir haben hier alles, was man sich an Kulturveranstaltungen vorstellen kann und auch viele Museen. Die Infrastruktur ist sehr gut. Man kommt auf kurzen Wegen ins Oberzentrum, ins Ruhrgebiet, nach Nordhessen oder Bielefeld. Zudem ist der Flughafen vor Ort. Wir haben eine hervorragende Schullandschaft mit zwei sehr guten, privaten Gymnasien, der Gesamtschule und dem vielfältigen Angebot im Grundschulbereich. Dazu kommen noch die Moritz-von-Büren-Schule und die beiden Berufskollegs des Kreises. Das Kindergartennetz ist bestens ausgebaut. Wir errichten jetzt noch mit dem DRK eine neue Kindertagesstätte und auch in Wewelsburg und Steinhausen werden wir ausbauen müssen. Unser größtes Pfund ist das sehr aktive Kultur- und Vereinsleben, das sehr starke ehrenamtliche Engagement – wir haben weit über 300 Vereine, die sich in den unterschiedlichsten Bereichen engagieren. Zum Beispiel haben wir zwölf Musikvereine. Auch das Sportangebot lässt keine Wünsche offen. In den Almeauen gibt es für jeden etwas. Und man steht mit zwei Schritten in der Natur – sei es im Alme- oder Aftetal. Was Büren auch auszeichnet: Man lebt mitten in der Geschichte, es gibt überall historische Gebäude. Es gibt einen bunten Strauß mit guten Argumenten, dass es wertvoll ist, nach Büren zu ziehen. Man merkt, dass Sie Büren lieben. Ich gebe Ihnen ein gutes Beispiel: Ich bin in Wewelsburg, was für mich ganz klar Teil Bürens ist, aufgewachsen. Nie habe ich gedacht, ich wäre irgendwo anders besser aufgehoben gewesen, ich habe immer alles hier gehabt. Von der Grundschule über die Hauptschule, die Berufsfachschule – ich habe meine komplette Ausbildung in Büren machen können. Man kann auch als Hauptschüler hier vor Ort Karriere machen. Und man kann sogar Bürgermeister werden. An der Königstraße, wo das Moritzquartier mal entstehen soll, sieht es aktuell nicht einladend aus. Gibt es schon Ideen, wann und was dort genau gebaut werden soll? Das kann ich noch nicht abschließend beantworten. Klar ist, dass wir den Vorgaben und Zielen aus dem integrierten, städtischen Entwicklungskonzept folgen und diesen Bereich gemeinsam mit der Bürgerschaft entwickeln wollen. Es wird einen städtebaulichen Wettbewerb geben. Dieser Bereich soll auch die städtebaulichen Besonderheiten und Alleinstellungsmerkmale für Büren darstellen und hervorheben. Aktuell liegt die Fläche brach. Als Eingangstor von Büren soll das so nicht bleiben. Weil der Entwicklungsprozess noch dauern wird, wollen wir das Gebiet jetzt aber für den Übergang erlebbar machen. Die Baugrube wird zugeschüttet, es wird dort eine Rasenfläche mit kleinen Wegen zum Verweilen entstehen. Es ist ein Provisorium, so dass die Fläche zwischenzeitlich verschönert wird. Ziel ist es aber auch, Teile der Fläche dafür zu nutzen, die dort unschöne Verkehrssituation an der Kreuzung zu verbessern. Da sind wir mit Straßen-NRW in Gesprächen. Auch die Patientenaktenfunde im ehemaligen Krankenhaus, das zum Lost Place mutiert, waren ein heißes Thema. Wie ist der aktuelle Stand? Nach der Insolvenz hat sich keiner so richtig um das Krankenhaus gekümmert. Dass nicht nur das Gebäude sich selbst überlassen wurde, sondern auch die Krankenakten, das zeigte dann der dort eingestiegene Youtuber einer breiten Öffentlichkeit. In dem Moment mussten wir eingreifen, um diese Akten zu schützen. Wir haben Fenster verschweißt und vergittert, Videoüberwachung installiert und auch einen Sicherheitsdienst engagiert. Die Akten sind aus unserer Sicht nun so gut geschützt, dass da keiner mehr drankommt. Unsere Maßnahmen haben Geld gekostet, die haben wir dem Eigentümer in Rechnung gestellt. Das wurde beklagt, aber vor Gericht haben wir dann Recht bekommen. Unser zweites Ziel war, dass der Eigentümer dafür sorgen muss, dass die Akten sicher aufbewahrt und einer Folgenutzung zugeführt werden. Das Gericht hat uns deutlich gemacht, dass wir als Stadt Büren nur für das öffentliche Recht zuständig sind. Das ist aber privates Recht der Patienten, nur diese könnten das einfordern. Ich bin nicht erfreut darüber, dass der Eigentümer die Akten keiner professionellen Lagerung überführen will und sie den Patienten nicht zugänglich macht. Das müssen wir leider so hinnehmen. Für die Mobilitätswende ist es auch wichtig, dass mehr Menschen auf Rad steigen. Ist die Infrastruktur an Radwegen im Stadtgebiet ausreichend? Lange haben wir gedacht, dass insbesondere die flacheren Regionen wie Delbrück, Salzkotten oder Hövelhof viel mehr zum Fahrradfahren einladen. Aber durch den Schub durch die E-Bikes haben wir gemerkt, dass dieses Thema bei uns immer wichtiger wird. Zum Teil sind wir gut aufgestellt. Fast an allen wichtigen Straßen laufen parallel gute Radwege, unter anderem haben wir den Almeradweg. Was uns fehlt, sind aber schnelle Verbindungen für den Berufsradverkehr. Das haben wir erkannt und werden nun eine leistungsstarke Verbindung zwischen Büren und Bad Wünnenberg anstreben und noch weitere planen. Könnte die Reaktivierung der Almetalbahn auch helfen? Die Trasse wäre auch eine gute Alternative für einen Schnellradweg. Es ist aber nicht leicht, da es viele Viadukte und Tunnel gibt. Es müsste alles für viel Geld hergerichtet und auch unterhalten werden. Der Kreis Paderborn als Eigentürmer der Trasse hat sie gesperrt, weil die Verkehrssicherheit nicht mehr gegeben ist. Die Chancen, dass die Almetalbahn reaktiviert wird, stehen gut. Vor allem unter den Vorzeichen der Mobilitätswende. Eine Studie überprüft derzeit die Wirtschaftlichkeit der Strecke von Brilon nach Paderborn. Sie sind ja nicht nur Bürgermeister, sondern auch in diversen Aufsichtsräten und Vereinen aktiv. Was machen Sie in Ihrer knapp bemessenen Freizeit? Diesen Job kann man nicht annähernd in einen Achtstundentag reinpacken. Ich fange sehr gerne schon früh an, so zwischen 7 und 7.30 Uhr. Wenn ich dann abends gegen 22 Uhr nach Hause komme, finde ich keine Zeit mehr für Freizeitaktivitäten. Der wenige Raum, der noch da ist, gilt der Familie. Die Wochenenden sind oft gefüllt mit Veranstaltungen. Auch wenn es locker und leicht aussieht und ich auch gerne bei den Menschen bin, so ist es doch auch Arbeit für mich. Aber wenn ich wirklich mal Zeit habe, dann spiele ich sehr gerne noch im Tambourkorps und Musikverein Wewelsburg mit. Wie können Sie abschalten oder entspannen? Ich habe oft viele Dinge im Kopf – da kann ich mich nicht nur in den Sessel setzen und abschalten. Ich entspanne sehr gut, wenn ich mich handwerklich betätige. Als gelernter Tischler mache ich gerne etwas am Haus. Aber auch bei der Probe im Musikverein muss ich mich konzentrieren, den richtigen Ton treffen und meine Rolle in dem Ensemble finden. Das lenkt mich sehr gut ab. Wie und wo verbringen Sie gerne Ihren Urlaub? Da meine Eltern und Großeltern nach dem Ende des Krieges als Geflüchtete aus dem Ostseeraum nach Büren kamen, fahre ich immer sehr gerne an die Ostsee. Am Samstag steht auch das Büren Open Air – BOArocks an mit Fury und Fischer-Z. Ist das auch Musik, die Sie mögen? Werden Sie das Open Air besuchen? Ich habe sehr gelitten, als ich letztes Jahr krank war und das Open Air verpasst habe. Diesmal bin ich auf jeden Fall dabei. Rock mit Balladen, das ist genau mein Ding, ich bin ein Kind der 80er. Die Wingenfelder-Brüder waren schon einmal hier und haben viele Hits von Fury gespielt, das ist meine Musik. Es gibt noch so viel, was wir in den Almeauen machen können – von Toto bis zu Simple Minds. Seit 14 Jahren sind Sie schon Bürgermeister in Büren. Werden Sie 2025 erneut kandidieren? Es gibt noch sehr viel, was mich umtreibt. Das möchte ich gerne zu Ende bringen. Ich bin – für mich gefühlt – noch lange nicht fertig. Das darf ich nur, weil an erster Stelle meine Familie, meine Frau mir den Rücken freihält, und weil die Wählerinnen und Wähler mir das Vertrauen geschenkt haben. Ich bin mir bewusst, dass ich immer wieder auf’s Neue das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger gewinnen muss und dabei auch Unterstützung benötige. Da ich das zu diesem Zeitpunkt noch nicht getan habe, bitte ich Sie um Ihr Verständnis, wenn ich diese Frage in diesem Moment noch nicht beantworten kann. In Vorstellungsrunden sage ich regelmäßig: &bdquo;Ich darf Bürgermeister dieser schönen Stadt sein!“

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