Luftfilter an allen Lübbecker Schulen - trotz Haushaltssperre und Protest der Eltern

Lübbecke. Die von Finanzdezernent Dirk Raddy am Mittwoch verhängte und vom Stadtrat bestätigte Haushaltssperre betrifft "alles, was nicht notwendig und unaufschiebbar ist". Alle anderen Ausgaben seien "gesperrt". Das machte Raddy am Donnerstag in der Ratssitzung deutlich. Demnach hat die bis Ende September, Anfang Oktober geltende Haushaltssperre weitreichende Folgen. So könne etwa der Haushalt 2024 nicht bis Jahresende verschiedet werden. Zudem müsse ein Nachtragshaushalt aufgestellt werden. Nach derzeitigem Stand verringern sich die Steuereinnahmen um 2,7 Millionen Euro. "Das können wir nicht ausgleichen", kommentierte Raddy die Abweichung vom ursprünglichen Haushaltsansatz. Alles in allem fehlen bis Jahresende acht Millionen Euro. Das Ergebnis könne sich auch noch "weiter verschlechtern", so der Finanzdezernent. Politik und Verwaltung müssten sich fragen, was Lübbecke sich noch leisten könne und in welcher Qualität. Raddy: "So können wir mit dem Haushalt nicht weitermachen." Grundsteuererhöhung im Gespräch Bürgermeister Frank Haberbosch sprach deshalb ein Thema an, das in den vergangenen Jahren keines war: "Wir müssen über eine Grundsteuererhöhung nachdenken." Diese wäre bis zum 30. Juni zu beschließen, rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres, um die Einnahmen der Stadt zu erhöhen. Er werde die Überlegungen der Verwaltung dazu den Fraktionsvorsitzenden zur Kenntnis geben und bitte um Rückmeldung. Sollten die Fraktionen einer Erhöhung der Grundsteuern zustimmen wollen, werde eine Extra-Ratssitzung anberaumt. Nicht abgestimmt wurde am Donnerstag über einen "Rüstwagen Mitte" für die Freiwillige Feuerwehr und über ein "Hilfeleistungs-Löschgruppenfahrzeug" für Nettelstedt, denn diese Anschaffungen fallen unter die von Raddy verfügte Sperre. Das gilt auch für die ehemalige Pestalozzi-Förderschule an der Rahdener Straße, die zu einem Bildungs- und Kulturzentrum umgebaut werden soll. Gewinn für die Schulen Das Großprojekt an der Rahdener Straße tauchte an anderer Stelle noch einmal auf in der Ratssitzung: Klaus-Jürgen Bernotat (CDU) hatte einen interfraktionellen Antrag (SPD, CDU, Grüne, WL, FDP) eingebracht mit dem Ziel, die von den Fachausschüssen befürworteten Lüftungsanlagen für die Lübbecker Schulen aus der Haushaltssperre herauszulösen. Denn man sei trotz Gegenargumenten "weiterhin davon überzeugt, dass raumlufttechnische Anlagen ein Gewinn für unsere Schulen sind". Wörtlich heißt es in dem Antrag weiter: "Deshalb halten wir auch nach der verhängten Haushaltssperre an dem Beschluss fest, zunächst alle belebten Räume in unseren Schulen mit Luftfilteranlagen auszustatten, so wie wir dies bereits im August 2021 beschlossen haben und dies längst hätte umgesetzt sein können." Nach und nach seien alle Räume, OGS in den Grundschulen und Fachräume und Klassenräume der Jahrgänge 7 bis 13 in den weiterführenden Schulen mit Luftfilteranlagen auszustatten. Erwartet wird "die unverzügliche Vergabe der ausgeschriebenen Leistungen" für alle Schulen, sodass die Förderbedingungen eingehalten werden könnten. Die sehen unter anderem den Einbau bis Juni kommenden Jahres vor. Geldverschwendung in Millionenhöhe Als Deckungsvorschlag für die überplanmäßige Ausgabe haben die Parteien die Straßenbaumaßnahme "Wettlager Weg" (900.000 Euro) sowie aus dem "Projekt Rahdener Straße" (676.000 Euro) vorgesehen. Für Bernd Sasse-Westermann (LK), der den interfraktionellen Antrag neben dem Bürgermeister als einziges Ratsmitglied ablehnte, ist das "Geldverschwendung in Millionenhöhe". Denn der Eigenanteil für die Stadt Lübbecke betrage trotz Bundesförderung fast 2,2 Millionen Euro. Im Klassenzimmer seien die Kinder geschützt – in anderen Räumen wie im Offenen Ganztag oder in der Sporthalle könnten sie sich mit Krankheiten anstecken, argumentiert Sasse-Westermann: "Hinzu kommt beim Einbau der Anlagen in der Schulzeit eine wochenlange Belastung der Kinder durch erheblichen Baulärm und Staub." Das Stören des Unterrichts gehört auch zu den Hauptargumenten von Concetta Laske, Vorsitzende der Elternpflegschaft des Grundschulverbunds Nettelstedt-Gehlenbeck. Da die Grundschule Gehlenbeck ohnehin umgebaut werde, "macht der Zeitpunkt des Einbaus einer Lüftungsanlage keinen Sinn", sagte sie im Gespräch mit nw.de am Freitag. Um die Förderung zu gewährleisten, müssten die eingebauten Filter mindestens fünf Jahre genutzt werden. "Was ist, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die zu den Umbauplänen nicht passen?" Geschlossene Türen versus moderne Pädagogik Ein weiteres Argument hatte Laske, neben anderen, bereits vor einigen Tagen in einem Offenen Brief an die Politik formuliert: "Der im August eingeführte rhythmisierte Ganztag lebt von einem häufigen Raumwechsel, was dazu führt, dass, wie für die Lüftungsanlagen gefordert, die Fenster und Türen nicht dauerhaft geschlossen gehalten werden können. Das führt zu erheblichen Nachteilen der Gestaltung des Unterrichtes und des rhythmisierten Ganztages." Unterstützung erhielt Laske am Donnerstag in der Ratssitzung von Dezernent Philipp Knappmeyer, der auf den Masterplan für die Grundschulen verwies und betonte, dass wegen Lüftungsanlagen geschlossene Schultüren moderner Pädagogik widersprächen. Auch Laskes Vorgänger Eckhard Tiemeyer, der in der Bürgerfragestunde kritisch angemerkt hatte, dass die Eltern in die Planungen nicht einbezogen waren und die Lüftungsanlagen eigentlich schon im Sommer 2022 eingebaut werden sollen, sprach am Freitag mit nw.de. Als "erschreckend" bezeichnete er, wie weit Rat und Verwaltung in diesem Thema auseinander lägen. Die sehr persönlich und emotional geführte Debatte erinnere ihn an die unrühmlichen "Lübbecker Verhältnisse". Dabei handele es sich um ein viel zu wichtiges Thema, das sachlich betrachtet und bei dem alle Betroffenen einbezogen werden sollten.

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