Minden/Bielefeld. Die Nase zu groß, die Brüste zu klein, der Bauch zu dick und die Falten an der Augenpartie zu tief. Diese Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper scheint aktuell besonders hoch zu sein, denn immer mehr Menschen lassen vermeintliche Makel durch eine Schönheitsoperation beseitigen. Dass sich derzeit viele Menschen für plastische Eingriffe interessieren, liegt laut Dr. Onno Frerichs, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie in Bielefeld, auch an der Corona-Pandemie. Zwei Frauen aus Minden, die solche Operationen hinter sich haben, haben dem Mindener Tageblatt ihre Beweggründe geschildert und erzählt, wie es ihnen heute damit geht.
Maskenpflicht: Fokus auf der Augenpartie
Etwa 15 bis 20 Prozent mehr Eingriffe hat Frerichs im vergangenen Jahr durchgeführt. „2021 war innerhalb der vergangenen 26 Jahre das Jahr mit den meisten Behandlungen", berichtet der Chirurg. Besonders oft waren in den vergangenen Monaten nichtinvasive und minimalinvasive Eingriffe nachgefragt, also Faltenkorrekturen durch Botox oder aber Oberlidstraffungen. „Die habe ich so oft gemacht, wie noch nie." Frerichs führt das auch auf das Tragen von Masken zurück, wodurch die Aufmerksamkeit auf die Augenpartie gelenkt wird. „Das muss viele Leute zu einer Operation bewogen haben, anders kann ich mir das nicht erklären." Faltenunterspritzungen waren 2020 einer Auswertung der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) zu Folge sehr beliebt und machten mit 30 Prozent den größten Anteil aller durchgeführten Eingriffe aus. Dann folgten Botoxbehandlungen mit 24 Prozent.
Ein weiterer Effekt, der durch das Tragen von Masken ausgelöst worden ist, ist, dass Eingriffsfolgen gut zu verstecken sind – abgesehen von denen im Augenbereich. So verdeckt eine Maske zum Beispiel Schwellungen und blaue Flecken nach einer Lippen-OP. „Das spiegeln mir die Patienten auch so wieder, dass es momentan ja nicht so schlimm sei", meint Frerichs. Sicherlich hätten die Leute aufgrund ausgefallener Urlaube auch mehr Geld zur Verfügung gehabt.
Patientinnen zeigen Instagram-Fotos
Junge Frauen, die sich für eine Brustvergrößerung interessieren, würden mit genauen Vorstellungen in die Sprechstunde kommen und oftmals Instagram-Fotos zeigen, so Frerichs. „Das führt allerdings nur zu unrealistischen Erwartungshaltungen, die nicht erfüllt werden können. Jede Frau hat schließlich andere Bedingungen."
Der Chirurg setzt auf radikale Aufklärung, etappenweise informiert er über alle Risiken. „Wir müssen sie praktisch bis zum Tod aufklären. Denn bei kosmetischen Operationen gelten höhere Anforderungen bei der Aufklärung als bei allen anderen Operationen", erklärt Frerichs. Und das sei seiner Meinung nach auch gut und richtig so, denn junge Mädchen hätten teilweise Schwierigkeiten dabei, zu überblicken, was eine solche Operation langfristig bedeute.
So sind Brustimplantate nämlich keine lebenslange Lösung und müssen nach einigen Jahren ausgetauscht werden. Ganz im Gegensatz zu einer Brustvergrößerung durch Eigenfett, wofür sich laut Frerichs immer mehr Frauen entscheiden würden. Dabei wird durch eine Fettabsaugung überschüssiges Fett dem Körper entnommen und an den Brüsten wieder eingesetzt – meistens in mehreren Operationen. Gerade für jüngere Frauen sei diese Methode laut Frerichs gut geeignet, jedoch wollten diese oftmals eine schnelle Veränderung.
Das zeigt sich auch den Zahlen der DGÄPC: Mit 21,3 Prozent ist die Brustvergrößerung mit Implantaten der am häufigsten durchgeführte Eingriff bei Frauen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Dann folgen die Intimkorrektur (11,6 Prozent) und die Fettabsaugung (9,8 Prozent). Auf eine Brustvergrößerung durch Eigenfett entfallen nur 5,3 Prozent der Behandlungen.
Die Patientinnen müssen für eine Brustvergrößerung übrigens volljährig sein. Ausnahmen macht Frerichs nur bei Brustverkleinerungen, wenn beispielsweise Mädchen bereits mit 16 Jahren unter einer sehr großen Brust leiden. „Und auch nur dann, wenn beide Elternteile einer Operation zustimmen."
Mindenerin wünscht sich mehr Weiblichkeit
Auch zwei junge Frauen aus Minden haben sich für eine Brustvergrößerung mit Silikonimplantaten entschieden. Lisa F. (Name von der Redaktion geändert) beschreibt sich im Gespräch selbst als eine etwas fülligere und größere Frau, allerdings mit einer kleinen Brust. „Ich habe mir mehr Weiblichkeit gewünscht", nennt sie den Grund für ihre erste Operation vor sechs Jahren. Sie wollte gerne T-Shirts mit Ausschnitt tragen und zeigen, „dass man auch was hat". Vor der Operation hatte die 30-Jährige Körbchengröße A, jetzt ist es D. „Die Operation hat definitiv mein Leben verändert, ich bin seitdem viel selbstbewusster und kann mit meiner eigenen Nacktheit besser umgehen."
Im vergangenen Jahr schwankte ihr Gewicht jedoch stark, wodurch die Brust nicht mehr so straff war. Lisa F. entschied sich für eine zweite Operation: Bruststraffung und Implantatwechsel. Doch das war nicht alles, was sie Anfang 2022 ändern ließ. Während der Brustoperation hat Lisa F. eine Kinn-Verkleinerung durchführen lassen. „Ich hatte ein relativ langes und markantes Kinn. Als hätte ich einen kleinen Ball vorne auf dem Kinn". Das habe sie insbesondere auf Fotos sehr gestört.
Nach der zweiten Operation habe sie deutlich mehr gelitten, als nach der ersten. Die Brustimplantate wurden nämlich nicht wie bei der ersten Operation oberhalb des Brustmuskels eingesetzt, sondern darunter, wofür der Brustmuskel vom Brustkorb getrennt werden muss. „Ich hatte eine Woche lang extreme Schmerzen. Da kam mir öfter mal der Gedanken, dass ich die Operation doch besser nicht gemacht hätte", berichtet sie. Mittlerweile überwiegt die Freude über das Resultat, das ihr rund 20.000 Euro wert war. So hat sie 7.000 Euro für die erste Operation gezahlt und noch einmal 13.000 Euro für den zweiten Eingriff inklusive der Kinnkorrektur.
Die 30-Jährige geht offen damit um, dass sie sich die Brust hat vergrößern lassen. Da sie auch stark tätowiert ist, würden Freunde und Verwandte manchmal fragen „Und, was lässt du dieses Mal machen?" Grundsätzlich hätte ihr Umfeld sehr positiv reagiert und sie unterstützt.
OP durch Kredit finanziert
Ganz anders ist das bei Anna K. (Name von der Redaktion geändert). Auch sie hat sich durch Implantate ihre Brüste von Körbchengröße B auf D vergrößern lassen, doch davon wissen bislang nur ihre Schwester und wenige Freunde. Ihre Familie ist sehr religiös und würde einen solchen Eingriff nicht gutheißen, meint die 22-Jährige. „Als ich mir vor einigen Jahren ein Tattoo und Ohrlöcher stechen lassen habe, wurde ich sehr kritisiert", erzählt die Mindenerin. Ihre Familienangehörigen seien der Auffassung, dass man seinen Körper so lieben müsse, wie er sei. Auch das ist ein Grund, weshalb sie ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.
Jahrelang hat Anna K. Push-Up-BHs getragen, weshalb die Veränderung nun nicht direkt auffällt. Verändert hat sich aber ihr Selbstwertgefühl. „Ich habe jetzt endlich keine Komplexe mehr und mache mir keine Gedanken mehr über meine Brüste", sagt sie. 4.500 Euro hat sie das gekostet. Dafür hat sie einen Kredit aufgenommen.
Die Preise fallen übrigens sehr unterschiedlich aus. „Selbst in einer Stadt schwanken die Preis zum Teil um mehrere tausend Euro", sagt Dr. Onno Frerichs, der in Bielefeld praktiziert.
Paare kommen gemeinsam zur Botoxbehandlung
Interesse an Schönheitsoperationen haben inzwischen auch immer mehr Männer. Laut Frerichs seien derzeit besonders Gynäkomastie-Operationen gefragt. Bei diesem Eingriff wird die sogenannte Männerbrust entfernt beziehungsweise verkleinert. Laut einer DGÄPC-Auswertung ist eine Gynäkomastie-Operation der zweithäufigste Behandlungswunsch bei Männern. Mehr Interesse besteht einzig an Fettabsaugungen. Bei unter 30-Jährigen ist die Behandlung der Gynäkomastie der am häufigsten durchgeführte Eingriff. Aber auch Botoxbehandlungen und Hyaluronsäure-Unterspritzungen seien bei Männern keine Seltenheit mehr, weiß Frerichs aus Erfahrung. „Da habe ich teilweise Ehepaare, die zusammen zur Behandlung kommen."
Laut Statistiken verschiedener Verbände sind es dennoch überwiegend Frauen, die sich für die Schönheit operieren lassen. Ihr Anteil liegt einer DGÄPC-Auswertung zu Folge bei rund 88 Prozent.