Tierschützer schockiert über Zustände auf vermeintlichem Gnadenhof in Porta

Porta Westfalica. Der umzäunte Hof eines Hauses nahe der Autobahn wirkt am Dienstagmittag verlassen. Ohnehin gewähren die Besitzer wenige Einblicke und schirmen das Gelände ab. Aus der Luft ist ein zum Teil vermülltes Areal zu erblicken. Ansonsten steht dort ein Auto ohne Kennzeichen, Tiere und Menschen sind nicht zu entdecken. Die Bewohner ignorieren die Klingel im verbarrikadierten Eingangsbereich. Die Haustür bleibt verschlossen, obwohl im Obergeschoss Licht brennt. Das Ende einer Straße in Holzhausen ist am Montag Schauplatz eines ungewöhnlichen Einsatzes geworden. Das Kreisveterinäramt hat dort gemeinsam mit der Ordnungsbehörde der Stadt Porta einen offenbar für alle Beteiligten überraschenden Fund gemacht und deswegen die Tierhaltung umgehend untersagt. Auf dem vermeintlichen Gnadenhof hat die Behörde mehr als 70 Tiere sichergestellt, die sich nahezu alle in einem sehr schlechten Zustand befunden haben sollen. Laut eines Mitarbeiters des Portaner Ordnungsamts benötigen sie dringende medizinische Hilfe, die sie von den Haltern nicht bekommen hätten. Es handle sich um 44 Hunde, zehn Katzen, sechs Ziegen, sieben Schweine, fünf Gänse und vier Laufenten - die Behörden hätten mit deutlich weniger Tieren gerechnet. Nach Angaben des Portaner Ordnungsamts seien die hygienischen Zustände katastrophal. Mehrere Quellen sprechen auch von entdeckten Kadavern. Eine Bestätigung gibt es dafür nicht. Zum ersten Artikel: 44 Hunde darunter: Tiere in Porta aus katastrophalen Zuständen befreit Veterinäramt aus Kreis Minden-Lübbecke soll Hinweise bekommen haben Schon seit längerer Zeit sind die Besitzer sowohl bei verschiedenen Stellen im Kreis als auch bei Tierschützern bekannt. Das Veterinäramt hat offenbar seit anderthalb Jahren regelmäßig besorgte Hinweise zu dem Hof erhalten. Weshalb die Behörde nicht eher eingegriffen hat, bleibt vage. Eine MT-Anfrage lässt der Kreis unbeantwortet und begründet das Schweigen damit, dass die Mitarbeiter aktuell zahlreiche Tiere vom Hof weitervermitteln müssten. Erst im Laufe der Woche wolle man sich aus zeitlichen Gründen zu dem Einsatz äußern. Vor Ort trifft das MT am Dienstag irgendwann auf einen Bewohner des Hauses, der mit einem Auto wegfahren möchte. Auskunft möchte er nicht geben und verweist darauf, dass die Familie sich nun einen Anwalt suche und man sich an den wenden solle. Er deutet an, dass man möglicherweise gegen das Veterinäramt vorgehen möchte und nicht einverstanden mit dem Einsatz sei. MT-Informationen zufolge genießen die Betreiber unter Tierschützern, Vereinen und Tierschutzorganisationen einen inzwischen miserablen Ruf. Mehrere Quellen berichten dem MT unabhängig voneinander, dass sie mehrmals gemeldet wurden. Dadurch bekamen sie keine Tiere mehr von Vereinen, die beispielsweise Lebewesen aus Rumänien und Bulgarien vermitteln und einen Sitz in Deutschland haben. Dennoch haben sich einige Tiere in Holzhausen angesammelt. Das liege laut einer Expertin daran, dass besonders ausländische Vermittler die Zustände nicht immer überprüfen können. Auch ein Kind soll sich auf dem Portaner Hof befunden haben Neben den Tieren soll sich MT-Informationen zufolge auch ein Kind auf dem Hof befunden haben. Da auch im Inneren des Hauses hygienische Missstände herrschen sollen, hat das Portaner Ordnungsamt das Jugendamt informiert. Das bestätigt Stadtsprecherin Babette Lissner. Aus Datenschutzgründen könne sie keine detaillierten Angaben bei einer Kindeswohlgefährdung machen. &bdquo;Zwei Mitarbeiterinnen des Jugendamts haben die Sachlage vor Ort unmittelbar geprüft“, so Lissner. Man habe alle zum Schutz Minderjähriger notwendigen Maßnahmen eingeleitet, heißt es. Bei der Polizei lag am Dienstag keine Anzeige gegen beispielsweise Verstöße gegen das Tierschutzgesetz und der Vernachlässigung von Tieren vor. MT-Informationen zufolge beschäftigte sich jedoch die Staatsanwaltschaft Bielefeld mindestens einmal mit der Betreiberin des Hofs. Sie soll hauptverantwortlich für die Tiere sein. 2024 stellte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen die Frau ein. Der Paragraf 154 der Strafprozessordnung sieht eine Teileinstellung bei mehreren Taten vor. Weshalb sie verurteilt wurde, lässt die Staatsanwaltschaft offen, da sonst unter anderem ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt werden könnte. Mehr Einblicke geben dafür unterschiedliche Tierschützerinnen. Eine kannte die Frau flüchtig. Sie haben sich mehrfach bei der Abholung von Futterspenden getroffen. Dort habe die Frau behauptet, nur acht bis zehn Hunde zu besitzen, berichtet sie. Da sei sie bereits stutzig geworden und habe die Frau um ein Treffen gebeten. Letztere habe aber immer abgeblockt. Inzwischen bereut die Tierschützerin, nicht trotzdem zu dem Hof gefahren zu sein. Zuletzt sei sie vor mehreren Monaten auf dem Gelände gewesen. Beim Einzug habe noch alles sauber und gepflegt gewirkt. Von den jetzigen Umständen auf dem Hof sei sie entsprechend schockiert gewesen. Sie kenne sich mit den Auflagen für die Haltung derartig vieler Tiere aus, erklärt die Tierschützerin. Daher könne sie nicht verstehen, dass der Hof nicht regelmäßig kontrolliert wurde. Die schiere Anzahl der Tiere hätte auffallen müssen, meint sie. Was andere Tierschützer über den Portaner Hof berichten Auch einer Frau, die ein Pensionspferd auf dem benachbarten Hof stehen hat, sind die zahlreichen Hunde und Katzen aufgefallen. Oft reite sie den Feldweg entlang, der am Grundstück vorbeiführt. &bdquo;Mein Pferd war auf diesem Teilstück immer sehr angespannt“, sagt sie. Pferde können auf Kadaver mit Unruhe und Angst reagieren. Laut einer anderen Tierschützerin stammten die Hunde und Katzen aus allen Teilen der Welt, beispielsweise von Zypern, aus Rumänien, Ägypten oder der Türkei. Normalerweise müssen für Tiere, die aus Nicht-EU-Ländern nach Deutschland kommen, bestimmte Richtlinien erfüllt werden. So muss beispielsweise der Tollwutstatus nachgewiesen werden. &bdquo;Aber“, sagt die Tierschützerin aus der Region, &bdquo;diese Tiere werden oft über die Grenze nach Bulgarien gebracht.“ So können die Vorschriften umgangen werden. Auch sie hält fest: Es wurden immer wieder Anzeigen beim Veterinäramt erstattet. Zuletzt immer häufiger. Dadurch sei der Druck immer größer geworden. Um das Privatgrundstück zu durchsuchen, war jedoch ein richterlicher Beschluss nötig. Der habe nun vorgelegen. Die Einsatzkräfte waren vor Ort schließlich über den Dreck, den Müll und den Gestank erschrocken. &bdquo;Einige Zustände waren uns bekannt, aber was sich uns dann offenbarte, hat uns alle erschrocken und mitgenommen“, sagt einer der Einsatzkräfte, &bdquo;dort haben die Tiere gelitten.“ Fragen nach dem Motiv: Handelt es sich um &bdquo;Animal Hoarding“? Über die Motive der Besitzer kann nur spekuliert werden. Sehr häufig wird dabei Selbstbestätigung genannt. Menschen, die sogenanntes &bdquo;Animal Hoarding“ betreiben, wollen als hilfsbereit und selbstlos wahrgenommen werden. &bdquo;Das Tierwohl ist ihnen aber total egal. Es geht einzig und allein um sie selbst“, nennt die Tierschützerin narzisstische Züge. Ihr ist es sehr wichtig, dass der Auslandstierschutz differenziert betrachtet wird. &bdquo;Es gibt gute und schlechte Vereine, die sich um Auslandstierschutz bemühen“, sagt sie. Seriöse Vereine überprüfen die Gegebenheiten der Stellen, an die sie die Tiere abgeben, regelmäßig. Andere Vereine hingegen vertrauen auf Fotos und Videos, die ihnen zugespielt werden, ohne selbst vor Ort zu überprüfen. Das soll in Holzhausen der Fall gewesen sein. Eine weitere Tierschützerin, die gleichzeitig Vorstand eines eingetragenen Tierschutzvereins außerhalb von NRW ist, kennt die Betreiberin ebenfalls: &bdquo;Sie war sehr präsent in den sozialen Netzwerken und hat dort auch Spenden für beispielsweise behinderte Tiere gesammelt.“ Die Tierschützerin vermutet, dass sie mit dem Geld auch ihren eigenen Lebensunterhalt finanziert haben könnte. Angefangen habe alles in der Corona-Zeit auf einem anderen Hof in Lerbeck. Lesen Sie auch: Wie 23 Hunde aus einem Schweinestall und Kellerräumen gerettet wurden Alter Hof ist weg Der wurde verkauft und ist MT-Recherchen zufolge inzwischen abgerissen. Dem ehemaligen Hof sind inzwischen schicke, neu gebaute Einfamilienhäuser gewichen. Nachbarn erinnern sich an die Familie und die Hunde. &bdquo;Damals hatten sie noch nicht so viele, aber manchmal lagen dort auch länger Kadaver“, so eine Frau. Schon damals soll das Veterinäramt entsprechende Infos erhalten haben. &bdquo;Meine Tochter hat einige Male bei den Behörden darauf hingewiesen“, erzählt eine andere Nachbarin. Zurück zum Hof in Holzhausen: Was passiert nun mit den sichergestellten Tieren? Acht Hunde wurden ins Mindener Tierheim gebracht. &bdquo;Der Allgemeinzustand ist sehr gemischt, die Hunde sind nicht gepflegt“, erklärt Nadine Baumeister, die Stationsleiterin für Hunde. Demnach seien einige dick, andere abgemagert, da es wohl keine faire Futterverteilung gegeben habe. Neben Flöhen, Würmern und Pilzinfektionen sei mindestens ein Tier in einem schlimmeren Gesundheitszustand. Tiere sind in schlechtem Zustand Am Montag wurden die Vierbeiner zunächst vom Veterinäramt begutachtet. In den kommenden Tagen werden sie von den Tierärzten des Tierheims intensiv untersucht und behandelt. &bdquo;Einige Hunde sind verängstigt und müssen sich zunächst an die neue Situation gewöhnen“, so Baumeister. Die Tierschützer seien am Montag mit mehreren Autos nach Holzhausen gefahren &bdquo;Wir haben die Tiere in die Fahrzeuge geladen und sind dann schnellstmöglich losgefahren“, sagt sie. Es sei wichtig gewesen, sie schnell aus der Hitze herauszubekommen, da diese zusätzlich zu dem Stress belastend gewesen sei. Einige der Tierschutzorganisationen, die die Hunde an die Portaner Familie vermittelt hatten, haben laut Baumeister angeboten, sie wieder zurückzunehmen. &bdquo;Es sind Ferien und wir können keine weiteren Tiere aufnehmen“, erklärt sie. Die letzten drei Quarantäneboxen seien voll. Was passiert mit den Schweinen? Ähnlich ergeht es auch den anderen Tierheimen in der Umgebung, die Tiere aus Porta aufgenommen haben. Nach Bückeburg wurden 15 Hunde und zehn Katzen gebrachen. Wie auch in Minden lässt der erste Eindruck keinen guten Zustand erahnen. Sieben Hunde hat der Eichenhof Vlotho aufgenommen. &bdquo;Ein Tierarzt hat sie untersucht“, sagt Tierheimleiterin Kerstin Sanker. Dabei habe sich herausgestellt, dass sie unterernährt und verängstigt sind. Neben Zahnstein konnten auch Ohrenentzündungen festgestellt werden. &bdquo;Neun Hunde unterschiedlicher Rassen und unterschiedlichen Alters sind vorerst bei und in Lübbecke untergekommen“, erklärt Sara Meinsen vom Tierheim Lübbecke. Demnach mussten die Tiere unter unvorstellbaren Bedingungen leben und sind zum Teil krank oder verletzt, so Meinsen. Fünf Gänse, vier Laufenten und zwei Hunde befinden sich auf dem Gnadenhof Halona Mensch und Tier in Diepenau. &bdquo;Das Geflügel ist in einem guten Zustand“, erklärt die erste Vorsitzende Annette Arkenberg. Einer der beiden Hunde sei querschnittsgelähmt und werde auf dem Hof bleiben. Ob auch die sieben Schweine in Diepenau aufgenommen werden, ist am Dienstagmittag noch nicht klar. &bdquo;Wir stehen im Kontakt mit dem Veterinäramt“, sagt die Tierschützerin. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

Meistgelesen