Polizei sichtet Datenmassen Mutmaßlich heimliche Aufnahmen: Mindener Lehrer bekommt weiter Gehalt

Hille/Minden. Der Fall eines Mindener Lehrers, der mutmaßlich etliche Kinder und Jugendliche in seiner Privatwohnung heimlich gefilmt haben soll, beschäftigt weiter die Ermittlungsbehörden. Jahrelang hatte sich der 35-Jährige um Kinder und Jugendliche gekümmert. Er lud sie zu DVD- oder Spieleabenden ein, leitete in Hille die CVJM-Ferienspiele. Im Januar hatte die Polizei Privatwohnung und Arbeitsplatz des gebürtigen Hillers durchsucht und Beweismaterial beschlagnahmt. Der Mann steht im Verdacht, Kinder beim Toilettengang und unter der Dusche heimlich gefilmt zu haben. Die Betroffenen sollen vor allem aus dem kirchlichen Umfeld aus Hille, aber auch aus dem schulischen in Minden stammen. Wie ist fast fünf Monate später der Stand der Dinge? "Es geht um den Verdacht der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen", erklärt der Bielefelder Staatsanwalt und Pressesprecher Philipp Kalbertodt. Deshalb müsse sich der Mann möglicherweise vor Gericht verantworten. Wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten, kann eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren verhängt werden. "Im Moment laufen weiterhin die Auswertungen der Dinge, die bei den Durchsuchungen sichergestellt worden sind", sagt Staatsanwältin Claudia Bosse im Gespräch zum aktuellen Stand. "Wenn dabei nichts gefunden wird, kann er nicht angeklagt werden", so Bosse. Dabei umreißt die Staatsanwältin, dass es sich bei den sichergestellten Objekten unter anderem um Sim-Karten, Laptops und Speichermedien handelt. "Die Beamten schnappen sich da alles, was sie kriegen können", beschreibt Bosse die Situation bei Durchsuchungen. Da es sich oft um extrem große Datenmengen und zahlreiche Dokumente handelt, sei immer schwer einzuschätzen, wie lange die Sichtung dauert. "Es gibt kinderpornografische Fälle, wo teilweise Monate bis Jahre vergehen, bis ein Verfahren läuft", erklärt die erfahrene Staatsanwältin, fügt aber an: "Ich hoffe, dass es in diesem Fall schneller geht." Das hänge letztlich von der Polizei ab - und wie schnell sie vorankommt. "Wir setzen für solche Fälle Ermittler ein, die sich nur damit beschäftigten", sagt Polizeipressesprecher Thomas Bensch. Große Datenmengen und ausgeklügelte Verschlüsselung "Wir sind noch nicht fertig mit den Ermittlungen", erklärt er. Ein Abschluss sei derzeit noch nicht abzusehen. Denn bei dem gefundenen Material handle es sich um sehr große Datenmengen, die zudem teils ausgeklügelt verschlüsselt seien. "Es ist eine sehr komplizierte und vor allem zeitaufwendige Aufgabe", sagt Bensch. So müsse mit höchster Sorgfalt vorgegangen werden, um alle Beweismaterialien zu sichern und gleichzeitig nicht zu beschädigen. Neben der Datensichtung gab es seit Januar etliche Zeugenvernehmungen. Laut Informationen des "Mindener Tageblatts" (MT) sollen mehr als 50 Kinder und Jugendliche betroffen sein. Auch deshalb soll der Kreis der Ermittler erweitert worden sein. "Ob die Vernehmungen schon abgeschlossen sind, kann ich nicht sagen. Die Ermittlungen dauern auf jeden Fall noch an", so Bosse viereinhalb Monate nach den beiden Razzien in Minden. Der Anwalt des Beschuldigten habe inzwischen Akteneinsicht beantragt, jedoch selbst keine Angaben zu den Vorwürfen gemacht. "Das ist üblich", betont die Staatsanwältin. "Freigestellte Lehrer bekommen weierhin Gehalt" Bei dem Lehrer handelt es sich nach gesicherten MT-Information um einen Beamten. Er ist demnach im April 2020 verbeamtet worden. Laut der Bezirksregierung Detmold ist der 35-Jährige weiterhin nicht im Dienst. Details gibt die Behörde aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht bekannt. Ganz generell heißt es jedoch von einem Sprecher: "Lehrkräfte, die vom Dienst freigestellt sind, bekommen während der Dauer der Freistellung weiterhin Gehalt." Während der Freistellung seien laut Bezirksregierung jedoch dienstrechtliche Maßnahmen zu prüfen. Bei Lehrkräften im Beamtenverhältnis könnten Disziplinarmaßnahmen verhängt werden. Dazu gehört: Verweis, Geldbuße, Kürzung der Dienstbezüge, Zurückstufung und Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Ob einer der Möglichkeiten bei dem Betroffenen zum Tragen gekommen ist, bleibt unklar. "Wird ein Disziplinarverfahren eingeleitet mit dem Ziel, die Beamtin oder den Beamten aus dem Dienst zu entfernen, so kann der Dienstherr nach der Einleitung des Verfahrens Gehaltskürzungen vornehmen", erklärt der Sprecher ohne auf den aktuellen Fall einzugehen. Der Verlust des Beamtenstatus hängt letztlich davon ab, ob der Beamte die Straftat fahrlässig oder vorsätzlich begangen hat. So gilt, dass nur bei einer vorsätzlichen Straftat der Beamtenstatus aufgehoben werden kann, während eine fahrlässige Tat den Status unberührt lässt. Bei einer Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr - und sei es auf Bewährung -, verlieren Betroffene mit Rechtskraft des Urteils automatisch ihren Beamtenstatus. Dann gehen auch alle Rechte auf Besoldung und Versorgung unter. Diese Variante ist bei dem gebürtigen Hiller durchaus möglich, da der mutmaßlich in Frage kommende Straftatbestand eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vorsieht. Mindener Schule steht vor Dilemma Für die betroffene Schule in Minden gleicht die Freistellung des Lehrers nach Informationen des "Mindener Tageblatts" einem Dilemma. Der Mann ist seit bald fünf Monaten nicht mehr im Dienst, nimmt jedoch im Stellenplan weiterhin einen vollen Platz ein. Das sorgt in Kombination mit weiteren langfristigen Ausfällen dafür, dass die Schule erforderlichen Personalersatz nicht genehmigt bekommt. Wie die Bezirksregierung auf Anfrage erklärt, steht sie im engen Kontakt mit der Schule und unterstützt sie bei der Bewältigung der Situation. So sei ein reguläres und zeitlich begrenztes Hinzuziehen von Schulpsychologen auch in diesem Fall erfolgt.

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