Minden

AfD-Verbot in Mindener Bar "Soho": Darf der Wirt das?

Der Marktplatz in Minden. Das "Soho" liegt in etwa an der Position unseres Fotografen. | © Archivfoto: Joern Spreen-Ledebur

Minden (mt). Eine Weile will Soho-Wirt Patrick Zander die Botschaft auf der Angebotstafel im Eingangsbereich seines Lokals noch stehen lassen. „Wenn Sie AfD wählen, trinken Sie Ihr Bier bitte woanders", ist zu lesen. Ein Satz, der seit Heiligabend hohe Wellen schlägt. „Die meisten meiner Gäste finden die Aktion gut", sagt der 30-Jährige. Im Netz gibt es viele negative Stimmen. Die Reaktionen reichen von Beschimpfungen aus der rechten Szene bis zu negativen Bewertungen des Lokals.

Zumindest äußerlich nimmt Zander die Reaktionen gelassen auf. Er habe damit ein Zeichen setzen wollen, sagt er gegenüber dem Mindener Tageblatt. Sein Team bestehe aus Menschen, die aus verschiedenen Kulturkreisen stammen. „Wir sind bunt", erklärt er. Einer seiner Mitarbeiter sei sogar ein Flüchtling aus Syrien. Rausschmeißen werde er allerdings niemanden, der sich vor ihm als AfD-Anhänger outet. Vielmehr setze er auf eine Diskussion. Nur wenn politische Hassparolen propagiert würden, werde er von seinem Hausrecht Gebrauch machen.

Das sagen Gäste

„Kommunikation ist wichtig bei allen Konflikten", sagt Franziska, die am Donnerstagabend zusammen mit ihrer Freundin Carolin im Soho zu Gast ist. Die Studentinnen stehen politisch zwar vollkommen hinter der Botschaft des Schildes, sehen den Ausschluss einer anders denkenden Gruppe jedoch kritisch. „Einen Dialog ermöglicht so eine Aktion eher nicht", sagt Carolin.

Für Thomas aus Hille ist die Aussage schon eine starke Haltung, die er unterstützt. Rechtspopulisten dürfe man keinen Raum bieten und es sei das gute Recht des Soho-Chefs, für eine weltoffene Atmosphäre zu sorgen. „Rassismus ist keine Meinung", sagt auch Christopher aus Lübbecke. Er glaube nicht, dass über Fremdenfeindlichkeit diskutiert werden kann.

Lena aus Bielefeld sieht in dem Schild mit der Aufforderung „eine rein unternehmerische Entscheidung, die jeder Betrieb selbst treffen darf". Interessant findet sie allerdings, dass die AfD bestimmte Gruppen diskriminiere, sich selbst aber über ihre Ausgrenzung beschwere.

Die Sicht der AfD

„Vielleicht ist es nur ein verunglückter Werbe-Gag eines ansonsten recht glücklosen Gastwirts, um Kundschaft einer bestimmten Klientel anzulocken", sagt Burkhard Brauns, Sprecher des AfD-Kreisverbandes Minden-Lübbecke. „Aber eher – und das ist zu befürchten – das Anzeichen einer bedenklichen Entwicklung, wie es sie bereits einmal gab", schiebt er hinterher. Er habe den Eindruck, dass mit dieser Entwicklung genau das passiere, was man in Deutschland in den 30er-Jahren schon einmal durchlebt habe.

Wer die Wähler einer „demokratischen Partei, Menschen mit abweichender Meinung" ausgrenze, der stelle sich „klar auf eine Stufe mit dem Gedankengut derer, die bereits einmal das Anderssein von Menschen zum Anlass für Ausgrenzung nahmen", betont Brauns. Schon das Grundgesetz besage, dass niemand wegen seiner politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden dürfe. Allerdings betont Brauns mit Nachdruck, dass sich weder die AfD als Partei noch deren Wähler sich einen Opferstatus anmaßen würden. „Wer uns wählt, nimmt sein demokratisches Recht wahr. Nicht mehr. Nicht weniger."

Auch wenn die AfD das Barschild im Soho natürlich nicht gut findet: „Ein Vorgehen gegen den Gastwirt ist nicht unsere Art mit derlei Angriffen umzugehen", betont Burkhard Brauns. Als Inhaber des Restaurants habe der Gastwirt Hausrecht und „stellt sich selbst in das Licht, in dem man ihn wahrnimmt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen."

Mit einem Ausschluss aus Gastwirtschaften und Bedrohungen von Häusern, die der AfD Einlass gewähren wollten, ist der hiesige AfD-Kreisverband in der Vergangenheit schon mehrfach konfrontiert worden. Zunächst sei im Jahr 2015 ein Hotel in Lübbecke bedroht und genötigt worden. Auch der Wirt des vieljährigen AfD-Stammlokals sei 2017 „massiv" unter Druck gesetzt worden – auch von hiesigen Gewerkschaften. Daraufhin habe der Wirt die AfD nicht mehr aufgenommen. Man sei auf andere Möglichkeiten ausgewichen. „Das klappt offensichtlich."

Die rechtliche Seite

Eines ist klar definiert: Der Wirt hat natürlich das Hausrecht in seinem Lokal. Grundsätzlich bedeutet das, dass er bestimmen darf, welcher Gast das Lokal betreten darf und welcher nicht. Allerdings: Bei der Ausübung des Hausrechtes ist ihm auch eine Grenze gesetzt, schreibt die Berliner Fachanwältin für Reiserecht, Grit Andersch, auf ihrer Homepage. Der Gastwirt dürfe bei der Auswahl der berechtigten Personen niemanden diskriminieren und keine willkürliche Auswahl treffen. Auf MT-Anfrage erklärt sie, dass es ausschlaggebend sei, ob er mit dem Barschild nur seine Meinung kundtun möchte oder tatsächlich AfD-Wählern keinen Zutritt gewährt. „Ersteres wäre durchaus zulässig – solange es nicht beleidigend ist."

Nun bringt der Wirt des Soho selbst den Gedanken der Diskriminierung ins Spiel: „Sie fühlen sich diskriminiert? Dann wissen Sie endlich mal wie das ist." Ausgeschlossen werden dürfen Gäste, die keine Clubmitglieder sind, sollte ein solcher interner Club denn bestehen. Außerdem kann der Wirt Personen, die unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stehen, schmutzige Kleidung tragen sowie Händler oder Bettler vor die Tür setzen oder gar nicht erst reinlassen. Übrigens: Ein Schild, auf dem pauschal einem bestimmten Personenkreis der Zutritt untersagt wird – „Wenn Sie AfD wählen..." –, gelte im Regelfall noch nicht als Hausverbot, betont die Anwältin.

Keine neue Idee

Die Idee von Patrick Zander ist übrigens nicht neu. Schon im April 2017 und im Juni 2018 fielen Kneipen in Köln und Berlin mit ähnlichen Aktionen auf. Unter dem Motto „Kein Kölsch für Nazis" haben sich vergangenes Jahr zahlreiche Kölner Wirte zusammengeschlossen. Sie wollten mit dem Spruch, der auf Bierdeckel gedruckt wurde, ein Zeichen gegen Populismus, Hetze und Rassismus setzen. Auslöser für die Aktion war der AfD-Parteitag in Köln im April 2017.

In Berlin entwickelte sich ein Tweet einer Wirtin zum Shitstorm, berichtete die Taz. Gleichzeitig löste er aber auch eine Welle der Solidarität aus. Die Cafébetreiberin schrieb: „Aus gegebenem Anlass weisen wir darauf hin, dass Nazis generell inkl. zur Fußball-WM bei uns nicht willkommen sind. Und damit meinen wir ausdrücklich Anhänger der AfD." Sie reagierte damit auf den berüchtigten Vogelschiss-Satz von Alexander Gauland. Was folgte waren nicht nur Kommentare, sondern auch Drohungen, die dazu führten, dass das Landeskriminalamt in Berlin das Café überwachen musste.

Unerwünschte Gäste

Das sie nicht erwünscht sind, erfuhren erst kürzlich zwei AfD-Mitglieder am eigenen Leib. Die bayerische Fraktionschefin, Katrin Ebner-Steiner wurde im November aus der Münchener Bar im Haus der Kunst verwiesen. Eine Sprecherin kommentierte den Fall nicht, sie verwies stattdessen auf die multikulturellen Künstler, Ausstellungen und Mitarbeiter in dem Museum für zeitgenössische Kunst. In Dresden ist der AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier von einem Jugendverein aus einer Kinovorstellung zu Weihnachten geworfen worden. Weil es Proteste der anderen Besucher gab, machte der veranstaltende Verein von seinem Hausrecht gebrauch.

Aber auch die AfD hat bereits Gäste von ihren Veranstaltungen verwiesen. Zum Beispiel im Landkreis Erdingen. Dort hat im Mai der Kreisverband der Partei den Reportern und Fotografen der Süddeutschen Zeitung Hausverbot bei ihren Veranstaltungen erteilt, weil ihnen die Berichterstattung der Zeitung zu kritisch sei.

Lesermeinungen auf Facebook

"In Sachen PR und Marketing braucht man dem Inhaber auf jeden Fall nichts mehr beibringen. Sehr gute Sache!" Eileen Menking

"Die Geschichte mit der Ausgrenzung scheint sich zu wiederholen. Damals hieß es: ,Kauft nicht beim Juden.'" Wolfgang Seilert

"Nein, ich habe noch nie die AfD gewählt und ich werde es auch nicht, aber ich weiß ab heute, dass ich diesen Laden nicht mehr besuchen werde. Ein Lokal, was seine Gäste politisch umerziehen möchte, nein danke! Ganz schön armselig." Karsten Lühmann

"Einfach hingehen, trinken und vor dem Bezahlen einen AfD-Schal umlegen. Ihr werdet nichts bezahlen müssen! Ist doch genial!" Bernd Müller

"Muss man am Eingang eine Erklärung abgeben, wen oder was man wählt oder sieht man das den Leuten im Gesicht an? Wie werden diese Leute ausgewählt?" Frank Donner

"Super Statement! Mädels wir müssen im Soho wieder essen gehen." Jennifer Shobowale

"Interessant, wie sich die „Ausgrenzer" aufregen, wenn sie selbst „ausgegrenzt" werden! Was ist euer Problem? Nach eurem Rechtsempfinden ist das doch normal!" Marion Weber