„Volles Risiko“: Wie ein Mindener die Arbeitswelt mit seinem Start-up revolutionieren will

Minden. &bdquo;Ich habe keine Ahnung, was ich will“, sagt Finn. Der 15-Jährige beendet diesen Sommer die 10. Klasse auf einem Gymnasium aus der Region um Minden. Für das Abitur müsste er seine Noten extrem verbessern, aber eine Ausbildung könne er sich gerade nicht vorstellen. Der nächste Schritt in seinem Leben ist derzeit das Dauerthema in der Familie. &bdquo;Polizei, Zoll, irgendetwas im Handwerk wäre doch etwas für dich, da bist du oft in Bewegung und es wird nicht langweilig“, schlagen seine Eltern vor. Ein Schreibtischjob wäre nichts für ihn, meinen sie. Doch sieht Finn das auch so? Das Problem mit der Orientierungslosigkeit in der Berufsfindung hat nicht nur Finn. Der Übergang von der Schule in den Beruf macht vielen Jugendlichen zu schaffen. Auch Marco Grotemeyer (30) und Joshua Peterk (18) standen nach ihrem Schulabschluss vor einer Wahl, für die sie sich nicht gut vorbereitet fühlten. Also gründeten sie eine Plattform, die es jungen Schulabgängern ermöglichen soll, nähere Einblicke in mögliche Berufsfelder zu bekommen. Auf der einen Seite können sich Schüler auf der digitalen Plattform ausprobieren und auf der anderen Seite melden sich dort Unternehmen aus der Region an. Ob für den Schüler das passende Unternehmen oder auch für das Unternehmen der passende Schüler, soll dann mit der Unterstützung einer Künstlichen Intelligenz herausgefunden werden. Gründer hat sein Leben umgekrempelt &bdquo;In zehn Jahren revolutionieren wir die Art und Weise, wie junge Menschen und Unternehmen zusammenkommen“, davon ist Marco Grotemeyer überzeugt. Der 30-Jährige hat eine Vision. Er möchte künftigen Arbeitnehmern helfen, den richtigen Job fürs Leben zu finden. Aber auch Unternehmen zeigen, wie sie den besseren Draht zu den Generationen Z und Alpha finden. Dafür arbeitet der gebürtige Mindener gerade an seinem Start-up namens Beyound925. Für seine Idee hat Grotemeyer sein Leben umgekrempelt. &bdquo;Ich bin auf volles Risiko gegangen“, sagt er. Er hat seinen Job im Fitnessstudio in Bad Oeynhausen aufgegeben und sich bei der Founders Foundation in Bielefeld beworben. Das gemeinnützige Ausbildungszentrum für Gründer hilft Anwärtern, sich in der Start-up-Szene zurechtzufinden. Grotemeyer, der nach seinem Fach-Abitur am Mindener Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg erst vier Jahre bei der Bundeswehr gedient hatte, dann eine Ausbildung anfing, dann seinen Diplom-Abschluss in Sportwissenschaften gemacht und dann anschließend ein Fitnessstudio in Bad Oeynhausen aufgebaut hatte, wollte sich endlich verwirklichen, sagt er. Gründer-Kollegen bei der Founders Foundation gefunden Neben seinem Beruf bot er ein Coaching für Persönlichkeitsentwicklung namens &bdquo;Erhebe dich“ an. Er selbst könne nachvollziehen, wie sich orientierungslose Jugendliche fühlen - weil er selbst einer von ihnen war, so der heute 30-Jährige. Damals habe er die Schule nicht gemocht und auch nicht viel dafür getan, gibt er zu. Er komme aus einem Nicht-Akademiker-Haushalt. Sein Vater war Maurer. Aber er habe andere Werte mitbekommen - unter anderem verspüre er immer den Druck, anderen helfen zu wollen, so Grotemeyer über sich. Während seines Studiums sei ihm dann aufgefallen, dass er doch gut lernen könne und dass er gut mit Kindern und Jugendlichen umgehen könne. &bdquo;In den jungen Köpfen geht mehr vor, als man wahrnimmt“, sagt der Gründer, der seine Erfahrungen auch als Trainer einer Jugend-Fußballmannschaft sammeln konnte. Lesen Sie auch: Mindener gründet vier Start-ups in sechs Jahren Um &bdquo;Erhebe dich“ auf die nächste Stufe zu bringen, musste er einen Schritt weiter gehen. Er ließ die Sportwelt hinter sich und gab sich zwölf Monate Zeit, um sein Unternehmen aufzubauen. &bdquo;Wenn ich es dann nicht geschafft habe, dann muss ich was anderes machen“, so seine Devise. Im Oktober vergangenen Jahres setzte Grotemeyer also alles auf eine Karte und fuhr zum Startup-Zentrum nach Bielefeld. Der erste Schritt dort sei es, jemanden zu finden, der versucht, das gleiche Problem zu lösen. Dort traf er auf Joshua Peterk aus Steinhagen (Kreis Gütersloh). Der 18-Jährige hatte sein Abitur mit 16 Jahren mit der Note 1,4 abgeschlossen. Sein Problem war damals genau das Gleiche: Wohin geht die Richtung? Der Wunsch aus seinem familiären Umfeld: Er solle Medizin studieren. &bdquo;In meiner Familie gibt es mehrere Ärzte“, erklärt Peterk. &bdquo;Aber das war nichts für mich.“ Er studiert jetzt Betriebswirtschaftslehre an der Uni in Bielefeld. Gründerstipendium: Zwölf Monate 1.200 Euro für jeden Gemeinsam tüftelten die beiden Gründer die nächsten Wochen an einer Problemlösung. Es folgte eine Marktanalyse. Sie riefen Unternehmen an, kontaktierten Lehrer und sprachen mit Jugendlichen. Schnell kamen die Gründer darauf, direkt am Anfang anzusetzen. Beiden hätte die Berufsorientierung in der Schule nichts gebracht. Mit ihrer Plattform &bdquo;Beyound925“ wollen sie die Berufserkundung nicht ersetzen, stellen die Gründer klar, aber es könnte ein ergänzendes Tool sein. Die Aufgaben der beiden Gründer waren verteilt, was fehlte, war der Mann für den technischen Part. Zu dem dritten im Bunde fand das Duo über Linkedin. Aaron Richter, ursprünglich aus Minden, unterstützt das Team jetzt von Magdeburg aus. Regelmäßig schalten sich die drei zusammen und bringen ihre Berufsorientierungs-Plattform so auf das nächste Level. Auch wenn die Plattform noch sehr jung ist, konnten die Gründer schon die ersten Erfolge erzielen und einige Finanzspritzen für die weitere Entwicklung ergattern - unter anderem das NRW Gründerstipendium, bei dem jedes Gründungsmitglied zwölf Monate lang 1.200 Euro bekommt. Oder bei der Pitchmi-Up-Night am Campus in Minden, bei der die Gründer den dritten Platz gemacht und 1.000 Euro von den Mindener Stadtwerken bekommen hatten. Lesen Sie auch: Melitta geht Partnerschaft mit Kaffee-Startup ein &bdquo;Soft-Skills werden immer relevanter im Berufsleben“ Mittlerweile ist &bdquo;Beyound925“ zwei Monate alt und noch in der Pilotphase. Ziel sei es, dass sie später eine App wird, die sowohl auf dem Smartphone als auch über Schulcomputer genutzt werden kann. Mit an Bord sind bereits drei Berufsschulen aus der Region. Da die Testphase angelaufen ist, konnten die Gründer schon die ersten Erfahrungen mit Schülern machen und ihnen ihre &bdquo;Berufs-Reise“ zeigen. Mit Beyound925 können die Schüler sich spielerisch und personalisiert ansehen, wie ihr Beruf später aussehen könnte. Nachdem ein Schüler ein paar persönliche Daten eingegeben hat, beispielsweise wie er sich selbst beschreiben würde, was er gerne macht, welche Hobbys er hat und so weiter, kann er unter anderem ein Quiz machen. &bdquo;Soft-Skills werden immer relevanter im Berufsleben“, erklärt Grotemeyer. Soft Skills sind persönliche Fähigkeiten, Charaktermerkmale und Verhaltensweisen, die über reine Zeugnisse und Zertifikate hinausgehen. Und eine Empfehlung, die er allen Jugendlichen mitgibt: &bdquo;Beschäftigt euch mit Künstlicher Intelligenz. Das ist die Zukunft.“ &bdquo;Berufs-Reisen“ sollen Schüler motivieren Zudem könnte der Schüler auf der Plattform an einem Text-Adventure-Game teilnehmen. Bei Finn würde das dann so aussehen: Nachdem die KI die Daten von ihm analysiert hat, kann sie eine fiktive Geschichte schreiben, in der er sich an seinem späteren Arbeitsplatz befindet. Sie beschreibt, wie Finn morgens die Kollegen begrüßt, wie sein Schreibtisch aussieht und welche Aufgaben er an dem Tag erlebt. Der Jugendliche erlebt seine Berufs-Reise in selbst bestimmtem Tempo. Das soll Spaß machen und der Schüler soll motiviert werden, sich weiterhin mit der Berufsorientierung zu beschäftigen, so die Gründer. &bdquo;Was es aber natürlich immer braucht, ist Praxis“, sagt Grotemeyer. Wenn der Schüler sich dann einen Ausbildungsberuf auf der Plattform angesehen hat und ihn durchgespielt hat, bekommt das Unternehmen eine Mitteilung. Passt es auf beiden Seiten, kann Kontakt aufgenommen werden und vielleicht zunächst ein Termin für ein Praktikum gemacht werden. Da aber bekannt ist, dass die Generation Z nicht so gerne telefoniert, soll die Kontaktaufnahme variantenreich werden. &bdquo;Soweit sind wir in der Entwicklung noch nicht“, erklärt Mit-Gründer Peterk. Man müsste evaluieren, wie die Kommunikation untereinander niederschwellig stattfinden könne. Vorstellbar wäre ein KI-Chat-Modul, per Mail, oder auch über Video. 2030 wird es eine Lücke von drei Millionen Arbeitskräften geben Auch Informationen der Unternehmen müssten zuvor in das Tool eingespeist werden. Welche Weiterentwicklungen sind ausgehend von der Azubistelle möglich? Wie kann ich die Karriereleiter aufsteigen und wie schnell? Wie sieht mein Arbeitsalltag aus? Kann ich reisen? Und natürlich: Was verdiene ich in dem Beruf? Zusätzlich zu der Kontaktmöglichkeit wollen die Start-Up-Gründer Unternehmen unter anderem bei den Stellenausschreibungen unterstützen. Quasi ein Rundum-Paket für das Anwerben neuer Azubis. Bei der Analyse des Marktes habe sich klar herauskristallisiert, dass es für Unternehmen immer schwieriger werde, passende Azubis zu finden. &bdquo;Unternehmer, die jetzt nichts ändern wollen, sterben aus“, stellt Grotemeyer klar. 2030 werden acht Millionen Menschen deutschlandweit in den Ruhestand gehen. Auf die acht Millionen Rentner kommen aber nur fünf Millionen Azubis. &bdquo;Das ergibt eine Lücke von drei Millionen Arbeitskräften“, resümiert Peterk. Schon heute sei es so, dass wenn alle Schüler deutschlandweit einen Ausbildungsplatz hätten, nur 87 Prozent aller Stellen besetzt sein würden. Der Markt werde sich dahin gehend immer mehr verändern. Bereits in zehn Jahren wird die Generation Z 30 Prozent des Arbeitsmarktes ausmachen, so die Gründer. Wenn Finn also demnächst die Möglichkeit bekommen sollte, seine Berufs-Reise auf dem Smartphone, das er sowieso 24 Stunden am Tag bei sich trägt, durchzuspielen, könnte es ihm bei seiner Suche nach dem Job fürs Leben helfen. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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