Ehepaar aus Minden-Lübbecke möchte Betrüger festnehmen lassen: So reagiert die Polizei

Minden. Kurz vor der Tagesschau kommt der anonyme Anruf. Herbert Becker sitzt bereits gemütlich auf dem Sofa, seine Frau Annette (Namen geändert) geht ans Handy. Relativ schnell merkt sie, dass etwas nicht stimmt und am anderen Ende der Leitung keine echte Polizistin sitzt. Das Ehepaar möchte den Spieß umdrehen und ein fingiertes Treffen arrangieren, damit richtige Beamte die Betrüger schnappen. Doch die Kreispolizeibehörde blockt direkt ab - und bedauert ihr Verhalten hinterher. Die Masche ist nicht neu, aber immer wieder fallen Senioren darauf rein: Die falsche Polizistin sagt den Beckers am Dienstag, 15. August, dass derzeit rumänische Einbrecher in der Gegend unterwegs seien. An ihrem Anwesen in Minderheide sollen die Beckers prüfen, ob sie Einbruchspuren haben und Bargeld sowie Wertgegenstände fehlen. Die Beckers erkennen, was Sache ist und spielen ab dem Zeitpunkt das Spiel mit. "Wir haben 20.000 Euro in Bar hier liegen. Alles ist noch da - nichts wurde angerührt", sagt Annette Becker am Telefon. Dann erklären die Betrüger, dass das Geld angesichts der Einbruchgefahr sichergestellt werden müsste. Ähnliche Zusammenarbeit ist erfolgreich In dem Moment meldet sich der 61-jährige Herbert Becker parallel bei der Leitstelle der Kreispolizeibehörde und schildert einem Beamten den Vorfall. "Ich habe ihm gesagt, dass die Betrügerin noch mit meiner Frau spricht und wir ein Treffen abmachen könnten", erklärt Becker. Doch der Polizist habe ihn abgewimmelt und geraten, sofort aufzulegen. Bei Becker sorgt das für Unverständnis. "Das ist eine Chance für einen Zugriff gewesen, aber die hatten offenbar keine Lust darauf." Weil er das Verhalten nicht nachvollziehen kann, wendet er sich gar ans Innenministerium und telefoniert dazu mit einem Mitarbeiter, erzählt er. "Das hat mich extrem geärgert." Denn: Ein anderer Fall zeigt, dass eine solche Kooperation am Ende in einem Strafverfahren enden kann. Derzeit müssen sich vor dem Landgericht Bielefeld falsche Polizisten verantworten, die Senioren in ganz Westfalen um mehr als 500.000 Euro gebracht haben sollen. Ein älteres Ehepaar aus Ibbenbüren (Kreis Steinfurt) ging ähnlich vor wie die Beckers und telefonierte vier Stunden mit den Betrügern, wie der WDR berichtete. "Es war eine Herausforderung", sagte der Mann hinterher. Bei der Geldübergabe kam die Polizei aktiv mit ins Spiel, entlarvte über den Abholer (einen Taxifahrer) drei falsche Polizisten, so dass die Handschellen klickten. Was sagt die Polizei zum Fall der Beckers? Sprecher Thomas Bensch teilt mit: "Selbstverständlich wird bei so einer Informationslage auch ein polizeilicher Einsatz in Erwägung gezogen." Allerdings würden insbesondere Einsätze unter Einbindung von Externen ein hohes Gefahrenpotenzial bergen. "Das primäre Ziel der Polizei muss daher sein, die Sicherheit des Hinweisgebers gewährleisten zu können." Dies bedürfe einer intensiven Vorbereitung und erfordere einen hohen Personaleinsatz. "Gerade die professionell agierenden Täter verfügen über eine hohe Sensibilität und schöpfen bei Verzögerungen sofort Verdacht, dass die Polizei eingebunden wurde." Weiter erklärt Bensch, dass aufgrund der damaligen Einsatzlage nicht genügend - insbesondere zivile - operative Kräfte zur Verfügung gestanden hätten. Die wären für einen erfolgreichen Einsatzes notwendig gewesen, so Bensch. Daher sei geraten worden, keine weiteren Auskünfte über die persönlichen Vermögensverhältnisse zu geben und das Gespräch zu beenden. Der Hinweis mit dem Auflegen sei zudem eine gängige Empfehlung der polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes. Grundsätzlich sei die Intention der Eheleute nachvollziehbar, die Polizei bei den Ermittlungen zu unterstützen. "Dies war im geschilderten Fall aus polizeilicher Sicht allerdings nicht umsetzbar", resümiert Bensch. Zudem bedauere die Polizei, dass es den Mitarbeitenden der Leitstelle nicht gelungen sei, dem Ehepaar die Hintergründe für die Entscheidung nachvollziehbar darzustellen. "Generell werden wir den Vorfall zum Anlass nehmen, im Rahmen einer internen Aufarbeitung unsere Kolleginnen und Kollegen der Leitstelle zusätzlich zu sensibilisieren." Frau sei länger auf Toilette Nach Angaben der Polizei erfolgen die Schockanrufe meist in Wellen. Das bedeute, dass die Betrüger bewusst einzelne Städte und Gemeinden mit den Anrufen &bdquo;überschwemmen“. Im Mühlenkreis seien zwischen dem 15. und 17. August viele Anrufe eingegangen, Betroffene hätten sich direkt bei der Leitstelle und beim Notruf gemeldet. "Es war nicht mehr möglich, alle Anrufe in der gewünschten Informationstiefe bearbeiten zu können", erklärt der Pressesprecher. Die Polizei habe daraufhin Hinweise an die Medien und über die eigenen Social-Media-Kanäle verbreitet. Bei den Beckers endete das Gespräch übrigens damit, dass sie mit der richtigen Polizei gedroht hatten. Danach soll es noch weitere Anrufversuche gegeben haben. "Ich habe ihnen deutlich gesagt, dass meine Frau länger auf der Toilette sitzt und deswegen nicht rangehen kann", so Herbert Becker. Das Argument überzeugte offenbar, danach blieb das Handy still.

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