Hochzeitspaar verliert bei Flut alles - Brautladenbesitzerin spendet Kleid

Pr. Oldendorf. Es war alles schon vorbereitet, Kleid, Anzug, selbst gebastelte Deko und Gastgeschenke. Am 17. September wollten sich Nicole Müller und Dennis Sand das Jawort geben. Doch dann kam die Flut und nahm ihnen alles. Das Paar wohnte bis vor Kurzem in einem kleinen Dorf im Landkreis Ahrweiler, direkt am Fluss. Das Haus, in dem sie zur Miete wohnten, ist komplett zerstört. "Dabei hatten wir noch Glück. Wir haben rechtzeitig das Dorf verlassen, bevor die Wege abgeschnitten waren", erzählt das Paar. Zurzeit kommen sie in der Ferienwohnung von Bekannten unter. Mit dem Handy dokumentierten sie das steigende Wasser, das bereits in ihren Garten lief, als sie sich nur mit dem Nötigsten bepackt - inklusive Haustieren - ins Auto setzten. Eine offizielle Evakuierungsanordnung gab es da noch nicht, aber der Leiter der Feuerwehr hatte die richtige Intuition und verlor keine Zeit. Trotzdem schafften es nicht alle rechtzeitig in Sicherheit. Die Ereignisse waren traumatisch, wirklich verarbeitet hat sie niemand. Nicole Müller und Dennis Sand sind stark, sie wollen anpacken, sprechen mit viel Humor - aber auch sie haben mit den Erinnerungen zu kämpfen. Obwohl sie selbst betroffen sind, wollen sie vor allem helfen "Wenn wir in einer Turnhalle hätten schlafen müssen, dann hätten wir nicht die mentale Stärke gehabt, die Dinge so anzupacken", betont Nicole Müller. Gleich am nächsten Tag wollen sie anderen helfen. Denn: "Es ist einfacher zu geben als zu nehmen", ist Dennis Sand überzeugt. Für das Paar ist sein unermüdlicher Einsatz selbstverständlich. Mit dem Geld, das sie für die Hochzeit gespart hatten, besorgen sie Güter im Baumarkt sowie Malbücher und Stifte für Kinder. Der neue Arbeitgeber hat nicht so viel Verständnis für die Extremsituation und kündigt Dennis Müller. Die Hochzeit absagen? Daran dachten sie keine Sekunde. "Wir haben gesagt, wir heiraten trotzdem. Auch im Jogginganzug", sagt Nicole Müller lachend. "Und die schönen Erinnerungen daran, wie wir mit Dennis' Kindern zusammen gebastelt haben, die nimmt uns keiner." Die Location für die Feier ist von der Katastrophe verschont geblieben, denn geheiratet wird in Köln. Fantastische Überraschung aus dem Lübbecker Land Dann tritt zufällig eine gute Fee in ihr Leben. Claudia Rohlfing führt seit 2017 das Brautmodengeschäft "Atemlos". Die Corona-Pandemie ist ein herber Rückschlag für sie, Messen und Hochzeiten werden abgesagt, die Einnahmen brechen ein. Schweren Herzens musste sie ihr Ladenlokal in Gehlenbeck aufgeben. Nun hat die Holzhausenerin sich zu Hause eingerichtet mit glitzerndem Kleiderlager und Showroom. Ihr Mann Karl-Heinz ist Sachverständiger für Versicherungen und seit Juli mehrmals in Flutgebieten vor Ort gewesen. Die individuellen Schicksale lassen ihn nicht los, er erzählt seiner Frau viel. Ergriffen beschließt Claudia Rohlfing zu helfen. In der Facebookgruppe "NRW Hochwasser-Hilfegruppe" posten User, was sie spenden möchten, dort bietet sie ein Hochzeitskleid an. Eine Arbeitskollegin von Nicole Müller meldet sich und stellt den Kontakt her. "Wir haben das am Anfang nicht so ganz ernst genommen", so die Braut. Doch das Angebot ist echt. Eine Welle der Hilfsbereitschaft Aber nicht nur das Hochzeitskleid bekommen sie von Claudia Rohlfing, denn für sie ist es eine absolute Herzensangelegenheit. Über Facebook treibt sie weitere Angebote auf, eine Visagisten, einen Hochzeitssänger, Brautstrauß und noch vieles mehr. Für drei Tage ist das Paar nun im Lübbecker Land zu Besuch, das Hotelzimmer wird ihnen für den Aufenthalt spendiert. Andreas Winkelmann, Inhaber des Herrenausstatters Lange in Rahden, schenkt dem Bräutigam eine Garderobe. Innerhalb kürzester Zeit organisiert er einen hellblauen Anzug mit Fliege und Einstecktuch. "Da gewinnt man echt den Glauben an die Menschheit zurück", sagt Claudia Müller gerührt von der Welle der Hilfsbereitschaft. Die erste Hochzeitsgarderobe hielten sie - ganz nach Brauch - voreinander geheim. Bei der zweiten Ausstattung machen sie es bewusst anders. Das Brautpaar ist überglücklich über Claudia Rohlfings Hilfe, zur Hochzeit ist sie auch eingeladen. Ob sie nach Ahrbrück zurückkehren möchten? Nicole Müller zögert. "Anfangs war ich dagegen, aber gerade in dieser Zeit haben wir gemerkt, wie sehr das Dorf zusammenhält, wie sehr das unsere Heimat geworden ist. Darum ja, wir werden wieder dort wohnen. Aber dann weiter weg vom Fluss."

Meistgelesen