Fake-Shop im Internet verwendet Adresse von Minden-Lübbecker

Minden. Hans-Dieter Parys steht in seiner Einfahrt und kann nicht glauben, was er gerade zum ersten Mal hört. Er wohnt zusammen mit seiner Ehefrau Karin und den zwei Hunden in der beschaulichen Weststraße in Kutenhausen. Vort dort aus betreibt er eine kleine Spedition. Diese ist in einem Gebäude auf dem Grundstück untergebracht, im zweiten Haus wohnen die Parys'. Und von dort aus werden offenbar auch allerlei Autoreifen im Internet angeboten - zumindest wenn man der Seite "heim-reifen.com" Glauben schenkt. Ein gewisser Tim Heim will von hier aus die Firma TH Reifenversand GmbH betreiben. "Noch nie von gehört", sagt Hans-Dieter Parys und zeigt auf den vermeintlichen Firmensitz, sein Privathaus: "Da gibt es viel, aber keine Reifen." So wie dem Kutenhauser geht es etlichen Menschen in Deutschland. Sogenannte Fake-Shops gibt es im Internet wie Sand am Meer. Die Geschäfte bieten unterschiedlichste Konsumgüter an - und das meist zu einem vermeintlichen Schnäppchenpreis. Das Problem dabei: Die Waren gibt es erstens gar nicht und zweitens werden sie auch niemals ausgeliefert. In dem konkreten Fall von "heim-reifen.com" werden auf der professionell gestalteten Homepage mehrere Hundert Autoreifen angeboten. Die Inserate sind mit allen Eigenschaften des Produkts sowie länglichen Beschreibungstexten versehen. Es gibt ein Impressum sowie Allgemeine Geschäftsbedingungen. Dem ersten Anschein nach sieht alles seriös aus, hier waren offenbar Profis am Werk. Bei einem genauen Blick auf die Angebote sollten bei den Kaufinteressenten jedoch die Alarmglocken schrillen. Nahezu alle Reifen sind deutlich günstiger als der nächstbessere Preis im Internet. So bietet der Fake-Shop einen Bridgestone Winterreifen für 179 Euro an. Als UVP des Herstellers werden 275 Euro angegeben. Das Problem dabei: Im besten - und seriösen - Fall ist dieser Reifen online für 314 Euro zu bekommen, der Listenpreis liegt sogar bei 597,50 Euro. Christina Krüger leitet die Verbraucherzentrale in Minden. Sie rät, sich die virtuellen Shops genauer anzusehen. "Stutzig sollte man werden, wenn mit Dumpingpreisen geworben wird." Im Jahresbericht warnt die heimische Verbraucherzentrale vor allem vor Angeboten des Saisongeschäfts wie etwa Trikots zur Fußball-WM, Spielzeug und Gaming-Zubehör in der Vorweihnachtszeit, Solaranlagen oder Brennholz in der Energiekrise. "Zudem lockten die Fakeshops vielfach zum Kauf von aktuell gefragten Produkten, die andernorts ausverkauft oder angesichts ungewisser Lieferzeiten erst nach monatelangem Warten zu bekommen waren", heißt es. Darüber hinaus gibt es noch einen klaren Hinweis, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen könnte: die Bezahlung per Vorkasse. So wirbt der vermeintliche Mindener Reifenhandel zwar mit der Zahlung auf Rechnung oder gegen Gebühr per Nachnahme nach Lieferung, doch beim Bestellprozess ist dies später nicht mehr möglich. Diese beiden Varianten sind ausgegraut und nur die Option Vorkasse wählbar. Das ist fatal, wie Krüger weiß: &bdquo;Es ist dann quasi unmöglich, sich das Geld zurückzuholen.“ "Ich verstehe nicht, wie man sich Reifen im Internet kaufen kann", sagt unterdessen Hans-Dieter Parys. Generell ist er kein Freund vom Online-Shopping und damit zumindest als Verbraucher vor digitalem Betrug geschützt. Dass die Betreiber des Reifen-Shops gerade seine Anschrift genutzt haben, kann er sich nicht erklären. "Hier war aber auch noch niemand und hat seine bestellten Reifen eingefordert", sagt Parys mit einem Lachen. Er werde auch nicht weiter dagegen vorgehen, zumal lediglich seine Adresse und nicht sein Name oder die Telefonnummer genutzt worden ist. In diesem Fall gibt es im Impressum eine Rufnummer mit Mindener Vorwahl, doch diese ist nicht vergeben. Was auch auffällt: Die vermeintliche Firma ist beim Amtsgericht Siegburg (Rhein-Sieg-Kreis) und nicht wie üblich in Bad Oeynhausen gelistet. Damit Verbraucher möglichst sicher im Internet einkaufen gehen können, bietet die Verbraucherzentrale seit etwa zwei Jahren einen kostenlosen Service an - den Fake-Shop-Finder. Dort kann man die URL des Shops, bei dem man online einkaufen möchte, eingeben und so überprüfen, ob dieser seriös ist. Ein Ampelsystem gibt anhand mehrerer Anhaltspunkte Aufschluss und dem Nutzer eine Einschätzung, listet wichtige Fakeshop-Anzeichen sowie technische Merkmale auf. Im Falle des vermeintlichen Mindener Reifenhandels heißt es unter anderem: "Zu diesem Shop liegen mehrere Anzeichen für einen Fakeshop vor. Die automatisch extrahierte Umsatzsteuer-ID scheint nicht korrekt zu sein. Es wurden zwar Impressumsdaten gefunden, diese könnten aber falsch sein." So solle man im Zweifel die Adressdaten auf Karten oder ähnlichen Verzeichnissen überprüfen oder die angegebene Telefonnummer kontaktieren. Außerdem verweist die Verbraucherzentrale unter anderem auf die Homepage "auktionshilfe.info", auf der zahlreiche Fakeshops aufgelistet werden. Auf der Seite sind auch mindestens zehn Fälle aus Minden und Umgebung zu finden. So firmiert ein angeblicher Händler für Goldbarren beispielsweise in der Mindener Königstraße oder ein Elektrofachmarkt in der Friedrich-Wilhelm-Straße. Ebenso wie der Reifen-Fakeshop sind die Kontaktdaten allesamt frei erfunden. Die meisten dieser Seiten sind inzwischen - im Gegensatz zum Reifenhandel - nicht mehr online und entsprechend entlarvt worden, wie etwa die Homepage dein-musikhaus.de. Hier sind die Betrüger jedoch besonders dreist vorgegangen, wie sich Matthias Wilcek erinnert. Er führt das Musikhaus Wilcek im Petershäger Ortsteil Döhren, das auch einen Internetauftritt hat. Von diesem scheinen die Kriminellen das gesamte Impressum sowie die korrekte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer geklaut haben. "Wir sind damals von Kunden darauf aufmerksam gemacht worden", erinnert er sich. Ende 2018, Anfang 2019 sei das gewesen. Er habe den Kunden mitgeteilt, dass die eigene Firma nichts mit den Machenschaften auf "dein-musikhaus.de" zu tun habe und zudem Anzeige bei der Polizei erstattet. "Nach ein paar Wochen war die Seite dann wieder offline. Es kam heraus, dass der oder die Betreiber offenbar aus den USA stammen", sagt Wilcek. Was letztlich bei den Ermittlungen herausgekommen ist, weiß der Petershäger nicht: "Wir hatten seitdem jedenfalls keine Probleme mehr." Polizei empfiehlt mehrere Vorsichtsmaßnahmen Und was sagt die Polizei zu dem Thema? "Im vergangenen Jahr ließen sich für unsere Behörde 24 Fälle von Waren- und Computerbetrug im Zusammenhang mit Fake-Shops recherchieren", sagt Pressesprecher Thomas Bensch auf MT-Nachfrage. Bei einem Blick auf die bisherigen Zahlen in diesem Jahr sei eine gleichbleibende Tendenz zu erkennen. Die Bandbreite der angebotenen Waren ist vielfältig. "Hierbei wurden online Waren wie Kühlschränke, Wäschetrockner, Küchengeräte und Werkzeuge geordert. Aber auch ein Räucherofen, Solarmodule und Heizöl sind per Internet bestellt worden", zählt Bensch auf. Zum Teil wurde die Ware komplett bezahlt, ansonsten wurden zumindest Anzahlungen geleistet.Um die Gefahr zu minimieren, auf einen Fake-Shop hereinzufallen, empfiehlt die Polizei mehrere Vorsichtsmaßnahmen. So sind Betreiber von Online-Shops verpflichtet, auf ihrer Internetseite unter anderem den Firmennamen, die geografische Adresse und eine E-Mail-Adresse, also das Impressum, anzugeben. "Prüfen Sie vor dem ersten Kauf den Ruf des Unternehmens. Bewertungen anderer Nutzerinnen und Nutzer helfen dabei, doch auch diese sollte man kritisch lesen", heißt es von Bensch. Außerdem könne man, wenn der Shop ein Gütesiegel verwendet, durch einen Mausklick auf das Siegelemblem überprüfen, ob der Online-Shop es rechtmäßig verwendet. Wie auch die Verbraucherzentralen verweist die hiesige Polizei auf sichere Zahlungsmethoden: "Am sichersten ist die Bezahlung nach Erhalt einer Rechnung oder die Erteilung einer Einzugsermächtigung. Zahlen Sie nie mit Vorkasse!"

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