Kliniken, Krisen, Kassenlage und Corona: SPD-Bundesvize aus Rahden äußert sich

Rahden. Im September 2025 soll in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt werden. Anfang November dieses Jahres stehen die Präsidentschaftswahlen in den USA an, bei denen es nach Überzeugung von Fachleuten auch um das Überleben der Demokratie geht. Im kommenden September stehen bereits Landtagswahlen im Osten an. Die Ampel steht dabei in der Wählergunst nicht vorn. Über die aktuelle politische Lage im In- und Ausland spricht im Interview der aus Rahden stammende und in Espelkamp aufgewachsene stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Achim Post. Er äußert sich aber auch zu seinen Hoffnungen für den TuS N Lübbecke und für Borussia Dortmund. Herr Post, wer führt die SPD als Kanzlerkandidat in die nächste Bundestagswahl? ACHIM POST: Olaf Scholz. Laut einer Forsa-Umfrage möchte nur noch ein Drittel der SPD-Mitglieder Olaf Scholz als Kanzlerkandidat. Ein Drittel der Mitglieder möchte Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten, oder? Boris Pistorius hat sehr klar erklärt, dass er gern Verteidigungsminister ist. Und er ist ein sehr guter Verteidigungsminister. Olaf Scholz hat nun angekündigt, dass er die SPD bei der nächsten Bundestagswahl anführen will. Dabei ist klar: Wenn man bei der Bundestagswahl Erfolg haben will, muss man nicht nur ordentlich regieren und einen ordentlichen Haushalt aufstellen, sondern den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland besser erklären, was man macht und was man vorhat. Boris Pistorius ist derzeit der beliebteste Politiker. Warum setzt die SPD nicht auf ihn? Die SPD setzt auf Boris Pistorius, aber als Verteidigungsminister, weil er erklärt hat, dass er das gern weiterführen möchte. Und er hat eine der zurzeit wichtigsten Aufgaben in Deutschland. Ich persönlich kann sagen, dass ich mit Olaf Scholz und mit Boris Pistorius sehr gern und sehr gut zusammenarbeite. Kanzler Olaf Scholz hatte im Februar 2022 nach dem russischen Überfall auf die Ukraine von einer Zeitenwende gesprochen. Verteidigungsminister Boris Pistorius beklagt trotzdem die im Verteidigungsetat bereitgestellte Summe. Ist das nachvollziehbar? Es ist ein ganz schwieriger Haushalt. Und bei diesem Haushalt hat keine Ministerin und kein Minister das bekommen, was sie wollten. Aber Boris Pistorius ist trotzdem in einer Situation wie vor ihm noch kein Verteidigungsminister in der bundesdeutschen Geschichte. Er hat zusätzlich zu dem Geld aus dem Bundeshaushalt noch das Geld aus dem Sondervermögen. Unterm Strich bedeutet das für das Jahr 2025, dass wir für den Bereich Verteidigung rund 75 Milliarden Euro ausgeben. Das ist sehr viel Geld. Aber ich finde es gut, dass Boris Pistorius für seinen Haushalt kämpft. Das erwarte ich von einem Minister. Am Schluss brauchen wir eine gute Balance zwischen sozialer Sicherheit sowie innerer und äußerer Sicherheit. Russland hat die Ukraine angegriffen und setzt auf eine aggressive Außenpolitik. Russland hat in Kaliningrad, dem früheren Königsberg, Raketen stationiert, die Berlin und Paris erreichen können. Trotzdem bezeichnet Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag, die mögliche Stationierung amerikanischer Raketen in Deutschland als Eskalation. Über diese Aussage Mützenichs dürfte sich der russische Diktator Wladimir Putin doch freuen, oder? Bisher ist es so, dass nähere Details über die Vereinbarung, die am Rande des Nato-Gipfels mit den Amerikanern getroffen wurden, noch nicht bekannt sind. Von daher finde ich es richtig, dass Rolf Mützenich von Anfang an Wert darauf legt, dass man über beides spricht – die Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas und die Verhandlung über Rüstungskontrolle. Aber Rolf Mützenich bedient mit seiner Aussage doch das russische Narrativ. Putin spricht doch auch von einer Eskalation. Ich kenne Rolf Mützenich seit 40 Jahren. Er ist von der Herangehensweise in der Politik jemand, der die Dinge durchdenkt und differenziert. Und der Hintergrund bei solchen Aussagen ist auch der, dass die SPD-Fraktion im Bundestag bei solchen Fragen mitreden möchte. Vor einem halben Jahr haben Sie gesagt, dass Kanzler Scholz besser erklären muss, was er macht. Laut Bertelsmann-Studie ist die Ampel mehr Wahlversprechen angegangen als vorige Regierungen. Warum erklärt der Kanzler trotzdem weiterhin nicht, was er warum macht? Seitdem ich Politik mache, kann ich mich nicht erinnern, dass die Herausforderungen für die Bundesrepublik Deutschland so groß waren. Kriege, eine sich zuspitzende Klimakrise mit dem klaren Ziel des Umbaus der deutschen Wirtschaft hin zu mehr Klimaschutz. Wir haben da unheimlich viel auf den Weg gebracht. Wegen des russischen Angriffskrieges mussten wir die deutsche Energieversorgung grundlegend umstellen. Insgesamt hat die Ampel schon sehr viele Versprechen in die Tat umgesetzt. Sie hat viel gemacht, aber auch viel gestritten. Der Wähler findet zwar gut, wenn man viel macht. Aber er findet es nicht gut, wenn man zu viel streitet. Die Zwischenzeugnisse für die Ampel sind schlecht. Das heißt, dass sich die Ampel in den nächsten 15 Monaten zusammenreißen muss und konzentrierter und klarer erklärt, was sie macht. Wo stellt die AfD im Herbst den ersten Ministerpräsidenten? In Sachsen oder in Thüringen? Nirgendwo. Ich bin zuversichtlich, dass wieder ein Demokraten Ministerpräsidenten in Sachsen und in Thüringen werden. Die teils überzogenen Corona-Maßnahmen haben jeden Menschen in diesem Land betroffen. Eine Aufarbeitung der Corona-Krise und der Maßnahmen wird es in dieser Wahlperiode aber nicht mehr geben. Warum treibt die Ampel auf diese Weise noch mehr Wähler in die Arme der AfD? Es ist eine Stärke der Demokratie, die Maßnahmen der Corona-Politik aufzuarbeiten und zu schauen, was gut war und was nicht. Aber das findet doch nicht statt. Nein. Aber die Gespräche laufen, wie das am besten passiert. Aus meiner Sicht ist es das Wichtigste, dass man das nach der Sommerpause gleich anpackt. Denn bis zur nächsten Bundestagswahl sind es noch 15 Monate. Das muss man jetzt machen. In Deutschland gibt es wegen radikaler Parteien Sorge um die Demokratie. Viele US-Amerikaner sorgen sich um die Demokratie in den USA. Berechtigt? In beiden Fällen berechtigt. Aber es gibt einen großen Unterschied. In Deutschland sind extremistische Parteien trotz ihres Erstarkens eindeutig in der Minderheit. Und die Demokratie zeigt sich wehrhaft, wie das Verbot der rechtsradikalen Zeitschrift &bdquo;Compact“ und auch das Verbot des so genannten &bdquo;Islamischen Zentrums“ in Hamburg zeigen. In den USA haben wir die Situation einer komplett gespaltenen Gesellschaft. Das ist eine ganz andere Lage als bei uns. War der Rückzug von Joe Biden richtig? Ja, auf jeden Fall. Das führt nun zu einer völlig neuen Lage für die wichtigste demokratische Wahl der vergangenen Jahre. Aus meiner Sicht haben die Demokraten mit Kamala Harris Chancen gegen Donald Trump. Eine frühere Generalstaatsanwältin oder ein verurteilter Krimineller – wer liegt aus Ihrer Sicht am Wahlabend vorn? Ich hoffe die Generalstaatsanwältin. Bei der Frage, ob man eine untadelige Demokratin oder einen zügellosen Populisten als Präsidenten haben will, entscheide ich mich für die untadelige Demokratin. Außerdem wäre das besser für Deutschland und die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Im Bundeshaushalt fehlen nach wie vor mehrere Milliarden Euro. Woher soll das Geld kommen für die Reaktivierung von Bahnstrecken wie Rahden-Bremen? Was die Deutsche Bahn und die Autobahn GmbH angeht, wollen wir die Lücke durch Darlehen schließen. Gerade in der Schweiz, die ein vorbildliches Eisenbahnsystem hat, hat man mit dem Darlehen des Bundes an die Schweizerische Bundesbahnen SBB gute Erfahrungen gemacht und viel Geld mobilisiert. Wir prüfen aber gerade durch das Finanzministerium, ob dieses Modell in Deutschland verfassungsmäßig ist. Aber auch wenn man das Darlehens-Modell nutzen kann, muss die DB erkennen, dass die Zeit des Wolkenkuckucksheims endgültig vorbei ist. Ich kann der DB nur raten, sich endlich auf den Boden der Tatsachen zu begeben und milliardenschwere Phantasiestrecken wie Bielefeld-Hannover oder Hannover-Hamburg zu beerdigen. Die DB muss sich stattdessen ihrem Kerngeschäft widmen, eine Bahn für alle auf die Gleise zu stellen. Das gilt auch für die Fläche und auch für unsere Region und für die Reaktivierung von dringend notwendigen Bahnstrecken. Das gilt auch für Rahden-Bremen. Wenn Deutschland auch nur annähernd seine Ziele im Verkehrsbereich erreichen will, braucht es eine weitere Nord-Süd-Verbindung bei der Bahn. Die muss man nicht neu bauen, sondern kann sie durch die Ertüchtigung des Sulinger Kreuzes schaffen. Das Krankenhaus Rahden schließt zum Jahresende, das Krankenhaus in Ostercappeln zum August 2025. Wie groß sind Ihre Sorgen bezüglich der stationär-medizinischen Versorgung im Nordkreis? Dadurch, dass das parallel passiert, ist es für den Nordkreis nicht einfach. So ist man im Prinzip im Nordkreis darauf angewiesen, die Krankenhaus- und Ärztestruktur zu nutzen, die insgesamt im Kreis Minden-Lübbecke zur Verfügung stehen. Glauben Sie an einen Krankenhaus-Neubau in Espelkamp? Bei solchen Punkten sollte man nicht glauben, sondern sich ganz pragmatisch mit den Fakten auseinandersetzen. Da vertraue auch auf die Zuständigen in Minden-Lübbecke – den Landrat und den Kreistag. Schafft der TuS N Lübbecke in der neuen Saison den Aufstieg? Dieses Mal bin ich zuversichtlicher als in der letzten Saison. Also ja. Und wer steht in der kommenden Fußball-Bundesliga-Saison am letzten Spieltag auf Platz eins? Ich vermute wieder Bayer Leverkusen. Ich hoffe aber auf Borussia Dortmund. Werder Bremen wäre noch etwas zu verwegen. Wird auf dem Stimmzettel für die nächste Bundestagswahl auch wieder der Name Achim Post stehen? Das werde ich wie immer gemeinsam mit meiner Frau überlegen, bevor die Partei entscheidet.

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