"Müssen härte Bandagen gegen Hetze und Todesdrohungen auffahren"

Rahden. Die Coronakrise bestimmt noch immer den Alltag. Im Interview sagt der aus Rahden stammende SPD-Bundestagsabgeordnete Achim Post, was er von einer Impfpflicht oder Todesdrohungen bei Telegram denkt. Es gibt weitere wichtige Themen. Herr Post, wie stehen Sie zu einer Impfpflicht? Sagen Sie Ja dazu?ACHIM POST: Ich bin für eine Impfpflicht und ich werde im Bundestag auch dafür stimmen. Man braucht allerdings vorher eine ordentliche Debatte über die Ausgestaltung in der Fraktion und mit den anderen Fraktionen. Ich denke, dass die Entscheidung bis Ostern fallen wird.Haben Sie Verständnis für Impfskeptiker?Ich habe Verständnis für die, die sagen, dass die Impfpflicht nicht das richtige Instrument ist. Ich habe Verständnis für die, die für sich persönliche Risiken bei Impfungen befürchten. Aber ich habe kein Verständnis für Coronaleugner und Verschwörungstheoretiker. Politiker, Ärzte, Wissenschaftler und Journalisten werden bedroht. Sie auch?Ja. Als wir im vorigen April die Abstimmung über das Infektionsschutzgesetz von der Ministerpräsidentenkonferenz zurück in den Bundestag holten, gab es eine Todesliste mit Abgeordneten beim Messengerdienst Telegram. Allein im November und Dezember gab es bei Telegram 250 Mordaufrufe unter anderem gegen Journalisten, Ärzte und Politiker. Das ist besorgniserregend und der Staat kann es sich nicht leisten, da zuzusehen. Da muss man härtere Bandagen auffahren. Impfgegner und Coronaleugner ziehen teils im SA-Stil vor Privathäuser von Politikern. Dann wird nach dem Durchgreifen des Rechtsstaates gerufen. Glauben Sie daran? In Minden hat die Polizei sehr umsichtig reagiert und das Haus der Landrätin so geschützt, dass die selbst ernannten Spaziergänger bzw. Querdenker es nicht erreichen konnten. Man muss demonstrieren können – vor Symbol-Orten wie Kreishaus, Landtag oder Bundestag. Aber nicht vor Privathäusern. Wer falsch parkt und nicht zahlt, bekommt die volle Härte des Staates zu spüren. Die angeblichen &bdquo;Friedensspaziergänger“ lässt man gewähren und gegen die Hetze bei Telegram wurde bislang nichts getan. Der Staat macht sich doch lächerlich.In mehreren niedersächsischen Städten wurden Allgemeinverfügungen zur Maskenpflicht erlassen. Erst einmal muss man mit Geldbußen gegen Maskenverweigerer arbeiten. Wer bei Telegram zu Mord und Totschlag aufruft, muss rechtsstaatlich verfolgt werden. Niemand soll denken, dass das ein Kavaliersdelikt ist. Das ist ein massiver Aufruf zur Gewalt und das ist nicht tolerierbar. Marco Wanderwitz, der Ostbeauftragte der bisherigen Regierung, sorgt sich um die Demokratie. Sie auch?Bislang hat bei den Wahlen in der Bundesrepublik eine übergroße Mehrheit für die demokratischen Parteien gestimmt. Eine übergroße Mehrheit ist bei Umfragen für den demokratischen Staat. Rechtsextreme, Reichsbürger oder radikale Coronaleugner sind eine kleine Minderheit, aber die darf man nicht unterschätzen. Der Rechtsstaat muss Stärke zeigen und sich gegen eine radikale Minderheit zur Wehr setzen. Dazu wird es im Januar ein Treffen der neuen Bundesinnenministerin mit ihren Länderkollegen geben und ein Thema wird der Umgang mit den Mordaufrufen sein.Gastronomie und Einzelhandel werden seit zwei Jahren von den Behörden benachteiligt. Lockdowns, nun 2G oder 2G plus. Für Discounter gilt das nicht, für den Online-Handel auch nicht. Stehen am Ende der Coronakrise tote Innenstädte?Das hoffe ich nicht. Schon vor Corona gab es Änderungen des Verbraucherverhaltens, das wurde durch Corona beschleunigt. Ich habe in den zwei Jahren viel mit Einzelhändlern in Minden-Lübbecke und mit Handelsverbänden gesprochen. Der Einzelhandel gehört nicht zu den Pandemietreibern. Ich habe mich immer für pragmatische Lösungen für den Einzelhandel eingesetzt – man muss miteinander sprechen, um zu vernünftigen Lösungen zu kommen. In Sachen Corona wird in Worten auch viel Panikmache betrieben. Von einer Naturkatastrophe ungeahnten Ausmaßes oder einer Heimsuchung war die Rede. Zahlen werden angezweifelt. Das alles sorgt doch für Verdruss. Es gibt Versuche einiger, Panik zu verbreiten. Aber viele Bürger schauen sich wissenschaftliche Erkenntnisse an und wägen das Für und Wider ab. Deshalb lassen sich die allermeisten auch impfen. Ich bin nicht pessimistisch. Die gleiche Debatte haben wir beim Klima. Am Ende werden sich wissenschaftliche Erkenntnisse und pragmatische Herangehensweisen durchsetzen. Was sind für Sie die wichtigsten Konsequenzen aus der Corona-Krise?Man braucht einen handlungsfähigen Staat und eine funktionierende Wirtschaft, die auch in schwierigen Zeiten das Beste für Betriebe und Beschäftigte herausholt. Besonders wichtig sind ein gutes Gesundheits- und Sozialsystem. Das ist das A und O. Wir sind dadurch besser durch die Krise gekommen als andere. Sozialer Zusammenhalt und Solidarität werden gebraucht – und beides haben wir.Es gibt Warnungen vor einem zu schnellen Abschalten von Kernkraft- und Kohlekraftwerken. Teilen Sie die? Versorgungssicherheit ist wichtig, niemand soll im Dunklen sitzen. Wir wollen aber auch nachhaltige Energieversorgung und die muss für jeden bezahlbar sein. Kohle ist ein großer CO2-Verursacher, deshalb steigen wir im Zuge des Strukturwandels Zug um Zug aus der Kohle aus. Im Gegenzug müssen die erneuerbaren Energien nach oben gefahren werden. Die Aufgabe ist groß, dabei einen Anteil von 80 oder 85 Prozent zu erreichen. Bürgerprotest gab und gibt es gegen Strom-Autobahnen, etwa in Stemwede. Wird es mit der neuen Regierung mehr Erdverkabelung geben?Wo immer es möglich ist, sollte man Erdverkabelung machen. Der Grundsatz ist auch schon im Koalitionsvertrag verankert. Schon in diesem Jahr wollen wir Gesetze verabschieden zum beschleunigten Ausbau von erneuerbaren Energien und Stromleitungen. Haben Sie Angst, demnächst mangels Strom im Dunklen zu sitzen?Nein. Es ist eine Aufgabe mit gesellschaftlicher, technischer und politischer Komponente, dass die Energiewende gelingt.Energie wird zum Luxus und für immer weniger Menschen bezahlbar.Der CO2-Preis wird nur langsam hochgesetzt – nicht schnell wie von manchen gewünscht. Dann schaffen wir die EEG-Umlage ab, das wird jeder spüren. Ich kann mir vorstellen, dass wir auch bei der Stromsteuer etwas machen. Klimaschutz geht nur, wenn es sozialer Klimaschutz ist. Ich habe mich erfolgreich dafür eingesetzt, dass im ländlichen Raum die Pendlerpauschale erhöht worden wird.Was wird die neue Regierung tun, um die Verkehrswende zu beschleunigen?Ich hoffe viel. Die entscheidende Frage ist, wie ich große Ziele mit vielen kleinen Schritten erreiche. Ich bin zuversichtlich, dass das der Ampel gelingt. Den bisherigen CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer interessierte unsere Region nicht die Bohne.Wird es eine Abkehr geben von der &bdquo;Phantasiestrecke“ der Bahn zwischen Bielefeld und Hannover zugunsten des Ausbaus der bestehenden Strecke?Das hoffe ich sehr, zumal es so ist: Wenn man deutlich mehr für die Schiene tun will, muss man darauf achten, dass es schnell, umweltverträglich und günstig läuft. Und das geht nur mit dem Ausbau der Bestandsstrecke und nicht mit einem Neubau. Wie wird der Bund die Reaktivierung der Bahnstrecke von Rahden Richtung Bremen unterstützen?Schritt 1 ist der Koalitionsvertrag. Da steht zum Bahnverkehr eindeutig drin, dass wir Strecken reaktivieren werden. Der Satz ist klar. Da geht es nicht darum, ob reaktiviert wird, sondern wo. Ich werde alles tun, damit Rahden-Bassum dabei ist. Der in Rahden geplante Bahnkongress ist der nächste wichtige Schritt. Was erleben wir? Personenzüge Holzhausen-Bohmte oder den Neubau der B 65?Ich glaube eher den Bahnverkehr zwischen Holzhausen und Bohmte.

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