Vielleicht nie wieder in Freiheit: Sicherungsverwahrung für Bankräuber aus Minden-Lübbecke

Kreis Minden-Lübbecke/Münster. Die Sicherheitsverwahrung ist die härteste Sanktion und damit das schärfste Schwert im deutschen Strafrecht. Wer sie angeordnet bekommt, ist für die Gesellschaft zu gefährlich, bleibt für unbestimmte Zeit und meist viele Jahre hinter Gittern. Von dieser Maßregel macht nun das Landgericht Münster Gebrauch und spricht sie in einem Urteil für den Petershäger Bankräuber Jörg R. aus. Der 56-Jährige überfiel zwischen 2015 und 2016 mit seinem Stiefsohn und einem inzwischen verstorbenen Komplizen mehrere Banken in Minden, Rinteln und Hohnhorst nahe Stadthagen. Er wurde 2018 zu elf Jahren sowie sechs Monaten Gefängnis verurteilt, mehr als die Hälfte seiner Haftstrafe hat er bereits abgesessen. Im dritten Anlauf verhängte nun das Landgericht Münster die Sicherheitsverwahrung für ihn. Zuvor entging Jörg R. dieser zweimal vor dem Landgericht Bielefeld. Das missfiel jedoch dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, der nach Münster zurückverwies. Nach vier Verhandlungstagen und der Einschätzung eines Gutachters ist für die 3. Große Strafkammer am Mittwoch klar gewesen, dass man die Öffentlichkeit auch nach der Haftverbüßung vor Jörg R. schützen müsse. Die Kammer ging davon aus, dass der Angeklagte einen Hang habe, weiter erhebliche Straftaten zu begehen. Kurzum: Es gebe eine Wiederholungsgefahr. Mit diesem Urteil kann Dr. Tobias Diedrich wenig anfangen. Er vertritt den notorischen Kriminellen und sagt im Gespräch mit dem &bdquo;Mindener Tageblatt“, dass die Entscheidung bereits vorher festgestanden habe: &bdquo;Es ist lächerlich und war klar, in welche Richtung es geht, nachdem das BGH den Fingerzeig machte.“ Diedrich verweist auf inzwischen drei Gutachter, die die Landgerichte in Bielefeld und Münster anhörten: &bdquo;Sie alle sind Koryphäen auf ihrem Gebiet und kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen.“ Diedrich kündigt an, Rechtsmittel einzulegen. Am Ende müsste wieder der BGH entscheiden. Auch eine Verfassungsbeschwerde steht für Diedrich im Raum. Täter ist erschöpft, Anwalt will nicht aufgeben &bdquo;Jörg R. ist nun ernüchtert und erschöpft – ich gebe jedoch nicht auf“, so Diedrich. Der Jurist verweist darauf, dass diese Maßregel meist eher für Mörder und Sexualstraftäter in Betracht komme. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts befanden sich 2022 in Deutschland 604 Menschen in der Sicherheitsverwahrung. &bdquo;Darunter gibt es lediglich ein bis zwei, die ähnliche Straftaten wie R. begangen haben“, sagt der Anwalt. Zuletzt ordnete das Landgericht Paderborn Sicherungsverwahrung für Wilfried W. an. Er quälte jahrelang Frauen im sogenannten Horrorhaus von Höxter. Auch dem Hiller Dreifachmörder Jörg W. wird es nach seiner lebenslangen Freiheitsstrafe ähnlich ergehen. Die Gerichte müssen dann jährlich den Status in Gutachten überprüfen und das Risiko der Inhaftierten einordnen. &bdquo;Wir haben uns aufs Urteil vorbereitet“, teilt Diedrich mit. Jörg R. sitze derzeit in der JVA Bochum und arbeite an sich. &bdquo;Er unterzieht sich einer Sozialtherapie.“ Der Anwalt erwähnt, dass sein Mandant seit Jahren wegen der angedrohten Sicherungsverwahrung unter psychischem Druck stehe: &bdquo;Das Damoklesschwert war über ihm.“ Jörg R. sagte während des Prozesses vor zwei Jahren, dass er nicht im Gefängnis sterben wolle. Seit seiner Jugend ist Jörg R. straffällig. Im Mai 2015 überfiel der Dachdecker mit seinem Stiefsohn die Volksbank im Mindener Stadtteil Kutenhausen und erbeutete 90.000 Euro. Die Mitarbeiter bedrohte er mit einer Waffe, zwang sie, den Tresor zu öffnen und schlug mit seinem Partner den Hausmeister nieder. Ein weiterer Überfall folgte im Februar 2015 in Rinteln und im März in Hohnhorst, wo die Polizei den Stiefsohn festnahm und Jörg R. entkam. Im April wiederholte er einen solchen maskiert und mit einer Waffe in Ottenstein (Landkreis Holzminden). Mit einem anderen, inzwischen verstorbenen Komplizen aus Bünde entwendete er dort 37.680 Euro und fesselte die Bankmitarbeiter. Ohne Beute blieben sie im Juni 2016 in Hilgermissen (Landkreis Nienburg), wo sie einen Alarm auslösten und ein Spezialeinsatzkommando sie stellte. Bei der Raubserie erbeuteten die Räuber insgesamt 131.000 Euro und schreckten nicht davor zurück, Bankmitarbeiter zu schlagen. Für die Justiz war jedoch klar, dass Jörg R. nur im niedrigschwelligen Rahmen Gewalt angewendet habe. Den Opfern soll er vor allem psychisch schwer geschadet haben. Ein Schlusstrich - für immer? Dass Jörg R.s Taten mitunter skurrilen Charakter hatten, blieb bei seinen Prozessen nicht unerwähnt: Einmal hatte R. ein komplettes Auto gestohlen, um ein bestimmtes Ersatzteil für sein eigenes auszubauen. Ein anderes Mal schnappte ihn die Polizei auf der Autobahn per Zufall. Mit einem Transporter wollte er geklaute Auto-Gasanlagen nach Polen fahren. Doch das völlig überladene Fahrzeug mit einem platten Reifen fiel auf. Auf die Spur des Duos nach dem letzten Bankraub in Ottenstein kamen die Fahnder aufgrund eines Herstelleretiketts an der zurückgelassenen Leiter. Mit der waren die Täter über das Obergeschoss in die Volksbank eingestiegen. Einen Schlussstrich zieht nun das Landgericht in Münster. Es ist ein vorläufiger, die Akte bleibt offen – das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

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