Immer mehr Wölfe im Mühlenkreis: Was Weidetierhalter jetzt wissen sollten

Lübbecker Land. Bereits seit dem vergangenen Herbst wird die Wolfsdebatte im Lübbecker Land zunehmend hitzig. In den vergangenen Wochen erlangte sie durch mehrere, teils noch unbestätigte, Wolfssichtungen, Nutztierrisse sowie einen bei einer Fahrzeugkollision in Bünde getöteten Wolf einen neuen Höhepunkt. Klar scheint zu sein, dass der Wolf sich nicht nur in Nordrhein-Westfalen wohler fühlt als erwartet, sondern auch im Kreis Minden-Lübbecke. Aufgrund der dichten Besiedelung sei man ursprünglich nicht davon ausgegangen, dass Wölfe sich hier ansiedeln würden. Trotzdem, so erklärt Luchs- und Wolfsberaterin Elisa Finster, ist das Lübbecker Land noch kein Wolfsgebiet. Zur Förderkulisse wurde es im September des letzten Jahres zwar erklärt, sodass Weidetierhalter gegebenenfalls Anspruch auf die Finanzierung von Herdenschutzmaßnahmen und Entschädigungszahlungen haben sowie Beratungen in Anspruch nehmen können, für die Einstufung als Wolfsgebiet fehle allerdings der Nachweis eines territorialen Tieres. Um den Jahreswechsel sei es kurz davor gewesen. Ein letzter Nachweis eines weiblichen Tieres aus dem Rudel Ringelah habe noch gefehlt, um es als territorial einzustufen. Über einen Zeitraum von sechs Monaten müsse ein einzelnes Tier wiederholt innerhalb eines abgrenzbaren Territoriums nachgewiesen werden, um dieses zum Wolfsgebiet zu erklären und das Tier als territorial zu betrachten, so die Luchs- und Wolfsberaterin. Aktivität der Wölfe in der Region hat zugenommen Den im Rahmen des Wolfsmonitoring erhobenen Daten habe sie entnommen, dass die Aktivität durch Wölfe im Kreisgebiet zugenommen habe, seitdem das benachbarte "Rehdener Rudel" im Monitoringjahr 2022/2023 nicht mehr nachgewiesen wurde. Inwieweit diese Entwicklungen miteinander in Zusammenhang stehen, könne sie jedoch nur vermuten. Denkbar sei etwa, dass die mehrfach nachgewiesene Fähe "GW3101f" aus dem Rudel Ringelah das freigewordene Territorium besetzen möchte und sich deshalb erst einmal in seiner Nähe aufhält. "Einfach in ein fremdes Territorium einzudringen, kann für einen Wolf tödlich enden", erklärt die Biologin der Unteren Naturschutzbehörde. Da sich in den vergangenen Wochen und Monaten jedoch wiederholt Wölfe im Lübbecker Land aufgehalten haben und davon auszugehen ist, dass auch zukünftig Tiere im Kreis Minden-Lübbecke unterwegs sein werden, raten die Luchs- und Wolfsberater Weidetierhaltern dringend dazu, präventive Maßnahmen zu ergreifen. Präventive Maßnahmen sind das Mittel der Wahl Wolfssichere Zäune seien eine effektive Maßnahme. Und zwar nicht nur, um einen Übergriff auf die eigenen Tiere zu verhindern, sondern auch, um das Verhalten der Wölfe durch einen Lerneffekt dauerhaft zu beeinflussen. Bei den Tieren, die aktuell unterwegs sind, handele es sich zumeist um junge Wölfe, die ihr ursprüngliches Rudel auf der Suche nach einem eigenen Territorium verlassen haben. Wenn die ersten Erfahrungen mit Zäunen unangenehmer Art seien, etwa weil diese unter ausreichend starkem Strom stünden und von ihnen nicht ohne Kontakt mit dem Zaun überwunden werden könnten, sei es deutlich unwahrscheinlicher, dass ein Wolf Weidetiere zukünftig für lohnenswerte und einfache Beute hielte. Zwar gebe es keine absolute Garantie, man wisse jedoch aus den erhobenen genetischen Daten, dass Tiere, die häufig Übergriffe auf Weidetiere verüben, aus Rudeln stammen, in denen sie in jungem Alter gelernt haben, Jagd auf ebendiese zu machen. Man könne also davon ausgehen, dass wolfssichere Zäune das Verhalten der sich stark bewegenden Wolfspopulation dauerhaft beeinflussen könnten. "Zukünftig sollte es beim Zaunbau in erster Linie darum gehen, dass nichts mehr auf die Wiese drauf kommt, statt nichts mehr von ihr herunter", erklärt Elisa Finster. Die Herdenschutzberatung der Landwirtschaftskammer dafür in Anspruch zu nehmen, sei in jedem Fall ratsam. Entgegen vieler Meldungen, seien gerissene Weidetiere in den meisten Fällen nicht ausreichend geschützt gewesen. Durch die Präsenz der tragischen Fälle, in denen Weidetiere durch Wölfe getötet wurden, entstünde außerdem schnell ein verzerrtes Bild. Die Auswertung von Wolfslosungen in Nordrhein-Westfalen zeige, dass Weidetiere einen Anteil von unter zwei Prozent der Nahrung von Wölfen ausmachen. Was tun bei einer Wolfsbegegnung? Entgegen der in sozialen Netzwerken vielfach geäußerten Schlussfolgerung, die Sichtung von Wölfen sei ein Hinweis darauf, dass diese die Scheu vor dem Menschen abgelegt haben, handele es sich bei den in letzter Zeit gesichteten Wölfen um unerfahrene Jungtiere. "Es gab in Deutschland nicht einen einzigen Vorfall aggressiver Annäherung durch Wölfe an den Menschen", stellen die Luchs- und Wolfsberater klar. Ganz wichtig sei, Wölfe unter keinen Umständen zu füttern. Bei den Wölfen, die in Niedersachsen aufgrund mangelnder Scheu vor dem Menschen geschossen werden mussten, gehe man davon aus, dass sie zuvor durch Menschen angefüttert wurden. Eine Begegnung mit einem Wolf sei nach wie vor sehr unwahrscheinlich, sollte es aber dazu kommen, gilt: "Genauso verhalten, wie wenn man ungewollt auf ein Wildschwein trifft", sagt Elisa Finster. Das bedeutet, man könne den kurzen Moment der Begegnung ruhig abwarten, da sich der Wolf in der Regel zügig zurückziehen werde. Auch bei einer solchen Begegnung ist davon auszugehen, dass es sich um ein neugieriges und unerfahrenes Jungtier handelt. Schon im Alter von zehn bis zwölf Monaten seien diese von ihren Elterntieren optisch kaum noch zu unterscheiden. Auf keinen Fall sollte man sich dem Wolf nähern oder weglaufen. Mit Blick in Richtung Wolf könne man durch langsamen Rückzug aber den Abstand zu ihm vergrößern. Sollte sich der Wolf entgegen aller Wahrscheinlichkeit nicht von sich aus zurückziehen, könne man durch Rufen oder lautes Klatschen nachhelfen. Hunde sollte man anleinen und nah bei sich behalten. Wenn möglich, sei es ratsam, den Wolf auf Fotos oder Videos festzuhalten und das Material dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz zur Auswertung zur Verfügung zu stellen.

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