Taximord von Hövelhof: Erschreckende Nachricht erreicht Söhne in der Schule

Herr Funke, Ihr Vater wurde 1994 brutal in seinem Taxi erstochen, sie waren damals 14 Jahre alt. Welche Erinnerungen haben Sie an ihn? Christian Funke: Ich habe nur gute Erinnerungen. Zwar ging die Familie auseinander, als ich 18 Monate alt war. Aber während mein Bruder und ich bei Pflegeeltern aufwuchsen, haben wir uns jeden zweiten Samstag mit unserem Vater getroffen und uns immer auf die gemeinsame Zeit gefreut. Haben Sie nah beieinander gewohnt? Er lebte fast die gesamte Zeit in Niederntudorf, erst im letzten halben Jahr dann in Etteln. Wir wohnten bei den Pflegeeltern in Oberntudorf. Der Samstag war für uns als Papa-Tag gesetzt. Manchmal hat er uns auch noch 20 Pfennig gegeben, damit wir ihn außer der Reihe aus der Telefonzelle anrufen konnten. So hat er uns mal zwischendurch abgeholt. Wir waren dann immer sehr glücklich. Was haben Sie gemeinsam unternommen? Mein Vater konnte mit seinem Gehalt als Taxifahrer keine ganz großen Sprünge machen. Aber wir sind fast immer zum Eisessen an die Wewelsburg gefahren. Und wir haben viel Zeit im Wald und in der Natur verbracht. Die Zeit zu dritt haben wir sehr genossen. Der Samstag blieb unser Tag, auch als wir älter wurden. Immer öfter sind wir dann zwischendurch auch selbstständig zu unserem Vater gegangen. Lesen Sie auch: Cold Case: Wie der Hövelhofer Taximörder nach 30 Jahren überführt werden soll Dann kam der 15. April 1994. Kurz nach Mitternacht ist Ihr Vater in Hövelhof getötet worden. Haben Sie konkrete Erinnerungen daran, wie Sie die Nachricht überbracht bekommen haben? Ich weiß noch, dass es ein Freitag war. Ich saß in meinem Klassenraum der Hauptschule in Niederntudorf. Auf einmal kamen der Direktor und der Pastor rein. Mein Bruder und ich gingen mit ihnen ins Sekretariat. Dort wurde uns klipp und klar gesagt, was passiert ist. Erinnern Sie sich an die Worte, die gefallen sind? Euer Vater wurde ermordet. Sind die Gefühle noch präsent, wenn Sie sich diese Szenen in Erinnerung rufen? Ja, die sind noch da. Daran kann man kaputtgehen. Denken Sie oft an diese Momente oder verdrängen Sie sie? Ja, es kommt oft hoch. Vielleicht könnte man es verdrängen, aber das will ich nicht, weil ich meinen Vater nicht vergessen will. Was ist passiert, als Sie das Schulsekretariat verlassen haben? Während uns die Nachricht überbracht wurde, hat man wohl auch unsere besten Kumpels informiert. Als wir dann aus dem Sekretariat kamen, standen sie alle da und haben uns die Hand gereicht. Das weiß ich noch. Wie wir dann nach Hause gekommen sind, habe ich nicht mehr im Kopf. In unserem Zimmer sind mein Bruder und ich dann zusammengesackt. Wie detailliert haben Sie die Berichte über die Tat damals wahrgenommen? Uns wurde aus Schutzgründen vieles verwehrt, etwa Zeitungsausschnitte. Erst viele Jahre danach habe ich angefangen, Berichte zu sammeln. Wenn man sieht, wie brutal das war, kann ich gut verstehen, dass man es uns nicht gezeigt hat. .responsive23-GsZGLbf0uDNQbBaF-map-0917-pbhoe-coldcase-taxi { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-GsZGLbf0uDNQbBaF-map-0917-pbhoe-coldcase-taxi { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-GsZGLbf0uDNQbBaF-map-0917-pbhoe-coldcase-taxi { padding-top: 142.86%; } } Wer hat sie danach aufgefangen? Zu unseren Pflegeeltern war die Beziehung gut, aber sie waren streng. Beide waren ältere Semester. Sie hatten noch sieben weitere Kinder, mit ihnen sind wir aufgewachsen. Sie haben uns miterzogen. Das heißt, Sie haben die Trauer oft mit sich selbst ausmachen müssen? Ja, das war so. Zum Glück war mein Bruder immer da. Wir sind froh, dass wir uns haben. Haben Sie als Jugendlicher den Tatort in Hövelhof besucht? Nein, ich bin das erste Mal vor zehn Jahren dort gewesen. Da war ich schon über 30. Welche Bilder haben Sie im Kopf, wenn Sie an diese Tage im April 1994 zurückdenken? Vielleicht die Beerdigung? Nein, daran denke ich fast gar nicht. Es ist mehr die Tat an sich. Der Ablauf. Ich habe Bilder vor Augen. Wenn ich an meinen Vater denke, versuche ich aber vor allem, mir die schönen Dinge in Erinnerung zu rufen. Wie oft denken Sie an ihn? Täglich. Wie haben Sie später mehr über die Tat erfahren? Bestimmte Zeitungsartikel durften wir nach und nach lesen, andere nicht. Wir waren aber neugierig und wollten wissen, was passiert ist. Auch wenn Kumpels vielleicht aus ihren Familien damals mehr wussten - uns haben sie es aus Rücksicht nicht erzählt. Wir hatten einen guten Zusammenhalt im Freundeskreis. Als ihr Vater nicht mehr da war, gab es auch die gemeinsamen Samstage nicht mehr. Wie haben Sie diese Lücke gefüllt? Darüber habe ich schon oft nachgedacht. Ich weiß es aber nicht mehr. Wie kam es dazu, dass Sie dann vor zehn Jahren erstmals zum Tatort gefahren sind? Ich wollte es irgendwann einfach sehen. Wir sind ein wenig umhergefahren, weil wir nicht genau wussten, wohin wir müssen. Und dann habe ich im Vorbeifahren das Gedenkkreuz für meinen Vater an der Klausheider Straße gesehen. Ich wusste vorher nicht, dass es dort steht. Wollten Sie danach noch mehr wissen? Ja, ich bin dann auch in Archive und zur Polizei nach Schloß Neuhaus gefahren, um mehr zu erfahren. Und weil ich den Fall wieder ins Rollen bringen wollte. Ich konnte bei der Polizei Fragen stellen und mir wurden Details berichtet. Passiert ist danach in den Ermittlungen aber nichts. Für mich kam das Thema dann wieder mehr zur Ruhe. Wie ist es heute für Sie, wenn Sie am Tatort oder am Gedenkkreuz in Hövelhof sind? Das Kreuz ist für mich wie ein zweiter Friedhof. Da komme ich meinem Vater am nächsten. Ich habe kein Auto, versuche aber, mindestens ein- bis zweimal im Jahr hinzufahren. Seit einigen Wochen ist nun bekannt, dass die Ermittlergruppe &bdquo;Cold Case“ der Bielefelder Polizei den Fall Ihres Vaters wieder aufrollt. Wie haben Sie davon erfahren? Das kam für mich aus heiterem Himmel. Ich bin angerufen worden, bevor die Öffentlichkeit informiert wurde. Sie haben mir von den Ermittlungen erzählt und mich darauf vorbereitet, dass über meinen Vater wieder Berichte in den Medien erscheinen werden. Was bedeutet es Ihnen, dass es neue Ermittlungen gibt? Das ist mir sehr wichtig. Ich selbst versuche, durch öffentliche Äußerungen wie dieses Interview meinen kleinen Teil beizutragen, dass der Täter eventuell gefasst wird. Haben Sie Hoffnung? Ja, auf jeden Fall. Die schwindet aber immer, wenn ich vier Wochen lang nichts höre oder lese. Ich hoffe dennoch darauf, dass die modernen DNA-Analysen einen Treffer ergeben. Mir ist zugesagt worden, dass ich benachrichtigt werde, wenn die Polizei etwas erfährt. Wenn nichts kommt, muss ich es auch hinnehmen. Welches Ziel verfolgen Sie persönlich? Ich möchte, dass der Täter zur Rechenschaft gezogen wird. Ich selbst werde keinen Abschluss finden. Es bleibt dabei, dass meinem Vater das Leben und uns der Vater genommen wurde. So etwas sollte kein Mensch erfahren. Stellen Sie sich den Täter manchmal vor? Nein, ich habe kein Bild vor Augen. Ich arbeite aber im Handel und manchmal habe ich Angst, dass einer der Kunden, die ich so nett bediene, der Täter ist. Lesen Sie auch: Hoffnung auf DNA-Spuren: Hövelhofer Taximord von 1994 wird neu aufgerollt Wie haben Sie es nun schon 30 Jahre lang geschafft, mit der schrecklichen Erfahrung zu leben? Bis 2015 habe ich das nur mit mir selbst ausgetragen. Danach habe ich auch eine psychische Begleitung in Anspruch genommen. Heute sind Sie selbst Papa. Sie sind 44 und damit ein Jahr älter als ihr Vater wurde, Ihr Sohn ist zehn. Wie oft kommt Ihnen Ihr eigener Vater in den Sinn, wenn Sie Zeit mit Ihrem Sohn verbringen? Zu oft. Denn es ist meine größte Angst, dass meinem Sohn das gleiche wie mir passiert. Heutzutage geschieht in der Welt leider soviel. Ich bin sehr vorsichtig geworden, manchmal auch übervorsichtig. Aber ich kann nicht aus meiner Haut. Ich will einfach nicht, dass auch er ohne Papa aufwachsen muss.

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