Bad Oeynhausen. Mit dem Rad fuhr Irmgard Hübner, geborene Sielemann, immer zur Arbeit. Von der Rehmer Rosenstraße bis zu Grassel. Auf dem Weg fand sie im Zweiten Weltkrieg auch eines der berühmten Flugblätter der Engländer – dessen Existenz nie bewiesen wurde.
„Bielefeld und Minden werden wir schon finden. Bad Oeynhausen werden wir schonen. Da wollen wir selber wohnen.“ So zumindest steht es in den Überlieferungen. Ein Gerücht, dass sich mit den Angaben damaliger britischer Offiziere deckt. Und mit der Erinnerungen von Irmgard Hübner. Die heute 90-Jährige erinnert sich noch genau, dass eines Tages ein solches Flugblatt vor ihren Füßen lag. Aufgehoben hat es Irmgard Hübner nicht. „Ich war ein 20-jähriges Mädchen und hatte viel zu viel Angst“, sagt sie. Aber einen Blick hat Hübner riskiert. Und sich den Spruch eingeprägt.
Den Bombenangriff auf Rehme („Ich war gerade bei der Wäsche im Keller. Plötzlich gab es einen Knall und schon war draußen alles Schwarz.“) und die Bomben auf die Weserhütte erlebte Irmgard Hübner aus nächster Nähe mit. „Meine Mutter ist aufgrund des Karfreitags nicht zur Arbeit im Speisesaal gegangen“, erinnert sich Hübner. Dort habe sie geputzt. Und dort schlug auch eine der vielen Bomben ein.
Anfang April dann der Einmarsch der Amerikaner. „Sie haben auf dem Zubringer Rast gemacht und durften offenbar nicht in die Häuser.“ Abends im Dunkeln seien die amerikanischen Soldaten dann aber doch gekommen. „Die suchten Schnaps“, erinnert sich Hübner. Und den musste der Opa zuerst probieren. Als Sicherheit, dass er nicht vergiftet ist. „Später lagen die Flaschen dann an der Böschung des Zubringers.“ Denn statt Schnaps hatten die Amerikaner Himbeersaft erwischt. „Und der war richtig süß.“ Interesse am Haus der Familie Sielemann, in der Nähe der Rehmer Kirche, hatten die Soldaten nicht. „Wir hatten kein Leistungswasser – nur eine Pumpe.“
Später dann, als die Engländer die Kurstadt besetzt hatten, wurde Irmgard Hübner für den Putzdienst bei den Alliierten eingesetzt. „Treffpunkt war bei Krutemeier, die Villa zwischen Ford Meyer und Lingemann. Wir wurden auf einen Lkw geladen, in den Kurpark gebracht und eingeteilt“, erzählt die 90-Jährige. Geputzt habe sie in erster Linie in den beschlagnahmten Häusern. Kurze Zeit später dann wechselte die junge Irmgard zum Spüldienst in der Offiziersmesse an der Moltkestraße. „Dort gab’s gutes Essen – bis auf den Porridge. Den mochte ich nicht“, erinnert sie sich und verzieht ein bisschen das Gesicht.
Ein Erlebnis aber ist Irmgard Hübner besonders in Erinnerung geblieben: „In Porta gab’s Zucker“, erzählt sie. „Da haben wir uns von Diekmanns Karl per Fähre über die Weser setzen lassen.“ Doch als Irmgard und ihre Schwester zurück wollten, war die Fähre zerstört. Durch die Engländer. Wie jetzt nach Hause kommen? Schließlich war ja auch die Weserbrücke kaputt geschossen. „In der Höhe von Gut Deesberg hat uns dann jemand geholfen.“ Und die beiden Frauen kamen doch noch mit dem Zucker Zuhause an.
Geisterstadt: Während der Besatzungszeit waren an der Herforder Straße viele Geschäfte mit Brettern vernagelt. Foto: Stadtarchiv