Tödliche Gefahr durch „Blue Punisher“: Ecstasy-Konsumenten berichten, Experten warnen

Kreis Minden-Lübbecke. Ein warmes Kribbeln durchläuft den Körper. Die Pupillen weiten sich und die Welt wird eine bessere. So beschreiben Konsumenten die Wirkung von bunten Ecstasy-Pillen. &bdquo;Es fühlt sich an, als ob man die ganze Welt liebt - einfach alles und jeden.“ Es sei ein berauschendes Gefühl voller Glück und Leichtigkeit, sagt ein Schüler aus Minden über seine Ecstasy-Trips. Die verheerenden Gesundheitsrisiken, die die Party-Droge mit sich bringt, blende er aus. Was die Droge alles anrichten kann, zeigen jüngste Fälle. Ein 13-jähriges Mädchen in Mecklenburg-Vorpommern, eine 15-Jährige in Brandenburg und eine 18-jährige Frau in Halle starben in diesem Sommer an den Folgen des Konsums. Sie sollen die hoch dosierte Ecstasy-Pille &bdquo;Blue Punisher" zu sich genommen haben. Sie ist gerade im Umlauf, auch in Ostwestfalen-Lippe. So schnappte die Polizei einen Dealer in Paderborn, der die blauen Pillen dabei hatte. Polizeisprecher Nils Schröder sagt, dass diese speziellen Tabletten im Kreis Minden-Lübbecke bislang nicht sichergestellt worden seien und es keine polizeilichen Feststellungen dazu gegeben habe. Das Klinikum Minden habe bislang ebenfalls keine Geschädigten registriert. Doch das heißt nichts. Nach Informationen des Mindener Tageblatts werden die Pillen seit zwei Jahren auch in Minden verkauft. Und Konsumenten wie der Schüler aus Minden kennen häufig sogar die möglichen Risiken. Sie hindern den 16-Jährigen aber nicht an der regelmäßigen Einnahme. Seine Familie wisse davon nichts, nur der engste Freundeskreis sei eingeweiht. Deshalb möchte er anonym bleiben, seinen genauen Wohnort nicht nennen und auch seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. &bdquo;Ich will keinen Ärger“, sagt der Jugendliche. "Ich will keinen Ärger", sagt der Jugendliche Das erste Mal habe er die Partydroge im Alter von 15 Jahren ausprobiert. Seitdem nehme er die Ecstasy-Pillen &bdquo;immer, wenn sich die Gelegenheit bietet“. Gelegenheiten, das seien beispielsweise Partys oder ein Beisammensein mit Freunden. Er konsumiere nur in Gesellschaft und halte sich dabei an sogenannte &bdquo;Safer-Use“-Regeln, betont er in einem Telefonat mit dem Mindener Tageblatt. Das sind einige Sicherheitsvorkehrungen, die den Konsum möglichst risikoarm gestalten sollen - unter anderem gehören dazu Verhaltensregeln. Demnach sollen beispielsweise Tanzpausen auf Partys eingelegt, ein Mischkonsum vermieden und genügend Wasser getrunken werden. Ein sogenannter &bdquo;Trip-Sitter", also eine Person, die nüchtern bleibt und in Gefahrensituationen wie bei einer Überdosis direkt Hilfe rufen kann, sei häufig auch dabei. &bdquo;Ich mache außerdem dreimonatige Pausen, bevor ich wieder Ecstasy nehme“, erklärt der 16-Jährige. So wolle er vermeiden, dass sich die Substanzen langfristig auf seine Organe oder seine Leistungsfähigkeit auswirken. Bedenken, dass der Konsum gesundheitliche Risiken mit sich bringen könne, habe er nicht. Auch die zahlreichen Medienberichte über den Tod der Jugendlichen, die die Ecstasy-Pille &bdquo;Blue Punisher“ geschluckt haben, verunsichern ihn wenig. Die Pillen, die offenbar eine sehr hohe MDMA-Konzentration haben und damit besonders gefährlich sind, sollen seines Wissens nach auch im Kreis Minden-Lübbecke im Umlauf sein. Die Pillen gelten als "Taschengeld-Drogen" Informationen zufolge haben Dealer neben dem ZOB vor allem die hiesigen Berufskollegs im Auge - etwa das Leo-Sympher und das Freiherr-vom-Stein. Die Pillen sollen erschwinglich sein, maximal zehn Euro kosten und entsprechend als Taschengeld-Droge gelten. Den Schulleitern der Berufskollegs, Carsten Mittelberg und Knut Engels, sind keine Fälle von Verkäufen bekannt. Das erklären die beiden in einer gemeinsamen Stellungnahme. &bdquo;Fremde Personen werden während des laufenden Schulbetriebs grundsätzlich vom Schulgelände verwiesen." Die Schulleiter räumen aber auch ein, dass &bdquo;über Vorkommnisse außerhalb des Schulhofs keine Angaben" gemacht werden können. Die &bdquo;Blue Punisher" ist aber ohnehin verhältnismäßig neu auf dem Markt. Es ist unklar, ob die Pille schon vor Beginn der Sommerferien überhaupt Mindens Schulen erreicht hat. Sie lässt sich übrigens an einem Totenkopf-Symbol erkennen. So ein Merkmal weist längst nicht jede Droge auf. Dabei kann je nach Pille vor allem die Wirkstoffkonzentration stark variieren. Deshalb wünscht sich der 16-Jährige, dass es Drug-Checking, wie in Berlin, künftig auch im Mühlenkreis gibt. Das ist ein kostenloses Angebot, das die chemische Analyse von Substanzen und eine anonyme Beratung beinhaltet. Ziel ist es, damit die Konsumenten vor besonders gesundheitsschädlichen Präparaten zu warnen, die Risiken beim Konsum zu vermindern und Konsumkompetenz zu fördern. Zahlreiche Ärztevertreter und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) haben sich bereits dafür ausgesprochen. Denn wie hoch die tatsächliche MDMA-Wirkstoffkonzentration in den Pillen sei, wäre häufig unklar - und da besteht die Gefahr. Davor warnt auch die Drogenberatungsstelle des Kreises Minden-Lübbecke. &bdquo;Egal, wie sehr vom Dealer beteuert wird, wie rein der Stoff oder wie wirkungsvoll die Pille ist: Gerade bei synthetisch hergestellten Drogen weiß weder der Verkäufer noch der Konsument, was genau in der Ecstasy-Pille ist und wie sie hergestellt wurde – selbst dann nicht, wenn sie gleiche oder ähnliche Prägungen haben", erklärt Kreis-Pressesprecherin Sabine Ohnesorge. Zudem sei immer völlig unklar, wie die Zusammensetzung der Wirkstoffe am Tag der Einnahme auf den Konsumenten wirken. &bdquo;Wie die Wirkung erlebt wird, hängt von vielen Faktoren ab - wie der Umgebung, der Stimmung, der körperlichen Konstitution oder der Erwartung der konsumierenden Person", so Ohnesorge. Ecstasy ist in bestimmten Szenen stark verbreitet Die Drogenberatungsstelle stellt aber klar, dass der Ecstasy-Konsum von jungen Menschen aktuell kein Trend sei. Erstmals seien die Pillen im Jahr 1914 synthetisiert worden. &bdquo;Aufgrund des offensichtlicher werdenden Suchtpotenzials und der Zunahme akuter Vergiftungserscheinungen wurden Amphetaminpräparate weltweit zunehmend eingeschränkt und sind in Deutschland heutzutage illegal." Mit dieser Einschränkung des legalen Handels habe sich ein illegaler Markt entwickelt, der in Verbindung mit der Partykultur der 90er-Jahre stark zunahm. Damals wie heute seien Ecstasy-Pillen in bestimmten Szenen stark verbreitet. &bdquo;Das ist keine neue Erkenntnis und auch kein neuer Trend. Dennoch ist die zum Teil anscheinend starke Steigerung der Wirkstoffe und die weiterhin völlig unklare Zusammensetzung der Wirk- und Streckstoffe gerade bei den illegalen synthetischen Drogen das Gefährliche", so Sabine Ohnesorge weiter. Generell würde der Körper beim Ecstasy-Konsum ein Vielfaches mehr Serotonin, also ein Glücksgefühle auslösendes Hormon, ausschütten. Zudem steigere Ecstasy den Antrieb des Konsumenten, der sich anschließend kommunikativer und selbstbewusster fühle. &bdquo;Konsumierende beschreiben angenehme Verhaltens- und Gefühlsänderungen - Sinnesreize werden verstärkt und als besonders schön erlebt, ein Gefühl der Liebe für andere Menschen breitet sich aus, Ängste werden gemindert", zählt die Pressesprecherin auf. Aber: Befindet sich die Ecstasy konsumierende Person in einer negativen Grundstimmung, können unangenehme Gefühle und Sinneseindrücke auftreten. &bdquo;Ängste und Unsicherheit werden verstärkt, Depressionen können ausgelöst und Wahrnehmungen können zum Horrortrip werden", warnt Sabine Ohnesorge. Ecstasy beeinflusse die körperlichen Funktionen, das Denken sowie die Wahrnehmung der Umgebung. &bdquo;Die eigentliche Wirkung ist - wie bereits erwähnt - stark von individuellen Faktoren abhängig." Ecstasy konsumierende Personen seien nach dem Abklingen der Wirkung meist erschöpft, deprimiert und leiden unter Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwäche. Nebenwirkungen beim Konsum von Ecstasy seien zudem stark dosisabhängig. Bei andauernder Einnahme der Droge könne es zu einem risikoreichen Konsummuster des Nachlegens oder des Gebrauchs anderer Substanzen kommen. Auch das könne im Endeffekt lebensbedrohlich sein. Eine solche, schlechte Erfahrung mit den Pillen hat eine junge Frau aus Minden gebraucht, um damit aufzuhören. Dreimal hat die heute 22-Jährige die Droge genommen. Auch sie war 15 Jahre alt, als sie Ecstasy das erste Mal probierte. Freunde hätten die Pillen organisiert, woher die Drogen stammten, wusste sie nicht. Sie erinnert sich heute mit gemischten Gefühlen an ihre Trips zurück und möchte anonym bleiben - aus beruflichen Gründen. Finger im Rausch zerkaut Zwar habe sie der &bdquo;Endorphin-Kick“ gereizt, aber an dem Tag nach dem Konsum sei sie mental in ein tiefes Loch gefallen. &bdquo;Nicht nur körperlich nimmt einen die Droge mit. Am Tag danach war es so, als ob jegliches Glücksgefühl verbraucht ist. Ich habe mich leer gefühlt,“ sagt die Mindenerin heute. Auch habe sie Nebenwirkungen gehabt, wie Schlaflosigkeit und Kieferkrämpfe. Sie habe bei einem Trip so sehr auf ihrem Zeigefinger herumgekaut, dass dieser übersät mit Bissspuren war und grün und blau anlief. &bdquo;Ich habe das allerdings in dem Moment gar nicht als schmerzhaft wahrgenommen. Das war erschreckend.“ Seitdem habe sie die Finger von Ecstasy gelassen. Egal, ob &bdquo;normales" Ecstasy oder die &bdquo;Blue Punisher": Die Kreispolizeibehörde warnt vor jeglicher Einnahme berauschender Substanzen und ausdrücklich vor den kursierenden Totenkopf-Pillen. &bdquo;Die Polizei bittet Erziehungsberechtigte und Angehörige darum, Kinder und Jugendliche zu den Gefahren und möglichen schweren gesundheitlichen Folgen aufzuklären und diesbezüglich zu sensibilisieren", sagt Sprecher Nils Schröder. Zudem weist die Polizei daraufhin, dass der Besitz und der Erwerb von Drogen nach dem Betäubungsmittelgesetz strafbar seien. So schreibt das Gesetz vor, dass das unerlaubte Erwerben von Betäubungsmitteln mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet wird.

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