Migration & Co: Warum die Eskalation vermeidbar gewesen wäre

Kreis Minden-Lübbecke. Sie ist in der vergangenen Woche so richtig hochgekocht, die Debatte um Migration und innere Sicherheit. Die Stimmung ist gereizt, in Teilen extrem aufgeheizt und aggressiv. Als Profiteur gilt eine Partei, die sich selbst als Alternative für dieses Land bezeichnet, die in Teilen aber gesichert rechtsextrem ist. Eine aufgeheizte Stimmung und eine erstarkende Rechte. Dann ist da noch eine Partei, über deren russlandfreundliche Tendenzen sich der russische Präsident und Kriegstreiber Wladimir Putin freuen dürfte. Schrille Töne von den politischen Rändern und eine aufgeheizte Stimmung. Ist das unvermeidbar? Nein. Das wäre sogar gut vermeidbar gewesen. Die Attentate und Anschläge der vergangenen Jahre bewegen auch die Menschen im Lübbecker Land. Für Diskussionen sorgte im vergangenen Sommer ein angedrohtes Messerattentat auf dem Blasheimer Markt in Lübbecke. Die Polizei nahm einen algerischen Tatverdächtigen fest, der Kreis meldete im Oktober dessen Abschiebung nach Algerien. Seit fast zehn Jahren wird angekündigt, dass die Sicherheitsbehörden besser vernetzt werden sollen, um Gefährder schneller zu identifizieren. Diese Ankündigungen gab es während der Kanzlerschaft von Angela Merkel (CDU), es gab sie während der bisherigen Kanzlerschaft von Olaf Scholz (SPD). Passiert ist wenig. Die Kleinstaaterei bei Sicherheitsbehörden geht weiter. EU-Recht kann nicht einfach übergangen werden Warum Friedrich Merz (CDU) auf seiner Abstimmung bestanden hat? Haben ihn alle guten Geister verlassen? Zumal es ja so einfach, wie von ihm gesagt, auch nicht geht mit Grenzkontrollen. Dafür braucht es viel zusätzliches Personal. Und es gilt EU-Recht, auch im Schengen-Raum. Das kann man nicht mal en passant übergehen. Aber auch Angela Merkel, die Merz ja in inniger Ablehnung verbunden sein soll, hätte allen Grund, sich selbstkritisch zu hinterfragen. Ist nicht auch am Ende ihrer Kanzlerschaft ein enormer Reformstau hinterlassen worden? Lesen sie auch: Merz will als Kanzler nicht auf AfD-Stimmen setzen Und wenn Olaf Scholz in Sachen Migration Fehler allein auf den unteren Ebenen sieht, dann ist das zu billig. Auch in den Kommunen im Lübbecker Land gab es in den vergangenen Jahren mitunter Probleme, Geflüchtete unterzubringen. Kaum vorstellbar, wenn die Kommunen nicht ehrenamtliche Hilfe bekommen hätten – etwa in Rahden durch den Präventionsrat, durch den Verein MitMenschen in Espelkamp und durch den Runden Tisch für Flüchtlinge in Lübbecke. Auf den unteren Ebenen befassen sich Politikerinnen und Politiker, viele von ihnen ehrenamtlich, mit der Migration und versuchen, all die Folgen zu stemmen. Dass Kommunen dann auch klagen, immer neue Aufgaben zugewiesen zu bekommen, ohne dass das auskömmlich refinanziert wird – ist das eigentlich jemals in Berlin angekommen? Keine Lösungsvorschläge für Probleme im Gesundheitswesen Als neue Kraft sieht sich nun eine angebliche Alternative für dieses Land und schickt ein Parteimitglied als Kanzlerkandidatin ins Rennen, das sich offenbar auch gern in der Schweiz aufhält. Diese Partei scheint derzeit vor Kraft kaum laufen zu können. Aber was steckt dahinter? Viel heiße Luft. Etwa die von ihr angekündigte große Windrad-Abrisswelle: Die dürfte nicht umsetzbar sein, denn es gibt verbindliche rechtliche Regelungen. Die Abrisswelle würde eine Klagewelle auslösen. Es gibt diese angebliche Alternative auch in Minden-Lübbecke. Hier präsentiert sie sich als Möchtegern-Retter der Krankenhäuser. 2018, als Rahden geschlossen und zu einer psychosomatischen Fachklinik umgewandelt werden sollte, hörte man von den selbst ernannten Krankenhaus-Rettern nichts. Später kam nur die Botschaft vom Festhalten am Status quo. Konzepte, wie man die Herausforderungen im Gesundheitswesen angehen will? Fehlanzeige. Bei einer Info-Veranstaltung im Sommer 2023 zum Thema Krankenhaus Rahden und medizinische Versorgung aber überließen die anderen Parteien die Bühne jener angeblichen Alternative. Ohne Not. Zwar werden Mitglieder der demokratischen Parteien auch im Kreistag gegenüber der angeblichen Alternative deutlich. Aber in der Öffentlichkeit gibt es den Eindruck, dass die demokratischen Parteien teilweise zahnlos sind und von der angeblichen Alternative getrieben werden. Verpasste Chance Vor fünf Jahren begannen die Corona-Maßnahmen. Dagegen protestierten Menschen in Lübbecke und in Espelkamp. Dort gab es bei einer der Demos durch einen Ratsherrn einen unsäglichen Vergleich von Holocaust und Abtreibungen. Auch bei diesen Kundgebungen war die Stimmung teils aufgeheizt. Manche Maßnahmen erschienen aber auch unlogisch – und auf wiederholte Fragen der Redaktion etwa zu dem Aspekt, dass der Einzelhandel dichtgemacht wurde, Discounter aber nicht, verweigerten die Landesbehörden stets die Antwort. Die Parteien hatten im Bund angekündigt, die Corona-Krise aufzuarbeiten. Das ist nicht geschehen und auch damit haben die demokratischen Parteien Wasser auf die Mühlen der politischen Ränder gegeben. Und da komme ich zurück auf meine Frage, ob die aufgeheizte Stimmung und das Erstarken der politischen Ränder vermeidbar gewesen wäre? Ja, es wäre vermeidbar gewesen: Wenn die demokratischen Parteien die angebliche Alternative von Anfang an inhaltlich gestellt hätten, anstatt nur mit dem Finger auf sie zu zeigen. Wenn die demokratischen Parteien mehr miteinander geredet hätten und die Themen auch tatsächlich angegangen wären, die die Lebenswirklichkeit der Menschen dominieren – etwa innere Sicherheit und Wirtschaft. Wenn man den diversen Ankündigungen der besseren Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden auch Taten hätte folgen lassen. Wenn man, wie einst angekündigt, die Corona-Krise und die damit verbundenen Maßnahmen ehrlich aufgearbeitet hätte. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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