Diese 20-Jährige will im Bundestag für die Benachteiligten kämpfen

Minden. Jule Kegels Herz hat früh begonnen, für andere Menschen zu schlagen, für sozial Schwächere. &bdquo;Mit 15 habe ich angefangen, bei der Mindener Tafel zu helfen", sagt die 20-Jährige. Da ist ihr soziales Gewissen nicht erst erwacht, aber der Blick für soziale Ungleichheit geschärft worden. &bdquo;Eines Tages bat ein Mann darum, doch drei Bananen zu bekommen und nicht nur zwei. Denn er hatte drei Kinder", blickt Jule Kegel auf das Schlüsselerlebnis zurück. Doch es waren keine drei Bananen mehr vorhanden. Sie war erschüttert. Dinge, die in vielen Familien mit Kindern eine Selbstverständlichkeit darstellen und für manche im Überfluss vorhanden sind, sind für andere Menschen selbst in einem reichen Land wie Deutschland nicht erschwinglich. Seither begleitet sie die Verteilungsproblematik in der Gesellschaft. Von der Tafel in die Politik &bdquo;Bei der Tafel habe ich viele interessante und nette Leute kennengelernt", sagt Jule Kegel über andere Helfer und Kunden der Tafel. Doch nach einem Jahr musste sie ihre Mitarbeit aufgeben, weil sie in die Oberstufe kam und sich beides zeitlich nicht mehr miteinander vereinbaren ließ. Aber sie wollte sich politisch engagieren – vor allem für Menschen mit geringem Einkommen. Bei ihrer Recherche im Internet nach den Inhalten und Profilen der politischen Parteien sei sie über eine Gruppe des Messaging-Dienstes Snapchat mit einem Jugendlichen aus Minden in Kontakt gekommen. &bdquo;Das war ein reiner Glücksfall", sagt sie. Denn der habe gefragt, ob sie mal zusammen zu einem Treffen der Linken gehen wollten. &bdquo;Gemeinsam haben wir uns getraut hinzugehen." Und weil sie sich sehr gut aufgenommen fühlte, blieb Jule Kegel dabei. &bdquo;2017 habe ich im Bundestagswahlkampf schon mitgeholfen zu plakatieren", sagt sie über ihre ersten Schritte parteipolitischer Kärrnerarbeit. Wenn sie davon erzählt, muss sie lachen: &bdquo;Hätte man mir damals gesagt, dass vier Jahre später mein Name auf dem Wahlzettel steht, hätte ich demjenigen wohl einen Vogel gezeigt." Konservativ passt nicht zu ihr Ein Vorbild aus ihrem persönlichen Umfeld für ihr politisches Engagement oder ein Idol der großen Politik oder aus der Weltgeschichte mag die junge Frau gar nicht benennen. Das Elternhaus war es jedenfalls nicht. &bdquo;Meinen Eltern war es relativ egal", sagt sie. &bdquo;Sie haben nicht versucht, mich in eine politische Richtung zu drängen." Verwunderung löste ihr Schritt schon aus. &bdquo;Die Vorbehalte sind aber ausgeräumt. Die Linken sind auch nicht so super radikal, wie manche dachten." Ihre Mitschüler betrachteten den Schritt &bdquo;neutral bis positiv", sagt Jule Kegel. &bdquo;Bei Leuten in meinem Alter ist das weniger eine Partei aus der DDR-Zeit. Es ist eine komplett andere Partei." Als Alternativen schaute sich Jule Kegel in ihrer Findungsphase auch die Grüne Jugend und die Jusos an. Bürgerlich-liberal-konservative Jugendorganisationen dagegen nicht. &bdquo;Das passt nicht zu mir", ist sie überzeugt. Abschluss in Politikwissenschaften Dass es große Schnittmengen mit anderen Parteien und deren Zielen im eher linken politischen Spektrum gibt, ist daher nicht nur zufällig. Aber es gibt auch deutliche Unterschiede. &bdquo;Eine Maßnahme, wie stumpf den CO2-Preis zu erhöhen, halte ich nicht für richtig." Denn das treffe kleine Leute mit niedrigem Einkommen besonders, gerade in einem ländlichen Kreis wie Minden-Lübbecke. &bdquo;Reiche trifft das weniger." Zuerst müssten die Bus- und Bahnverbindungen im Öffentlichen Personen-Nahverkehr besser ausgebaut werden, fordert sie – und das, obwohl sie selbst ein Auto besitzt. Zur Uni nach Hannover aber pendelte sie sechs Semester lang mit der Bahn. Inzwischen steht die erst 20-Jährige vor dem Abschluss in Politikwissenschaft. Gerade hat sie die Note für ihre Bachelor-Arbeit erhalten. Das Einzige, was sie stört, ist das es ein klein bisschen zu spät kommt. Sonst hätte ihr Name mit einem B. A. auf dem Wahlzettel stehen können und dies zusätzlich ihre Qualifikation ausgewiesen. Dabei ist die Mindenerin ein eher pragmatischer Mensch und nicht so theoretisch ausgerichtet, wie man dies von Politikwissenschaftlern erwarten könnte. &bdquo;Ich habe auch mal Marx gelesen. Er ist ein Klassiker", sagt sie über die Lektüre des theoretischen Stammvaters linker Ideen. Für ihre Bachelor-Arbeit jedoch kam ihr eher zugute, dass Mathematik einer ihrer Leistungskurse war. Rot-Rot-Grün würde passen, sagt sie &bdquo;Bei der empirischen Forschungsarbeit ging es darum, wie ungültige Stimmen bei der Kommunalwahl 2020 verteilt waren", umreißt sie ihre Aufgabe. Heraus kamen große Unterschiede zwischen einzelnen Kommunen. Im Kern stimmten weniger Menschen mit ungültig, wenn mehr Parteien auf dem Stimmzettel standen – ein Votum für parteipolitischen Pluralismus. Jule Kegel tritt selbstbewusst und mutig auf, Eigenschaften, die sie auch in den Augen ihrer Parteigenossen befähigten, um sie in das Sprecher-Duo auf Kreisebene zu wählen. In der Kommunalpolitik vertritt sie die Linken als sachkundige Bürgerin im Bildungsausschuss sowohl der Stadt Minden als auch des Kreises Minden-Lübbecke. &bdquo;Klimaschutz und Soziales müssen miteinander vereinbart werden", sagt Jule Kegel und sieht darin einen Unterschied zu anderen Parteien. Außerdem trete sie für Abrüstung und Nachhaltigkeit ein. Durch Mitarbeit bei der &bdquo;Seebrücke" unterstützt sie die Flüchtlingshilfe. Einer ihrer Lieblingsorte in der Stadt ist das Mauergemälde an der Simeonsherberge in der Königstraße. &bdquo;Es repräsentiert gut, wofür ich als Person stehe", sagt Jule Kegel. Dass sie als Direktkandidatin ohne Listenabsicherung nicht nach Berlin gehen wird, ist ihr klar. Trotzdem hofft sie auf eine Regierungsbeteiligung der Linken, obwohl sie früher eher skeptisch war. &bdquo;Die Übereinstimmungen bei Rot-Rot-Grün sind größer als bei einer Ampelkoalition."

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