Rahdener Kinderarzt spricht sich für Impfpflicht aus

Rahden. Bei der Beschaffung der Impfstoffe zu spät gehandelt und zu schlecht verhandelt, das System zur Terminvergabe für Impfungen zumindest in NRW bislang eine Katastrophe und bislang zu wenig Impfstoffe: Der Start der Schutzimpfung gegen das Coronavirus ist aus Sicht vieler Bürger von EU-Kommission, Bundesregierung und teilweise auch von den Ländern vergeigt worden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Vereinten Nationen hatte in den vergangenen Tagen den schleppenden Impf-Fortschritt in Europa bemängelt. Will man nun den Aussagen von Bund und Ländern glauben, dann sollen die Impfungen nach Ostern auch in Deutschland endlich Fahrt aufnehmen. Der heimische SPD-Bundespolitiker Achim Post hatte auf gut 70 Millionen Impfdosen verwiesen, die allein Deutschland im zweiten Quartal erhalten solle. Endlich Tempo beim Impfen? Auch der Rahdener Kinderarzt Wolfgang Adam ist zuversichtlich. "Es will keiner mehr warten" Wolfgang Adam gehört zu denen, die im Impfzentrum des Kreises Minden-Lübbecke in Unterlübbe Menschen gegen das Coronavirus impfen. Das tue er gern, sagt der Rahdener Mediziner. Jede Impfung zähle und helfe, Menschen zu schützen. Die Priorisierung sei ordentlich durcheinander gekommen, merkt Wolfgang Adam an. Die Menschen im Alter von 60 bis 80 Jahren stürzten sich auf den Impfstoff von Oxford Astrazeneca. "Es will keiner mehr warten." "Ich finde es auch gut, dass man zügig immer mehr Menschen impft." "Das Impfzentrum funktioniert richtig gut", so der Rahdener mit Blick auf die Bürger, die dann nach der Terminvergabe in Unterlübbe angekommen sind. "Die Leute, die dort hingehen, sind sehr gut zufrieden." Gut 1.000 Impfungen seien im Impfzentrum täglich zu schaffen. "Wirkung von Astrazeneca ist phantastisch" Wolfgang Adam bricht auch eine Lanze für den Astrazeneca-Impfstoff. Die ständige Impfkommission (Stiko) hatte den erst nur für jüngere Menschen empfohlen, dann wurde das Impfen mit dem Serum des britisch-schwedischen Konzerns mehrere Tage ausgesetzt und dann wollte die ständige Impfkommission das Serum nur für Menschen ab 60 empfehlen. "Die Wirkung von Astrazeneca ist phantastisch", sagt Wolfgang Adam. Drei Wochen nach der ersten Impfung sei man bereits immun gegen schwere und schwerste Verläufe einer Corona-Infektion. Impfungen rund um die Uhr gefordert Dass nun endlich schneller geimpft wird - da hat Wolfgang Adam auch Hoffnung wegen der Hausärzte. Nach Ostern werden sie in das Impfen einbezogen. Wolfgang Adam hatte das bereits im vergangenen Herbst gefordert und nie verstanden, warum das nicht von Anfang an so geplant war, wie es nun laufen soll. Geht es nach Wolfgang Adam, soll in den Impfzentren rund um die Uhr gegen Corona geimpft werden. Am Anfang bekämen die Hausärzte 20 Dosen, das reiche für einen Impftag in der Woche. "Aber immerhin fangen sie damit an und in den kommenden Wochen werden es immer mehr Dosen." Allein im zweiten Quartal solle allein Deutschland 70 bis 75 Millionen Impfdosen bekommen. Rund ein Drittel davon erhalte Nordrhein-Westfalen. Wem Wolfgang Adam wöchentlich auf die Füße treten will Wolfgang Adam will den Bürgern Hoffnung machen: "Ich kann mir vorstellen, dass allein in NRW in den kommenden zwei, drei Monaten so viele Impfdosen zur Verfügung stehen, um einem großen Teil der Bevölkerung ein Impfangebot machen zu können." Es könne sein, dass Ende Juni schon zwei Drittel aller Bürger in NRW geimpft sein könnten. "Wichtig ist, dass es nun auch schnell einen Impfstoff für Kinder gibt", merkt der Rahdener Mediziner an. Auch Kinder seien Virusträger und sie litten unter den Schließungen der Schulen. Und noch etwas hat Wolfgang Adam im Blick: Wäre er Gesundheitsminister, dann würde er jede Woche nach Brüssel fahren und EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen "wegen der Auffrisch-Impfungen auf die Füße treten" Arzt spricht sich für Impfpflicht aus Die Auffrisch-Impfungen werde man spätestens im kommenden Jahr brauchen, betont Wolfgang Adam. Das dürfe dann nicht wieder zu spät kommen wie die Verhandlung und Beschaffung der jetzt benötigten Impfstoffe. Einer Impfpflicht gegenüber scheint Wolfgang Adam nicht abgeneigt zu sein. Wer den vollen Schutz habe, der solle wie in Israel seine Rechte wiederbekommen. Es gebe Impfgegner, die sich nicht impfen lassen wollten. Ob man deswegen bis Weihnachten mit Masken herumlaufen müsse, fragt der Rahdener Mediziner. Kritik an großer Rücksicht auf "Sektierer" Er habe als Kinderarzt 30 Jahre lang dafür gestanden, dass bei Masern eine Impfpflicht komme. Mittlerweile gebe es die. Ein Jahr sei das Land nun wegen Corona teilweise heruntergefahren und manches bekomme man nicht geregelt. "Warum kriegt es dieses Land nicht hin und sagt: Wir stehen für Impfpflicht." Der Mediziner fragt sich, "Warum man da so viel Rücksicht auf Sektiererei nimmt". Man wisse doch über die große Hilfe, die die Impfungen für die Medizin sei. Impfungen würden etwa gegen Masern helfen oder gegen Pneumokokken. Diese Impfung im Alter, Lungenentzündung sei in Deutschland die zweithäufigste Todesursache. Hilfreich seien auch die Impfungen gegen Keuchhusten. Früher, blickt Wolfgang Adam zurück, habe er in seiner Praxis sehr oft Kinder wegen Keuchhusten behandelt. "Nicht Wein predigen und dann Wasser austeilen" Wolfgang Adam: "Es gibt nichts, was gegen die Impfung spricht." Er plädiert dafür, noch einmal einen kurzen, aber harten Lockdown zu verhängen statt einer "Salami-Taktik bis Weihnachten" und Einschränkungen noch über Monate. Ein kurzer Lockdown sei auch schneller wirksam - warmes und trockenes Wetter helfe, Viren wie das Coronavirus zu bremsen. "Es verringert die Aerosole und die Ansteckungsgefahr." Wolfgang Adam befürchtet, dass sich die Liegezeiten in den Krankenhäusern verdoppeln oder verdreifachen. Es betreffe nun jüngere Menschen und die seien widerstandsfähiger als Senioren. "Deshalb sind Intensivmediziner besorgt, ob die Kapazitäten ausreichen." Von der Kanzlerin und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten fordert Adam, dass die festgelegten Regeln eingehalten würden. Es dürfe nichts versprochen werden, was man nicht halten könne, sagt Wolfgang Adam in Richtung von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Impfstoffe nicht in Kühlschränken horten "Nicht Wein predigen und dann Wasser austeilen", kritisiert er Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und dessen Wirtschaftshilfen, die trotz gegenteiliger Behauptung in manchen Branchen nicht angekommen. An die Wissenschaftler appelliert der Rahdener Mediziner, nicht zehn verschiedene Meinungen auf den Tisch zu legen und für Sorgen und Verunsicherung zu sorgen. Die vorhandenen Impfstoffe müssten nun möglichst schnell in die Fläche gebracht werden, fordert Wolfgang Adam. "Da darf man nichts in den Kühlschränken lassen." Bürgermeister-Aussagen als "mutig" bewertet Der Rahdener Mediziner ist dennoch zuversichtlich. Die Impfungen wirkten, die Zahl der Covid-Toten sinke. Senioren seien nicht mehr so betroffen. Vor einem Jahr habe man die Altenheime geschützt und das sei richtig gewesen. Nun müsse man Ältere und chronisch Kranke schützen und schnell impfen. Und wieder stellt sich für Wolfgang Adam die Frage nach der Impfpflicht - und warum der Staat das nicht hinbekomme. "Warum muss der eine pleite gehen und andere feiern fröhlich Präsenz-Gottesdienste. Nächstenliebe sieht anders aus." Mutig sei es deshalb von Rahdens Bürgermeister Bert Honsel, die Erlaubnis für Präsenz-Gottesdienste in NRW zu kritisieren.

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