
Lübbecke. Die Generation Ü-55 kennt es vielleicht noch vom Hörensagen, die in Lübbecke geborenen Ü-65 waren bestimmt einmal dort: im ersten Oldtimermuseum in Nettelstedt. Leider bestand es nur relativ kurze Zeit, von 1968 bis 1973, hat aber in Fachkreisen durchaus Geschichte geschrieben. Auch beim Publikum fand es großen Zuspruch – bis zu 1.000 Besucher an einem Wochenende waren keine Seltenheit.
Gründer des Nettelstedter Museums war Uwe Hucke, Sohn des Kleiderfabrik-Gründers Erwin Hucke. Eine Arbeitsgruppe der Dorfgemeinschaft Nettelstedt hat sich nun daran gemacht, das Museum am 11. Mai wiederauferstehen zu lassen. Es wird nicht nur Oldtimer geben, sondern noch mehr Überraschungen wie den Original-ZDF-Film „Motoren, Mode und Musik“ von 1973, der in Nettelstedt und Lübbecke mit bekannten Schauspielern gedreht wurde.
Automuseum Melle hat sehr geholfen
Direkt neben den alten Museumsräumen ist die Kulturscheune der Familie Lindstedt, die das Areal für das Wochenende zur Verfügung stellt und aktiv an der Vorbereitung des Events mitarbeitet.
Auf der Suche nach Autos, die tatsächlich damals in Nettelstedt waren, sind Klaus Sudbrack, Eduard Meyer, Volker Knickmeyer und Karl Lindstedt zum Automuseum Melle gereist. Dort bekamen sie wertvolle Hinweise und eine spezielle Führung durch Heiner Rössler, den Gründer des Museums Melle, der auch 1968 bei der Eröffnung in Nettelstedt dabei war und als einer von Deutschlands besten Fachleuten gilt, was Oldtimer angeht.
Weil Uwe Hucke auch aktives Mitglied des Lübbecker Jazzclubs war, wird sich auch der Club mit einem Konzert am Revival-Day beteiligen. Abends soll das Matti Klein Soul Trio aus Berlin spielen.
Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Museumsgeschichte ist auch eine Internetseite entstanden, die viele Rechercheergebnisse zeigt und noch erweitert wird: www.automuseum-nettelstedt.de.
Erben des Kleiderfabrikanten
Viele alte Nettelstedter, schrieb seinerzeit Hobbyhistoriker Volker Knickmeyer in einem Beitrag für diese Redaktion, erinnerten sich noch gerne an die Glanzzeiten, die das Dorf damals hatte. Hinter dem Museum standen Uwe Hucke und seine Frau Monika. Uwe und sein Bruder Hans waren Erben des Kleiderfabrikanten Erwin Hucke.
nw.de schrieb 2016: „Hans Hucke war Anfang 20, als sein Vater Erwin 1965 überraschend an einem Herzinfarkt starb. Zusammen mit Bruder Uwe übernahm Hans Hucke die Geschäftsführung des Bekleidungswerkes, dessen Gründung auf das Jahr 1934 zurückgeht – und damit die Verantwortung für mehr als 1.500 Mitarbeiter. Produziert wurde damals in Nettelstedt im ’Bekleidungswerk E. Hucke’, in Espelkamp in der ’Ravens Bekleidungsindustrie’ und in Lübbecke in der ’Königsmühle’.
Allein in Lübbecke wurden neben der früheren Kammgarnspinnerei (heute Fachmarktzentrum Strubbergstraße) unter anderem im Gebäude der ehemaligen Tabakfabrik Blase an der B239 (heute Fachmarktzentrum Blasekreuzung) und zeitweilig Räume in der St.-Paulus-Innung (heute Parkplatz Gänsemarkt) genutzt. Uwe Hucke starb 2002, sein Bruder Hans, der ein großer Förderer des TuS Nettelstedt war, starb 2016.
Seit den Fünfzigern von Oldtimern begeistert
Uwe Hucke hatte schon in den 1950er-Jahren sein Faible für Oldtimer entdeckt. An abgelegenen Plätzen in ganz Europa spürte er Fahrzeuge zumeist aus den Vorkriegsjahren auf. Diese waren oft in einem schlechten Zustand und mussten aufwendig restauriert werden.
Einen alten Horch fand Hucke auf einem französischen Flugplatz, er diente nur noch dazu, Segelflugzeuge anzuschleppen. Versteckt hinter Strohballen wurden in England und Frankreich so einige, zunächst nicht besonders teure, Schätze gefunden.
Uwe Hucke hatte stets einen Sachverständigen dabei, Ernst Spindler. Dieser war gelernter Automechaniker „vom alten Schlag“ und hatte das richtige Händchen für die historischen Fahrzeuge. Vor seiner Tätigkeit als Hucke-Chefmechaniker war Spindler Busfahrer im Eilhauser Busunternehmen Grothus. Viele ältere Nettelstedter, Eilhauser und Gehlenbecker kannten ihn.
Autos für Ansichtskarten fotografiert
Spindlers Neffe, Peter Schwettmann aus Rahden, bewahrt den Nachlass seines Onkels bis heute auf und weiß viele kleine Geschichten zu erzählen. Zum Familiennachlass gehören auch einige Buchbände, die im „Verlag Automuseum Nettelstedt“ herausgegeben und bei Uhle & Kleimann in Lübbecke gedruckt wurden. Foto Pescht hatte die Aufgabe, alle Autos für Ansichtskarten schön zu fotografieren.
Uwe Hucke sammelte und beschäftigte sich viel mit den Edelmarken Maybach und Bugatti. Dazu veröffentlichte er kiloschwere Dokumentationen, die mithilfe von namhaften Autoren wie Richard von Frankenberg, Michael Graf Wolff Metternich und Erwin Tragatsch verfasst wurden. Tragatsch war auch einige Zeit als Museumsdirektor eingesetzt, zuvor war er Pressechef bei Rolls Royce.

Autosammler Hucke sorgte in einigen Werkstätten rund um Nettelstedt für eine lebhafte Konjunktur, so auch bei der Firma Möhlmann in Gehlenbeck. Darüber hinaus gab es in Bergkirchen/Oberlübbe eine bestens ausgestattete Autoschmiede, die sogar Kotflügel nachbauen konnte. Ein eigener Sattler nahm sich der Ledersitze der Edelfahrzeuge an. Selbst fuhr das Ehepaar Hucke einen Mercedes 300 SL mit Flügeltüren. Dieser Roadster ist heute fast unbezahlbar. Bei ihrem Wegzug nach Monaco nahmen sie das Auto mit. Wo es heute steht, ist unbekannt.
Pkw vor 1972 gesucht
Pfingstsonntag 1968 wurde das Museum in den bescheidenen Räumen an der Rietkampstraße eröffnet. Das Gebäude steht heute noch. Zur Eröffnung standen dort 38 Wagen, kurze Zeit später schon 60. Ein altes Nachschlagewerk berichtete von einer der wertvollsten Autosammlung Deutschlands. Das Museum war auch Geschäftsstelle und Sitz des Allgemeinen Schnauferl Clubs, eines bundesweit verbreiteten Oldtimer-Clubs, den es heute noch gibt.
Jetzt soll alles wieder zu neuem Leben erweckt werden. Deshalb können sich Interessenten per E-Mail melden, sagt Helmut Öwermann, Vorsitzender der Dorfgemeinschaft. Insbesondere werden noch Pkw vor 1972 gesucht.