Aus nach 33 Jahren: Hebammenschule in Minden-Lübbecke schließt

Minden. Die &bdquo;Examensgeburt“ war eine schnelle Sache: Nach 40 Minuten im Kreißsaal war das Baby auf der Welt und Leonie Rutenkröger hatte Teile ihrer praktischen Prüfung abgelegt. &bdquo;Das lief ganz entspannt ab“, erinnert sich die Hebammenschülerin. Nur als die Herztöne des Kindes bedenklich wurden, wurde sie kurz unruhig, motivierte die Mutter nochmal und nahm kurz darauf ein gesundes Kind in Empfang. Aber: &bdquo;Ich hatte von Anfang an ein gutes Bauchgefühl. Das lernt man mit der Zeit“, meint die 26-Jährige. &bdquo;Das nennt man kompetente Wahrnehmung“, korrigiert Martina Höfel, Leiterin der Hebammenschule. Im März muss Rutenkröger ihre mündliche Prüfung absolvieren. Dann ist sie ausgebildete Hebamme. Mit ihr und ihren Kolleginnen verlässt der letzte Jahrgang die Hebammenschule an der Johansenstraße: Die Einrichtung schließt nach mehr als 30 Jahren. Künftig ist ein duales Studium Voraussetzung für die berufliche Tätigkeit. Seit dem Wintersemester 2021/22 wird der Studiengang &bdquo;Angewandte Hebammenwissenschaften“ an der Fachhochschule Bielefeld angeboten, die Mühlenkreiskliniken (MKK) sind Kooperationspartner für den praktischen Teil. Rund 60 Studienplätze gibt es. Die MKK gehen mit 20 Studierenden – bislang sind es nur Frauen – einen Vertrag ein. Auch an der Hebammenschule waren es bislang rund 20 Auszubildende. Versorgungslücke befürchtet Ob der Studiengang in die Region kommt und die MKK mit ihren drei Kreißsälen in Minden, Lübbecke und Bad Oeynhausen berücksichtigt werden, stand lange nicht fest. Die Sorge, künftig nicht mehr genügend Hebammen zu haben, war dementsprechend groß – denn über die eigene Ausbildungsstätte an der Akademie für Gesundheitsberufe blieb den MKK immer ein Großteil der Absolventinnen erhalten. An der Hebammenschule startete bislang alle drei Jahre ein neuer Ausbildungsgang, aus Sorge vor Nachwuchsmangel wurde zum Ende noch ein weiterer eingeschoben. &bdquo;Wir wollten für zwei bis drei Jahre gut aufgestellt sein“, sagt Martina Höfel. Sie begleitet die Geschichte der 1990 gegründeten Einrichtung von Anfang an. &bdquo;Ich war im ersten Kurs und ich schließe hier ab.“ Leihhebammen unterstützen Personal Gegründet wurde die Hebammenschule, nachdem es 1988 einen &bdquo;eklatanten Hebammenmangel“ gab, erinnert sich Höfel. Bis dahin habe es nur eine Hebammenschule in Paderborn für den Regierungsbezirk Detmold gegeben. Kurz bevor die Mindener Einrichtung eröffnete, fiel die Mauer und es gab reichlich Personal auf dem Markt. Heute sei der wieder leer gefegt und die Babyboomer gingen nun in Rente, sagt die 65-Jährige. Auch die MKK merken den Fachkräftemangel, vergangenen Mai musste der Kreißsaal im Johannes-Wesling-Klinikum in Minden vorübergehend schließen, weil Mitarbeiterinnen ausfielen und das nicht kompensiert werden konnte. Mittlerweile sind neben 63 festangestellten – nicht alle in Vollzeit – auch Leihhebammen von Zeitarbeitsfirmen an den MKK im Einsatz. &bdquo;Wenn alles andere ausgeschöpft ist“, betont Pressesprecherin Irma Mujanovic. Der Vorstand müsse das aber genehmigen. Nie Zweifel an der Berufswahl &bdquo;Hebammen bleiben etwa drei bis vier Jahre“, weiß Höfel. Sie sieht den Grund für die Fluktuation in den Kreißsälen auch im veränderten Berufsalltag. &bdquo;Früher haben wir uns nur um die Frauen und Kinder gekümmert. Jetzt managen wir auch Sprechstunden und übernehmen artfremde Tätigkeiten.“ Auch unter den Hebammenschülerinnen waren die Anforderungen schon Thema, vor allem im Hinblick auf die Vereinbarkeit. &bdquo;Im Kurs haben wir uns auch darüber unterhalten, ob wir Kinder wollen und wenn ja, wie das mit dem Beruf funktioniert“, sagt Rutenkröger. Mit einem Drei-Schicht-System sei das kaum möglich. &bdquo;Man kann an der Struktur nichts ändern“, sagt sie. Das hat sie aber nie an ihrer Berufswahl zweifeln lassen. &bdquo;Es stellte sich nie die Frage, ob es das Falsche war.“ Rutenkröger hat eigentlich mal Soziologie studiert. &bdquo;Aber das war mir zu weit weg vom Menschen.“ Über ein Freiwilliges Soziales Jahr und ein Praktikum auf der Geburtsstation in Lübbecke kam sie dann schließlich zur Hebammenausbildung. Sie finde es toll, Frauen zeigen zu können, dass es schöne und gewaltfreie Geburten gebe. &bdquo;Und ich mag es, Frauen zu begleiten, sie über einen längeren Zeitraum zu sehen.“ Mit mehr Erfahrung könne sie sich vorstellen, sich als freie Hebamme selbstständig zu machen, erklärt Rutenkröger. Dann wäre aber auch sie nicht mehr im Kreißsaal tätig. Sechs Stunden Wehen mit verarbeiten Dass andere jetzt studieren, sie aber den Weg der Ausbildung gegangen ist, stört die 26-Jährige nicht. In ihr sieht sie sogar einen Vorteil: Der Praxisanteil sei höher. Zwei Drittel der Ausbildung fand in den Kliniken und bei freien Hebammen statt, die Theorie wurde an der Schule unterrichtet. &bdquo;Die Schülerinnen haben manchmal geflucht, weil sie sechs Stunden am Bett einer Frau sitzen und Wehen mit verarbeiten mussten. Aber nur so merken sie, wie die sich verändern“, erklärt Martina Höfel. Und so gehörte zum praktischen Teil auch, dass Rutenkröger in den letzten Wochen geschätzt 20 Geburten alleine betreut hat – natürlich immer nach Rücksprache mit einer Hebamme. &bdquo;Sie muss ja in sechs Wochen alleine im Kreißsaal stehen“, erklärt Höfel. Im Studium ist Praxisanteil geringer Die Studienabsolventinnen hingegen würden etwa ein Jahr brauchen, bis sie die Puzzleteile aus Theorie und Praxis miteinander verknüpft hätten, schätzt sie. Im Studium liege der jeweilige Anteil bei 50 Prozent. &bdquo;Im Kreißsaal ist es bemerkenswert, wie weit die anderen in der Theorie sind“, hat Rutenkröger bei den Studentinnen beobachtet. Ihr Eindruck ist aber auch, dass im Studium der praktische Teil mit viel Papierkram verbunden sei und die Abläufe im Krankenhaus zerstückelter vermittelt würden. Die Hebammenschülerinnen hätten hingegen immer eine erfahrene Kollegin bei allen Schritten begleitet. &bdquo;Es ist einfach anders“, fügt Martina Höfel mit Blick auf das Studium hinzu, bei dem die Fachhochschule die Hoheit habe. Manches müsse sich erst einruckeln. So fehlten beispielsweise noch Praxisanleiterinnen, die eine bestimmte Qualifikationen haben, aber die Studentinnen teils begleiten müssten. Deutschland zog bei Studium spät nach Dennoch: Dass das Studium kommen würde und musste, war Höfel klar. &bdquo;Davon war schon die Rede, als ich meine Ausbildung machte.“ In der Praxis seien die ausgebildeten Hebammen top, aber es fehle die Theorie – die Ausbildung sei immerhin 1985 konzipiert worden. In anderen europäischen Ländern war zudem ein Studium längst vorgeschrieben, Deutschland zog aber erst 2019 nach. Nordrhein-Westfalen habe dann erst &bdquo;ganz spät“ Studienplätze ausgelobt, so Höfel. Leonie Rutenkröger wird nach dem Ende ihrer Ausbildung eine Stelle im Kreißsaal Lübbecke antreten, drei Viertel ihres Jahrgangs bleiben bei den MKK. &bdquo;Die Mädels haben richtig Bock“, sagt sie. Im Frühjahr 2025 sind dann die ersten studierten Hebammen fertig. Einen Unterschied beim Gehalt zwischen ihnen und den ehemaligen Hebammenschülerinnen soll es übrigens nicht geben. &bdquo;Alle werden nach Tarif bezahlt“, erklärt Irma Mujanovic. Bewerbungsfrist fürs Wintersemester läuft Interessierte können sich noch bis zum 28. Februar bei den MKK für einen Platz im Studiengang &bdquo;Angewandte Hebammenwissenschaften“ bewerben. Weitere Informationen gibt es auf www.muehlenkreiskliniken.de

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