Der Zementrausch erreichte Büren

Büren. Steinerne Zeugen der Bürener Zementgeschichte gibt es noch zuhauf. Vor allem die Steinbrüche am Ruhnenpöstchen und am Buraniaweg. An der Neubrückenstraße einen noch erhaltenen Schornstein (später Spahn-Gelände, heute Tischlerei Hüser), einen Kohlenspeicher beim Ex-Kornhaus (jetzt Bootswerft Welling) und die alte Villa. Weiter hinten in der Bürener Mucht, wo einst Schienenstränge nach Paderborn und nach Geseke führten, eine weitere Villa und Reste von Kalköfen. Um diese Wirtschaftsgeschichte der Stadt Büren nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, referierte auf Einladung des Heimatvereins Franz-Josef Binn (83) auch vor einigen Zeitzeugen. Der seit 1990 in Steinhausen wohnende Honorarprofessor (Fachhochschule Lemgo), Technik-Experte, leitete als Direktor lange Jahre das Mielke-Zementwerk (später von Dyckerhoff übernommen) im benachbarten Geseke. Binn konstatierte für die Jahre 1900-35 "einen regelrechten Zementrausch" in Büren. Im Stadtarchiv fand er Genehmigungen für insgesamt sechs Werke. Schon 1892 bestand am Ruhnenpöstchen das Kalkwerk einer Witwe Evers, das nach drei Jahren zu einem Cement-Werk erweitert wurde, so Binn. Endgültig geschlossen wurde dieses Evers?sche Unternehmen erst mit der Zahlungsunfähigkeit 1975. Der Schlot wurde 1977 gesprengt. Noch bis in die späten 1950er Jahre bestand eine Seilbahn-Verbindung zu dem Werk am anderen großen Steinbruch in der Stadt. 1899 ließ am Kapellenberg unterhalb der Bahntrasse der Kaufmann Emil Deneke das Bürener Portland Cement-Werk (48.000 Tonnen/Tag) errichten. Es firmierte 1920 neu als Wicking?sche Portland Cement- und Wasserkalk-Werke - "möglicherweise durch einen Besitzerwechsel", so Binn. Später hieß es Gloria. Schräg gegenüber oberhalb der Bahntrasse errichteten vielleicht 1907 die Brüder Philipp und Franz Evers das Cementwerk Burania. Mit einem Neubau nach dem Zweiten Weltkrieg lief das Werk noch bis in die 1960er Jahre. Auf dem Gelände des heutigen Unternehmens Kleeschulte wurde 1912 das Portland-Cementwerk Deutschland errichtet - genehmigt mit vier Schachtöfen. "Es hat vielleicht nur wenige Monate prodziert", mutmaßte Binn. Etwas weiter an der Bahntrasse nach Geseke entstand 1913 das Portland-Cementwerk Imperator mit zwei Drehöfen. "Wo der Steinbruch lag, ist mir nicht bekannt", so Binn. Das Werk habe sieben Jahre bestanden. Das sechste Werk (beantragt 60 Tonnen Klinker/Tag) wurde noch ein wenig weiter Richtung Geseke nach Aktenlage 1927 von Paul Stockmann gebaut - es war nie oder nur bis 1930 in Betrieb. Warum die Bürener Werke oft nur für kurze Zeit bestanden beantwortete der Bürener Unternehmer-Senior Heinz Kottmann (BHK), "wir sind für Dr. Evers gefahren", so: "Der Standort Büren war nicht durchzustehen." Die Qualität des Kalkmaterials hätte wahrscheinlich nicht mit dem in Beckum/Erwitte mithalten können. Und die Transportwege Richtung Ruhrgebiet waren zudem länger. Getreide-Unternehmer Hellmut Kleeschulte konnte beitragen, dass sein Vater die Gebäude des früheren Deutschland-Werkes 1951 von den Vereinigten Elektizität-Werken (VEW) gekauft und 1951 zu einem Getreidelager umgebaut hatte - mit dem Grundbuch-Eintrag keinen Zement verkaufen zu dürfen. Er selbst erwarb das Burania-Erbe, betrieb dort in den 1970er Jahren ohne Erfolg kurzzeitig eine Emscher-Kohleschlamm-Aufbereitung. Sohn Bernd Kleeschulte kaufte vor rund 15 Jahren Gebäude des Imperator-Werkes für die Herstellung von Rapsöl. Der Steinhäuser Heinz Kottmann und Altbürgermeister Friedhelm Kaup berichteten gegenüber der Neuen Westfälischen von einem siebten Cementwerk mit dem Namen Delta in ihrem Heimatdorf. Es soll im Bereich der früheren Möbelfabrik Farke in den 1930er Jahren gleichfalls nur wenige Jahre gearbeitet haben. Kreisarchivar Wilhelm Grabe wies darauf, dass in Akten der Gewerbeaufsicht sicherlich Betriebszeiten und Mitarbeiterzahlen der Werke zu finden wären.

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