Gnadenlos unterschätzt: Junge Hauswirtschafterinnen in Minden-Lübbecke über ihren Traumberuf

Lübbecke. 14 junge Menschen befinden sich am Berufskolleg Lübbecke aktuell im dritten Ausbildungsjahr zur Hauswirtschaftsfachkraft. 32 weitere sind es in den Jahrgängen darunter. Bislang reichten die Anmeldungen immer aus, um eine Klasse zu bilden. Mindestens 16 Schülerinnen und Schüler sind dafür notwendig. Dennoch ist die Zahl der Auszubildenden am Lübbecker Berufskolleg in den vergangenen 20 Jahren von rund 40 Schülern pro Jahrgang auf nunmehr knapp die Hälfte gesunken. Dass der Nachwuchs ausbleibt, liegt nicht nur am schlechten Image des Berufes. Auch hätten sich in den letzten Jahren viele Betriebe für Einsparungen entschieden und deshalb keine Ausbildungsplätze ausgeschrieben, erklärt Bereichsleiter Rainer Bartels. Der Berufskolleg in Lübbecke sei eine der landesweit führenden Bildungseinrichtungen in der Ausbildung zur Hauswirtschaftsfachkraft. Die angeschlossene Fachschule, in der Fachkräfte die berufsbegleitende Fortbildung zum Meister absolvieren können, ist die größte Nordrhein-Westfalens. Um diese besuchen zu können, nehmen einige Schülerinnen und Schüler auch längere Anfahrtswege in Kauf. Ann-Christin Ediger ist eine von ihnen. Für den schulischen Teil ihrer Ausbildung reist die 29-Jährige aus Bad Salzuflen an. Für das Berufskolleg habe sie sich auf Empfehlung entschieden, sagt sie. Eine fachlich fundierte Ausbildung war ihr wichtig, nachdem sie bereits ihr Ökotrophologie-Studium erfolgreich abgeschlossen hatte. Karrierechancen und attraktives Gehalt Dass Schülerinnen die Ausbildung dem Studium anhängen, sei eher ungewöhnlich, erklärt Bildungsgangsleiterin Angela Lücke. Dass die Ausbildung zur Hauswirtschaftsfachkraft als Grundstein für eine Karriere gelegt wird, komme schon eher vor. Ein Schulabschluss ist nämlich keine Grundvoraussetzung für die Laufbahn, an deren Ende sogar ein Studium stehen kann. Wer die Ausbildung absolviert und anschließend an der Lübbecker Fachschule für Ernährungs- und Versorgungsmanagement seinen Meister macht, erlangt damit einen dem Fachabitur gleichwertigen Abschluss. Für Menschen, die sich erst später für eine akademische Laufbahn entscheiden, eine echte Chance auf einen hohen Bildungsabschluss und ein attraktives Gehalt: &bdquo;Die mittlere Entlohnung für eine Hauswirtschafterin beträgt monatlich rund 2.300 Euro brutto, die einer Meisterin 3.400 Euro“, weiß Angela Lücke. Ann-Christin Ediger hängte ihren Laborkittel an den Nagel, um die Ausbildung beginnen zu können. Nachdem sie schon in jungen Jahren ehrenamtlich im Sozialwesen tätig war, fehlte ihr die Arbeit mit Menschen. Als Hauswirtschafterin kann sie ihr ernährungswissenschaftliches Fachwissen genauso einsetzen wie ihr Fingerspitzengefühl im Umgang mit zu Betreuenden. &bdquo;Was ich am meisten liebe, ist die Arbeit mit Menschen mit Behinderung“, sagt sie. Schon während ihrer Ausbildung, in der sie verschiedene Bereiche ihres Ausbildungsbetriebes durchläuft, hat sie immer wieder Gelegenheit, mit Menschen zu arbeiten. Soziale Komponente werde häufig unterschätzt Die soziale Komponente des Berufes werde häufig unterschätzt, bekräftigen auch die Fachlehrerinnen Birgit Rohlfing und Carola Hüffmeier. Ein Grundverständnis für den Umgang mit Kindern, Menschen mit Behinderungen oder auch Älteren und demenziell Erkrankten zu erlangen, sei ganz grundlegend für die Ausbildung. Bereichsleiter Rainer Bartels ist davon überzeugt, dass der demografische Wandel in den nächsten Jahren maßgeblich zur Relevanz des Berufes beitragen wird. Mit ihren umfangreichen und vor allem vielfältigen Fachkenntnissen werden Hauswirtschaftsfachkräfte zur Entzerrung der angespannten Situation in sozialen Berufsfeldern beitragen können. Der Fachkräftemangel unter Pflege- und Betreuungspersonal könne durch Hauswirtschafter seiner Einschätzung zufolge zumindest in Teilen aufgefangen werden. &bdquo;Es ist bedauerlich, dass das Image der Hauswirtschaft in den letzten Jahren gelitten hat, während zeitgleich die Anforderungen im Berufsalltag sehr gestiegen sind“, sagt er. Mit Menschen arbeiten, ohne pflegen zu müssen Diese Ansicht teilt auch Ann-Christin Ediger. &bdquo;Der Beruf ist eigentlich perfekt für jeden, der mit Menschen arbeiten möchte, ohne in die Pflege zu gehen“, fasst sie zusammen. Im Rahmen ihrer Ausbildung erstellte sie für einen Klienten mit Behinderung ein &bdquo;Handbuch für gesunde Ernährung“. Dabei bedachte sie neben den Einschränkungen und Fähigkeiten des Klienten auch die für ihn entstehenden Kosten, die sie möglichst gering zu halten versuchte. Orientierung für die Rezepte fand sie in den Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Gesund, lecker und leicht zuzubereiten sollten sie sein. Für die Klienten der Einrichtung bedeutet das Essen einen der wenigen Genüsse, die sie insbesondere während der Corona-Zeit hatten, in der Familienbesuche und Freizeitaktivitäten stark eingeschränkt waren. Mit ihrem Handbuch, das von einfacher Sprache mit kurzen Sätzen, vielen Bildern und einer liebevollen Zusammenstellung lebt, hat Ann-Christin Ediger letztlich sogar zur Förderung der Sozialkontakte ihres Klienten beigetragen. Seine selbst zubereiteten Speisen ermöglichen ihm nicht nur Selbstständigkeit und Erfolgserlebnisse, sondern bringen ihn auch in Kontakt mit den Mitbewohnern, mit denen er seine Gerichte hin und wieder teilt. &bdquo;Die Aufmerksamkeit, die er bekommt, tut ihm gut. Und für mich ist es einfach schön, ihn glücklich zu sehen“, sagt sie. &bdquo;Die Hauswirtschaft bekommt erst dann Beachtung, wenn sie nicht mehr da ist“ Ihr Projekt zeigt deutlich, wie vielseitig der Beruf sein kann. Sein größtes Problem ist die mangelnde Sichtbarkeit: &bdquo;Die Hauswirtschaft bekommt erst dann Beachtung, wenn sie nicht mehr da ist“, erklärt Angela Lücke. Dann erst würde vielen Menschen bewusst, in wie vielfältiger Weise die Hauswirtschafterinnen und Hauswirtschafter das Lebensumfeld der Menschen innerhalb ihres Wirkungskreises verschönert hätten. Ann-Christin Ediger und ihre Mitschüler wünschen sich mehr gesellschaftliche Wertschätzung für ihre tägliche Arbeit. Und mehr Menschen, die Lust haben, ihren Beruf zu erlernen: &bdquo;Eigentlich sind wir überall die guten Seelen des Hauses“, sagt sie. Und die bräuchte doch eigentlich jeder Ort, an dem Menschen zusammen sind.

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