
Porta Westfalica. Das Gedenken an Günter Pethke wäre fast ins Banale abgeglitten. Zuerst war der Bürgermeister pikiert, dass der erste Kranz kurz vor seinem Erscheinen abgelegt wurde. Und dann klingelte das Telefon eines Lokalreporters zweimal während der Gedenkminute. Doch die fünf Luftwaffenoffiziere, die gestern vor dem Kreuz des Fliegerkameraden Pethke salutierten, sahen galant darüber hinweg.
Genau wie der FDP-Landtagsabgeordnete Kai Abruszat und Karl Wilfried Pultke, die Initiatoren der Veranstaltung. Ihre Väter standen vor exakt 50 Jahren an diesem Ort, einem Buchenwald am steilen Südhang des Wesergebirges nahe der Autobahn A2, und waren als Polizisten an der Absturzstelle einer Lookheed F-104 Starfighter eingesetzt. Günter Pethke, 27 Jahre alt, saß am Steuerknüppel.

Das Unglück geschah während der Tieflugausbildung. Zwei Maschinen, im Fliegerjargon Rotte genannt, näherten sich mit hohem Tempo von Süden kommend. „Das Wetter verschlechterte sich während des Fluges, die Wolken hingen immer tiefer“, sagt Luftwaffen-Major Rüdiger Tentrup, ein junger Eurofighter-Pilot und heutiger Staffelkapitän des Geschwaders „Richthofen“, dem auch Pethke vor einem halben Jahrhundert angehörte. Tentrup kennt den damaligen Unfallbericht bis ins Detail. „Die Piloten mussten wegen des schlechter werdenden Wetters von Sicht- auf Instrumentenflug übergehen. Dabei ist es zum Absturz gekommen.“ Die zweite Maschine kehrte ohne Zwischenfälle zum Fliegerhorst Wittmund in Ostfriesland zurück.
Zum Zeitpunkt des Absturzes hütet Karl Friedrich Pultke, damals 13 Jahre alt, zwei Kühe am Rand eines Feldes. „Ich sah die beiden Maschinen kommen, sie machten ja einen höllischen Lärm“, erzählt Pultke. „Es war ein warmer, fast windstiller Sommertag. Die schwarze Rauchsäule stieg senkrecht in die Höhe.“ Er lief zu einer Nachbarin, die ein Telefon besaß und die Polizei verständigte. „Irgendwann schrie sie ins Telefon, weil man nicht glaubte wollte, was sie erzählte.“ Als Pultkes Vater, der Polizist, abends von der Absturzstelle zurückkehrte, saß er mit Tränen am Küchentisch. „Ich habe mich nicht getraut nachzufragen, warum mein Vater weinte. Er hat darüber nie ein Wort verloren“, sagt Pultke.
Zur Gedenkveranstaltung ist auch Siegmund Pethke gekommen, der Neffe des getöteten Piloten. In West-Berlin wohnend, hätte sein Onkel nicht einmal Wehrdienst leisten müssen – eine der Kuriositäten des Kalten Krieges. „Er war gelernter Tischler, wollte aber unbedingt Pilot werden“, sagt Pethke, dessen Vater das Holzkreuz anfertigte, das bis heute an der Absturzstelle steht. „Vor 50 Jahren kamen zwei Offiziere nach Berlin und klingelten abends an der Haustür“, sagt Siegmund Pethke, der seinem Onkel nahe stand. „Ich war sieben Jahre alt. Es war eine schwere Zeit.“
2005 kamen Kai Abruszat und Karl Wilfried Pultke wieder auf den Absturz zu sprechen. Das verwitterte Holzkreuz machte keinen guten Eindruck, die Erinnerung drohte zu verblassen. Also ließen beide einen Gedenkstein am Fernwanderweg E-11 aufstellen, wenige Meter neben dem Kreuz, das von zwei Schülern restauriert wurde.
269 Starfighter stürzten in 30 Einsatzjahren ab, 116 Piloten starben dabei. Allein 1965 verunglückten 26 Maschinen, 15 Piloten kamen um. Damals wie heute gab es einen hohen Ausbildungsstau bei den Piloten. „Haben wir aus der Geschichte gelernt?“, fragt Major Tentrup. Er lässt die Antwort offen.
Zweiter Absturz
- Am 18. Juni 1979 stürzte ebenfalls ein Kampfjet des Jagdgeschwaders 71 „Richthofen“ ab – in ein Wohnhaus in Lage (Kreis Lippe).
- Beide Besatzungsmitglieder der F-4 Phantom und fünf Personen im Haus kamen dabei ums Leben.
- Offiziere der heutigen Taktischen Luftwaffengruppe „Richthofen“ nehmen auch dort am Gedenken teil.