Die Rückkehr des Steinhausener Fallschirm-Rekordjägers

Büren-Steinhausen. Das Klettern auf ein Baugerüst ist nicht seine Welt – der Blick zum Boden löst Beklemmungen aus bei Horst Salmen. Der 54-Jährige springt lieber aus Flugzeugen, das macht ihm nichts aus. Am Samstag, 2. Oktober, hat er einen der wichtigsten Sprünge seiner Karriere vor Augen. Anderthalb Jahre lang wurde geplant, die Spannung steigt. Der pensionierte Fallschirmjäger der Bundeswehr ist Kapitän des siebenköpfigen Cypres-Demo-Teams, das sich am Flughafen Paderborn/Lippstadt den Weltrekord für die größte in der Luft geöffnete Flagge zurückholen will. Sie muss mindestens 4.887 Quadratmeter groß sein. Salmen ist fokussiert. Sowohl auf den Sprung, der einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde bringen soll, aber auch beim NW-Gespräch über sein Springerleben. Die stahlblauen Augen halten stets Blickkontakt, die Aufmerksamkeit ist immer da. Das Militär und das Leben mit der Gefahr haben den in Steinhausen, nahe des Airports, aufgewachsenen Salmen geprägt. Der Fahnensprung ist eine Herausforderung fürs Team, das überwiegend aus Soldaten und Polizisten besteht. Die Flagge, rund 300 Kilogramm schwer, wird einem Kameraden mit einem überdimensionalen Koffer vor den Bauch geschnallt. Dann muss sie sich im Fallen korrekt öffnen. Zufall beim Anwerbetag der Bundeswehr Wie es ist, mit jeder Menge Ausrüstung, einem Passagier oder nachts aus großer Höhe zu springen – Salmen hat all das schon erlebt. Bei der Bundeswehr in Lippstadt verpflichtete er sich als junger Bursche einst für vier Jahre – und blieb viel länger. Mit Fallschirmen hatte das jüngste von sechs Kindern in Steinhausen zuvor nichts am Hut. Den Malerberuf hatte er gelernt, Fußball ist seine Welt zu der Zeit. Die Salmen-Brüder sind geachtet auf den Plätzen der Region. Dann kommt der Anwerbetag bei der Bundeswehr. &bdquo;Aufs Lkw-Fahren hatte ich keine Lust, die Werbung der Fallschirmjäger hat mir aber gefallen", erinnert sich Salmen. Der Funke springt über. Er wagt den Schritt. Im bayerischen Altenstadt ist es später soweit. Der erste Sprung. &bdquo;Wir hatten alle Muffe. 40 oder 50 Mann im Flugzeug, jeder war angespannt", sagt Salmen über die Premiere in der Luft. Doch schon kurz nach dem Absprung folgt die Befreiung: &bdquo;Es ist zwar ziemlich unmilitärisch, aber alle haben geschrien vor Glück. Danach fühlt man sich wie der Allergrößte." Fünf Sprünge mit einem nicht lenkbaren Schirm sind nötig, danach hat der heute zweifache Vater den Springerschein in der Tasche. Es ist der Anfang einer Fallschirmkarriere. Immer neue Qualifikationen erarbeitet er sich, so auf steuerbare Schirme, für Tandemsprünge oder Einsätze mit Sauerstoffflasche in großer Höhe. Aus 7.000 Metern ist Salmen abgesprungen, mehrfach über der Wüste von Arizona. Erst ab 4.000 Metern ist das Atmen wieder halbwegs möglich. Vor harten Prüfungen hat er sich nicht gescheut. Zusätzlich bildet er sich als Fallschirmtechniker weiter, arbeitet an den rund 20 Fallschirmsystemen der Bundeswehr – sowohl für Springer als auch für Lasten. Auch im zivilen Leben ein Fallschirmspringer Ernst wird es mit der Truppe 1995 auf dem Balkan. &bdquo;In Sarajevo war die Lage haarig. Scharfschützen saßen in den Bergen. Minen waren eine große Gefahr", blickt Salmen zurück. Im Januar 2002 zählt er zu den ersten deutschen Soldaten in Afghanistan. &bdquo;Wir haben in Kabul und Kundus Aufbauarbeit geleistet", sagt er. Gesprungen ist seine Einheit dort nicht. Zweimal muss er später noch an den Hindukusch. Er kannte Kameraden, die dort durch Beschuss oder Selbstmordanschläge ihr Leben verloren. Der Fallschirmsport begleitet ihn auch im zivilen Leben. Jahrelang schwebt Salmen auf dem heute geschlossenen Sprungplatz in Bad Lippspringe zur Erde. Heute lebt er in Stuhr bei Bremen. Das Cypres-Demo-Team gibt es seit zehn Jahren. Die Gruppe übernimmt reichlich spezielle Aufträge. Mal schweben die Springer mit Bierfass zur Brauhauseröffnung an den Strand von Eckernförde, ein anderes Mal liefern sie einen Mann per Tandemsprung passend zum Heiratsantrag ab. Wichtig für Salmen bei jedem seiner rund 3.000 Sprünge: immer gut vorbereitet sein. Notfälle in der Luft habe er nie gehabt. So soll es auch am 2. Oktober beim Weltrekordversuch sein. Schließlich schauen dann auch die Familie und seine 92-jährige Mutter zu.

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