Minden-Lübbecker Landrat auf Abwegen

&bdquo;Kriminalstatistik: Im Lübbecker Land leben die Menschen vergleichsweise sicher“, so lautete die Überschrift, die wir im Blatt und für nw.de formuliert haben, nachdem Kollegin Sonja Vollmer ihren Artikel von der Vorstellung der Kriminalstatistik 2024 im Mindener Kreishaus geschrieben hatte. Landrat Ali Dogan ist in dieser Funktion zugleich Leiter der Kreispolizeibehörde und schon deshalb höchst befangen, wenn es um die Interpretation der Kriminalitätszahlen für die Kommunen in Minden-Lübbecke geht. Allein aus diesem Grund hätte er sich eines Kommentars enthalten sollen, als die erste Nachberichterstattung erschien, die sich allein auf die Stadt Lübbecke bezog: &bdquo;Kriminalität: Bei diesen Straftaten liegt Lübbecke kreisweit an der Spitze“ lautete die Überschrift, wiederum im Blatt und online. Ich habe mich für diese Überschrift entschieden, weil ich es erstaunlich fand, dass in Lübbecke – obwohl deutlich kleiner als Minden und Bad Oeynhausen – bei einigen Delikten die höchste Wahrscheinlichkeit kreisweit besteht, Opfer einer Straftat zu werden. Das ist übrigens keine Spekulation, sondern die Einschätzung der Polizei nach Auswertung der Daten. Zum Artikel: Bei diesen Straftaten liegt Lübbecke kreisweit an der Spitze Nicht mehr und nicht weniger sollte die Überschrift ausdrücken, deren Aufgabe es ist, das Interesse der Leser zu wecken. Zum Beispiel, indem sie Ungewöhnliches, Auffälliges, Besonderes ausdrückt. Das nennt sich journalistisches Handwerk. Eine der ältesten Regeln im Journalismus lautet zudem: Only bad news are good news – im Sinne von: Diese Artikel werden von den Lesern oft intensiver gelesen als &bdquo;In Lübbecke läuft alles super“. Natürlich würden wir auch das schreiben – wenn es zuträfe. Aber die Realität ist eine andere, und die Aufgabe einer Tageszeitung ist nicht zuletzt, Missstände aufzuzeigen, den Finger in Wunden zu legen, manchmal sogar, das für andere unsichtbare Haar in der Suppe zu finden und sichtbar zu machen. .responsive23-VfTSS1dEdvWXvWGS-dash-kriminalitaetshaeufigkeitszahl { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 800px) { .responsive23-VfTSS1dEdvWXvWGS-dash-kriminalitaetshaeufigkeitszahl { padding-top: 83.33%; } } @media (max-width: 600px) { .responsive23-VfTSS1dEdvWXvWGS-dash-kriminalitaetshaeufigkeitszahl { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-VfTSS1dEdvWXvWGS-dash-kriminalitaetshaeufigkeitszahl { padding-top: 133.33%; } } Merkwürdiges Verhältnis zur Presse Von all dem hat der Landrat entweder keine Ahnung und sollte sich mit Kritik entsprechend zurückhalten. Oder er weiß das alles, liest aber aus der zitierten Überschrift zu Lübbecke eine Kritik an seiner Arbeit und der seiner Behörde heraus. Selbst wenn das so wäre, müsste er damit leben, denn in diesem Land herrscht – anders als in anderen Teilen der Welt – Pressefreiheit. Damit verbunden ist unsere Aufgabe als Journalisten, Entscheidern wie Dogan auf die Finger zu schauen und bei Bedarf Kritik zu üben. Leider hatte der Landrat von Anfang an ein merkwürdiges Verhältnis zur Presse. Schon bei einem unserer ersten Treffen in Minden gab er mir zu verstehen, dass er die Tageszeitungen im Kreis nicht benötige, um zu verbreiten, was er für wichtig hält. Dazu bediene er sich anderer Kanäle. Es sind seine Kanäle, Kanäle, die er kontrollieren kann, bei denen er schreibt, was er will und mehrfachen Widerspruch zu seinen Thesen unterbindet, indem er die kritischen Kommentarschreiber sperrt, etwa bei Facebook. Genau dort hat er aufgrund der oben zitierten Überschrift zur Kriminalitätsentwicklung in Lübbecke die Forderung erhoben: &bdquo;Medienverantwortung: Sachlichkeit statt Unsicherheit schüren.“ Den Versuch einer Kontaktaufnahme, um sich über seine Bedenken auszutauschen, hat es von seiner Seite übrigens nicht gegeben. Dogan behauptet lieber bei Facebook und Instagram, die Überschrift würde den Eindruck erwecken, dass Lübbecke ein Kriminalitäts-Hotspot sei – obwohl die Zahlen eine ganz andere Geschichte erzählten. Beides ist Unsinn. Im Übrigen sind alle Aussagen aus Überschrift und der Zeile darunter durch Beispiele in dem Text belegt, auf den sich die Überschrift bezieht. Wer nur Überschriften liest, wie in sozialen Medien sehr verbreitet, und allein daraus seine Meinung bildet, dem ist leider nicht zu helfen. Lesen Sie auch: Die Kriminalstatistik 2024 im Lübbecker Land Paradebeispiel für gezielte Stimmungsmache Dieses jüngste Beispiel von Medienkritik gipfelt in dem Hashtag #FaktenstattÄngste. Der suggeriert schlampige Recherche und Meinungsmache. Erst als eine Kollegin aus Minden schrieb, dass sie diesen Hashtag ziemlich daneben findet, räumt er ein, der sei &bdquo;ein bisschen drüber“ gewesen. Der Hashtag suggeriere, dass der monierte Artikel Unwahrheiten verbreitete. &bdquo;Das wollte ich nicht behaupten“, postet Dogan dazu. Gleichwohl hat er sein Ziel erreicht. Diverse seiner Follower pflichten ihm bei, kritisieren &bdquo;reißerische“ und &bdquo;irreführende“ Schlagzeilen, fordern Abmahnung und Sanktionen. Dogans Posts stellt ein Paradebeispiel für gezielte Stimmungsmache in sozialen Medien dar, die sich gegen eine seriöse Tageszeitung richtet. So eine Vorgehensweise erinnert mich an gewisse politische Kräfte, die versuchen, etablierte Medien zu diskreditieren, um ihre parteieigenen Propaganda-Kanäle als vermeintliche Alternative zu stärken. Der Landrat, der letztes Jahr dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder wegen einiger Aussagen zur Migration die Spaltung der Gesellschaft vorgeworfen hat – natürlich medienwirksam in einem offenen Brief –, äußert sich gerne einmal zu Themen, die weit über sein Aufgabengebiet hinausgehen. Ich rate zur Vorsicht: Wir alle wissen, wie der Höhenflug des Ikarus endete.

Meistgelesen