Wie steinreiche Orte im Bürener Land zum Kalk kamen

Kreis Paderborn. Im Garten kommt er heute noch manchmal zum Einsatz, wenn der Boden zu sauer ist: Kalk. Für die Landwirtschaft der Region und für den Bau von Häusern war er schon vor Jahrhunderten eine wichtige Zutat. Der Geschichte der Kalköfen ist daher der Upsprunger Ortsheimatpfleger Norbert Schulte in den letzten Monaten auf den Grund gegangen. "Ich möchte für die jetzige Generation und alle, die nach uns kommen, diesen Teil der Heimatgeschichte erhalten", sagt Schulte zur NW. Nachdem er sich zuvor mit den Ziegeleien im Raum Salzkotten befasst hatte, nahm er sich - ganz naheliegend - nun die Kalköfen im Altkreis Büren vor. Dabei stieg er tief in Archivdokumente ein. Kleine Kalköfen produzierten laut Schulte in vielen Gemeinden des Altkreises aus Kalksteinen Kalk zum Düngen und zum Bauen. Ihr Ende kam etwa in den 1920er Jahren - und in der Bevölkerung seien sie heute "kaum noch bekannt". In einem Kalkofen wird der graue gewachsene Stein (Calciumcarbonat) als so genannter "kohlensaurer Kalk" bei 1.000 Grad Celsius unter Freisetzung von Kohlendioxid (CO2) in weißes Calciumoxid, also Branntkalk, umgewandelt. Erst als große Brände viele Dörfer in Schutt und Asche legten, sei in der Region auf Fachwerk und Lehm verzichtet worden. Hauswände wurden fortan aus Natur- oder Ziegelsteinen gemauert. Dafür war der Kalk vonnöten. Mit Sand vermischt, entsteht Mörtel, der gut vermauert werden kann. Er diente über Jahrhunderte als Bindemittel. Wird noch mehr Wasser zugesetzt, entsteht Kalkmilch, die zum Weißeln, Tünchen oder für die Desinfektion von Ställen gute Dienste tat. Erste Öfen sind bis zu sechs Meter hoch Es sprach sich zudem herum, dass der Ackerboden verbessert werden kann, wenn gebrannter Kalk gestreut wird. Viele Böden waren durch jahrhundertelangen Entzug von wichtigen Nährstoffen ausgemergelt. Als erste Methode zur Kalkerzeugung etablierte sich laut Schulte im Altkreis im 18. Jahrhundert der einfache Feldbrand. Meiler wurden für die einmalige Nutzung aus aufgelesenen Steinen, gemischt mit Holz oder Holzkohle, aufgeschichtet und abgedeckt. Sie seien rund vier bis sechs Meter hoch gewesen und hatten einen Durchmesser von zwei bis drei Metern. In vielen &bdquo;steinreichen" Orten des Bürener Landes und des Haarstrangs habe um 1850 der Boom des Kalkofenbaues eingesetzt. Fast immer hätten die Bauern investiert, um Düngekalk zu gewinnen und einen Nebenverdienst beim Verkauf zu erzielen. Überwiegend platzierten sie die Öfen auf freiem Feld auf der eigenen Parzelle, gerne an der Hangkante eines begonnenen Steinbruchs. So war es möglich, Öfen von oben bequem mit Kalksteinen und Brennmaterial zu beschicken, unten den Kalk abzuziehen und dann in der Kalkmühle zu mahlen. Aus den Akten von Landesarchiv und Kreisarchiv ergeben sich nach Schultes Angaben von 1850 bis 1886 exakt 44 beantragte Kalköfen. Belegt sind sie in Upsprunge, Salzkotten, Wewelsburg, Ahden, Brenken, Steinhausen, Büren, Gut Holthausen, Hegensdorf, Leiberg, Siddinghausen, Wünnenberg, Bleiwäsche, Niederntudorf, Haaren, Fürstenberg, Husen, Atteln, Lichtenau, Dalheim/Blankenrode, Herbram, Hakenberg, Asseln, Holtheim, Grundsteinheim, Ebbinghausen, Essentho, Meerhof und Westheim. Als die Steinkohle kam Ab 1880, als es nur noch 13 reine bäuerliche Kalköfen gab, setzten sich kontinuierlich brennende Öfen mit laufender Beschickung durch, die aber höhere Investitionskosten erforderten. Der Brennvorgang bei den älteren, periodischen Öfen dauerte mit Vorheizen und Abkühlung vier bis fünf Tage und Nächte. Die neuen Öfen waren sieben Tage im Betrieb, außer im Winter, und sonntags mit gedrosseltem Feuer. Als Brennmaterial diente meist Buchenholz, ehe ab 1850 dank der Eisenbahn mehr und mehr Steinkohle zu beschaffen war. Die Steinkühler tranken gegen den Staub zwischendurch dann gerne einen &bdquo;Selbstgebrannten", den sie aus einem Schnapsfass zapfen konnten. Schulte fand heraus, dass bis Mitte des 20. Jahrhunderts auch Ziegeleien als Nebenprodukt des Heizens Kalk produzierten. Aus Bauanträgen sind sogar die vorgesehenen Mengen bekannt. Beispiel: Die Ziegelei Ferlings in Scharmede brannte 1896 auch 300 Scheffel Kalk (je 37 Liter). Die Ziegelei Striepen an der Gemarkungsgrenze Ahden/Upsprunge lieferte für den Bau der Upsprunger Kirche 1895/96 den Löschkalk. Im südlichen Teil des Altkreises war es ähnlich, zumal man auf dem Rohprodukt lebte. Einige Kalköfen entwickelten sich zu industriellen Kalk- und später zu Zementwerken, wie auch in Geseke, Erwitte und Paderborn. In Büren kam der Kalk- und Zementverarbeitung nach dem Bau der Eisenbahnlinien ab 1899 eine große Bedeutung zu. Erst 1975 schloss mit Ewers das letzte Werk, da große Öfen billiger produzieren konnten. Nach der Stilllegung verfielen die bäuerlichen Kalköfen, sie wurden nach Jahrzehnten abgebrochen, weiß Schulte, und sind aus den Ortsbildern verschwunden. Upsprunges Ortsheimatpfleger wünscht sich, dass die wenigen noch vorhandenen Kalköfen und Ruinen wie in Steinhausen, Salzkotten, Haaren und Ebbinghausen erhalten werden können, damit dieses Kapitel der Heimatgeschichte zumindest in Teilen sichtbar bleibt. Schultes kompletter Aufsatz über die Geschichte der Kalköfen ist nachzulesen auf www.upsprunge.de.

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