Bahn statt Auto: Ein Projekt in der Region könnte das ermöglichen

Rahden/Sulingen. Ende Mai 1994 fuhr der vorerst letzte Eilzug von Bielefeld über Rahden und Sulingen nach Bremen. Das soll sich ändern, die Bahnstrecke von Rahden nach Bremen wieder genutzt werden. Ein wichtiger Schritt ist getan. Eine Machbarkeitsstudie kommt zu einer klaren Aussage und darauf will das Aktionsbündnis Eisenbahnstrecke Bünde-Bassum (AEBB) nun aufbauen. Wissenschaftler Volker Stölting ist erfahrener Verkehrsplaner und lehrt an der Fachhochschule Köln. Gemeinsam mit den Studierenden Alexander Kraut und Julia Tarnowsky ist der Professor der Frage nachgegangen, ob sich eine Wiederbelebung des Sulinger Kreuzes lohnt. Die Studie hatte er im März beim Bahnkongress in Rahden vorgestellt. Großes Potenzial in OWL Die Grundbedingungen seien gut, man müsse sie nur nutzen, sagte Stölting in Rahden. &bdquo;Es ist deutlich Potenzial da.“ In einer ersten Phase hält Stölting 1.000 Fahrgäste am Tag für machbar. Tendenz: steigend. Eine umsteigefreie Verbindung von Bielefeld nach Bremen sei auch für Gütersloh und Herford interessant, mit großer Sicherheit gebe es dafür auch Potenzial aus den Kreisen Paderborn und Lippe. An der Nord-Süd-Strecke sieht Stölting Potenzial für den Güterverkehr, es gebe mögliche Kunden. Güterverkehr helfe, die Kosten der Strecken-Sanierung und -Unterhaltung zu senken und das komme dem Personenverkehr zugute. Auch für die Ost-West-Strecke, auf der es noch Güterverkehr gibt, sieht Volker Stölting Perspektiven. Bahn muss wieder in die Fläche Nun soll es eine Standardisierte Bewertung geben. Die Stadt Rahden möchte das unterstützen und in dieser Richtung äußerte sich auch der Sulinger Bürgermeister Patrick Bade. "Aber die anderen müssen auch mitziehen", setzt Bade auf die Unterstützung auch der anderen niedersächsischen Anrainer-Kommunen. Daran erinnern Detlev Block, Andreas Hollberg, Manuel Kapetschny und Georg Esenwein vom AEBB. Die Studie von Professor Stölting sei positiv für die Strecke, betonen Block, Kapetschny, Hollberg und Esenwein. Sie erinnern auch an den Minden-Lübbecker Bundestagsabgeordneten Achim Post (SPD), der die Neubaustrecke Bielefeld-Hannover verhindern wolle und die Gelder für andere Projekte verwenden wolle. Zudem habe Post immer erklärt, dass die Verkehrswende und der Klimaschutz nur funktioniere, wenn die Bahn wieder in die Fläche komme - der Nahverkehr als Zubringer zum Fernverkehr. Studie bestätigt Aussagen pro Bahn "Wir kümmern uns um die Standardisierte Bewertung und setzen auf ein erneutes Verfahren nach der niedersächsischen Landtagswahl", merkt Block an. Das AEBB hofft auf ein besseres Ergebnis als in den Jahren 2013/2014. Damals seien in Niedersachsen nur zwei, drei Bahnstrecken reaktiviert worden. Mittlerweile aber hätten sich die Rahmenbedingungen deutlich geändert. Es gehe um die Verkehrswende als Beitrag zum Klimaschutz. "In NRW sind alle seriösen Parteien auf unserer Seite", betonen die AEBB-Vertreter. "In Niedersachsen ist das schwieriger." Sie erinnern auch an Wissenschaftler Axel Priebs (Uni Kiel), der einen Bahnanschluss als unabdingbar bewertet, wenn etwa Mittelzentren eine Zukunft haben wollen. Priebs' Aussage sei nun durch eine Studie der Bundesanstalt für Raumordnung bestätigt worden. Ignoranter niedersächsischer Minister Wenn in Niedersachsen eine Bahnstrecke wiederbelebt werden solle, dann brauche es eine Standardisierte Bewertung und die müsse beim Kosten-Nutzen-Verhältnis einen Wert über 1 haben. "Und mit der Vorleistung durch die Studie von Professor Stölting haben wir ein Pfund, mit dem wir wuchern können", so die AEBB-Vertreter. Sie sehen aber bei der niedersächsischen Nahverkehrsgesellschaft LNVG und im CDU-geführten Wirtschaftsministerium noch immer Desinteresse. Der LNVG habe man die Machbarkeitsstudie geschickt und nicht einmal eine Antwort erhalten. Ein Mitarbeiter von Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) habe auf die alte Studie von 2013 verweisen. "Aber die ist überholt." Von Althusmann sei man enttäuscht, so die AEBB-Vertreter. Der Minister hatte vor einigen Jahren 4.500 Unterschriften für die Wiederbelebung der Bahn erhalten. "Darauf hat er sich wohl einen gepellt." Es gibt ein gutes Beispiel Das AEBB verweist auf die Bentheimer Eisenbahn (BE), die eine ländliche Strecke ähnlich der Strecken des Sulinger Kreuzes betreibe. Die BE-Strecke sei verkehrsgeografisch nicht optimal. "Aber sie haben etwas draus gemacht", verweist das AEBB auf eine erfolgreiche Wiederbelebung des Personenverkehrs, die nun bis in die Niederlande weitergeführt werden soll. Auch die Strecke Rahden-Bassum führe nicht ins Nirgendwo. Sie verbinde die Oberzentren Bielefeld und Bremen. Das Aktionsbündnis wird seine Überzeugungsarbeit intensivieren und sich bemühen, Partner für die Finanzierung der Standardisierten Bewertung zu gewinnen. Nachfolge des Neun-Euro-Tickets Der Nahverkehr war in den vergangenen drei Monaten stark gefragt. Daran erinnert das Aktionsbündnis. Das Neun-Euro-Ticket aber zeige auch, dass es mehr Kapazitäten und mehr Infrastruktur brauche - auch durch die Reaktivierung von Strecken. Ein Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket solle auf jeden Fall auf den Nahverkehr beschränkt sein, sagt das AEBB. "Der Wert der Leistungen muss sich im Preis niederschlagen. Und auch die Tarifzonen muss man vereinfachen - weg vom Tarifdschungel." Was einen Preis für ein solches Ticket angeht, darüber wird im Aktionsbündnis munter diskutiert. Auch eine deutliche Preissenkung bei der Bahncard 100, die derzeit mehr als 4.000 Euro im Jahr kostet und freie Fahrt auf allen deutschen Strecken ermöglicht, wird im AEBB diskutiert. Charme habe auch die Idee der einstigen Hecken-Eilzüge, die auch Fernverkehr in ländlichen Regionen anboten. Das galt einst etwa für die Linie Cuxhaven-Bremen-Rahden-Paderborn-Frankfurt (Main). Detlev Block: "Unsere Strecke ist dafür prädestiniert."

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