Bad Oeynhausen/Minden. Die Ziellinie schien in Sichtweite. Eben hatte Richter Rolf-Lutz Weidemann einen Vergleich ausgehandelt, wonach der Bad Oeynhausener Jochen Theilemann 645.000 Euro vom Landesbetrieb Straßen NRW bekommt, damit die Nordumgehung in Eidinghausen weiter gebaut werden kann. Da zogen die Behörde einerseits und der Unternehmer anderseits die Notbremse. Widerruft auch nur eine Seite den Vergleich, dann sind sämtliche Zeitpläne zur Fertigstellung der Nordumgehung Makulatur.
"Wir können hier richtig punkten", mahnte Weidemann, der zwischenzeitlich sämtliche Varianten einer Einigung davonschwimmen sah. Über drei Stunden dauerte die Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Minden, wo es im Saal 207 um die Klage des Gastro-Ausstatters und Inneneinrichters Jochen Theilemann gegen den Landesbetrieb Straßen NRW ging.
Theilemann besitzt in Eidinghausen ein Grundstück samt Lagerhalle, das in die Trasse der Nordumgehung ragt (die NW berichtete). Für Grundstück und Halle, eine betriebliche Zwischenlösung sowie für Verfahrenskosten wollte Theilemann entschädigt werden. Das lehnte der durch Jurist Herbert Göbbeln und Regierungsdirektor Friedrich Grote vertretene Landesbetrieb (Gelsenkirchen) bislang konsequent ab.
Und das, trotz Vermittlung durch Hans-Jochen Baier von der Detmolder Bezirkregierung, die für Enteignungen und Entschädigungen zuständig ist und der bereits im Februar auf eine Summe gekommen war, die exakt dem gestrigen Vergleich entsprach. Was Hans-Jochen Baier vorsichtig umschrieb: "Da hat sich etwas verhakelt."
Immer wieder suchte Richter Weidemann einen Kompromiss. Immer wieder verlangten Grote und Göbbel zusätzliche Erklärungen, bemängelten fehlende Gutachten und monierten Schätzungen. Immer wieder verwies Theilemanns Rechtsanwalt Dr. Christoph Jahn darauf, dass sich diese verlangten Unterlagen längst in den Akten befänden. Bis der Geduldsfaden des Vorsitzenden Richters riss: "So gehen wir in der Modellregion Ostwestfalen nicht miteinander um. Vor allem nicht mit Gewerbetreibenden." Um dann in Richtung Straßen NRW die Frage zustellen. "Was erwarten Sie eigentlich?"
In Friedrich Grote arbeitete es: In einer ersten Marge habe sein Amt Jochen Theilemann zwei Millionen Euro zukommen lassen, das müsse reichen. Punkt. Unruhe im Saal. Einigung ade? "Ein merkwürdiges Verständnis einer Fachabteilung", kommentierte Hans-Jochen Baier. Und: "Das verschlägt mir etwas die Sprache." Weidemann zu Grote und Göbbeln: "Sie sind hier nicht als Privatpersonen. Sie geben Steuergelder aus."
Nach zehnminütiger Bedenkpause dann der Vergleichsvorschlag über 645.000 Euro. Der Landesbetrieb willigte ein. "Vorausgesetzt, das Bundesverkehrsministerium stimmt zu." Theilemann ist auch dabei: "Wenn ich keinen Mehrwertsteuer dafür bezahlen muss." Ein Vergleich unter Vorbehalt.
Der Widerruf kann bis zum 28. Juni eingereicht werden. Geschieht das nicht, fällt die Lagerhalle am 1. September. Kommt doch das "Nein" von einer der beiden Seiten, "dann sehen wir uns hier zum nächsten Termin. Das kann bis zu einem halben Jahr dauern", warnte Rolf-Lutz Weidemann. Zu lange für die Nordumgehung.