Lübbecker Rollstuhlfahrer trainiert für Special Olympics

Lübbecke. In seiner Wohnung in Lübbecke fühlt sich Benjamin Estermann sehr wohl. Sie ist barrierefrei erreichbar. Wichtig für ihn, weil er durch eine Achillessehnenverlängerung in seiner Bewegung eingeschränkt ist. Ein breites Lächeln geht über sein Gesicht, wenn er an sein Lieblingshobby denkt: das Tanzen. Nur hierfür nutzt er einen speziellen Aktiv-Rollstuhl, den er inzwischen mit seiner Tanzpartnerin Birthe Klumpe meisterhaft beherrscht. Nur mit diesem speziellen Rollstuhl kann er tanzen, wie kaum ein anderer. Und da es sich hier um einen inklusiven Tanz handelt, ist Partnerin Birthe Klumpe dabei und nimmt die Bewegung des Rollstuhltanzes auf. So entsteht eine ganz eigene Form des inklusiven Tanzes. Und damit ist das Paar so erfolgreich, wie kein anderes in der Region. Wenn das Licht angeht, die Musik ertönt und alle Menschen gespannt auf das Parkett schauen, ist Benjamin Estermann in seiner eigenen Welt. &bdquo;Ich habe immer ein bisschen Lampenfieber, aber es macht sehr viel Spaß und ich mag die Herausforderung“, freut sich der 35-Jährige. Wettbewerb mit 1.000 Tänzern Gerade kommen die beiden zurück von einer einmaligen Tanzmeisterschaft. Sie heißt &bdquo;Dance to the world“ und ging in Osnabrück in der Schlosswallhalle über die Bühne. Bereits letztes Mal hatten die Tänzerinnen und Tänzer alles gegeben, damit allen diese Tage in Erinnerung bleiben. Die gesamte Veranstaltung wird von einem Team, bestehend aus Menschen mit und ohne Behinderung, geplant, organisiert und durchgeführt. Für Benjamin Estermann und Birthe Klumpe wurde die Veranstaltung ein Triumph: Sie erzielten den ersten Platz und erhielten die Goldmedaille für ihren ausdrucksstarken Tanz, wie es die Jury formulierte. Mit ihnen waren an die 1.000 Tänzer aus dem gesamten norddeutschen Raum und Gäste aus anderen europäischen Ländern dabei. Erfolgreich waren die beiden mit Discofox und Langsamem Walzer, mit dem sie in ihrer Altersklasse alle anderen Herausforderer hinter sich ließen. Erfolge mit Salsa, Rumba und Walzer Egal ob Salsa, Rumba oder Walzer – Benjamin hatte in den vergangenen Jahren die verschiedensten Tanzstile trainiert, und das mit Erfolg. 2017 und 2018 konnte er zweimal einen Pokal in der Kategorie &bdquo;Salsa – Para Combi“ bei der Offenen Deutschen Meisterschaft gewinnen. &bdquo;Para-Combi“ bedeutet, dass ein Tanzpaar aus je einem Tänzer mit und ohne Behinderung besteht. Benjamin hat eine Achillessehnenverlängerung und ist deshalb beim professionellen Tanzen auf einen Rollstuhl angewiesen. &bdquo;Ohne Rollstuhl geht es nicht, weil ich mich schwer zum Takt bewegen kann. Mit dem Rollstuhl ist allerdings alles möglich“, erzählt Benjamin, der seit 2007 in der Lebenshilfe-Betriebsstätte &bdquo;Am Osterbruch“ in Lübbecke beschäftigt ist. Estermann war mit seiner Tanzpartnerin Birthe Klumpe Teil der 110-köpfigen inklusiven Tanzgruppe der Patsy & Michael Hull Foundation, die während der Special Olympics-Spiele Auftritte auf der großen Bühne vor dem Brandenburger Tor und auch am Neptun-Brunnen auf dem Alexander-Platz in Berlin hatte. Sie tanzten eine vielseitige Choreographie zum Thema Menschenrechte beim gemeinsamen Tanzprojekt &bdquo;Your Generation“. Der 35-Jährige hat mit einem Aktiv-Rollstuhl getanzt, der vom Lübbecker Rotarier-Club und seiner Mutter gesponsert worden war. Er wird dabei von Tänzerin Birthe &bdquo;geführt“. &bdquo;Ich zittere innerlich, vor jedem Auftritt“, erzählt er. Aber diese Anspannung müsse sein, dann werde es &bdquo;richtig gut“. Das Tanz-Duo will sich jedoch nicht auf den Lorbeeren ausruhen, angestrebt wird die Teilnahme an der deutschen Meisterschaft in Thüringen. &bdquo;Wir Tänzer sind eine große Familie“ Für die inklusiven Tänzer ist es wichtig, einfach auch die Atmosphäre bei den Wettbewerben zu spüren. &bdquo;Wir Tänzer sind einfach eine große Familie. Hier ist man nicht alleine, wir kennen uns auch und machen vieles gemeinsam, auch wenn man gegeneinander antritt“, sagt Estermann, der für die Lebenshilfe Lübbecke arbeitet. Für ihn ist das Tanzen auch ein Stück Lebenshilfe zur Bewältigung des nicht immer ganz einfachen Alltags. &bdquo;Wir beide kommen immer ganz beeindruckt wieder zurück. Und es gibt auch immer wieder Auftrieb für die vor uns liegende Zeit“, bemerkt Benjamin Estermann. Doch um weiterhin Erfolge zu haben, muss Disziplin gewahrt werden. Jeden Samstag trainiert er deshalb mit seiner Tanzpartnerin im Tanzstudio von Patsy Hull in Osnabrück. Das organisiert der auf Unabhängigkeit und ein selbstbestimmtes Leben orientierte Mann natürlich auch alleine. Und dafür muss er natürlich Züge benutzen. &bdquo;Ich bete jedes Wochenende, dass die Züge überhaupt fahren, ansonsten wird es schwierig, das Pensum zu schaffen“, macht er deutlich. Morgens um 9.30 Uhr kommt er im Tanzstudio an und gegen Mittag nimmt er wieder einen Zug nach Hause. &bdquo;Es ist sicherlich ein großer Aufwand, aber man wird dafür belohnt“, sind Benjamin Estermanns Erfahrungen. Sein größter Traum und sicherlich auch der von seiner Tanzpartnerin Birthe Klumpe ist es, den inklusiven Tanz World-Cup zu gewinnen. Wenn die beiden so weiter machen, wird man in dieser Hinsicht sicherlich bald wieder etwas von ihnen hören.

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