Lübbecker Meteorologe: "Ein erneut rekordverdächtiges Wetterjahr liegt hinter uns"

Lübbecker Land. Na klar, diesen Beruf würde er immer wieder gerne ausüben. &bdquo;Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“, erzählt der Lübbecker Meteorologe Friedrich Föst. Vielleicht oder auch gerade deshalb, weil das Wetter &bdquo;ein so chaotisches System ist, das sich immer wieder verändert“. Und gerade auch die Veränderungen, das Unvorhergesehene, das ständige Sich-auf-neue-Situationen-Einstellen und wiederum Neue-Berechnungen-Anstellen – das sei doch &bdquo;total spannend und immer wieder eine Herausforderung“, sagt Föst, der gerade in diesem Jahr etwas total Spannendes zu verkünden hatte: &bdquo;So warm wie zu diesem Silvester war es noch nie“, durfte er jetzt klar und deutlich die Datenlage mitteilen. Und das habe &bdquo;ganz klar etwas mit dem Klimawandel zu tun“, ist er sich sicher. Denn man müsse schon als seriöser Wissenschaftler genau überlegen, ob man solche Superlative und immer wieder neue Rekorde so mitteilen könne, um die Menschen nicht zu verunsichern. Dennoch sei es genauso gekommen, wie er es vorhergesagt habe. &bdquo;Ein erneut rekordverdächtiges Wetterjahr liegt hinter uns“, sagt der Lübbecker in seinem Jahresrückblick und fasst so das Wetter 2022 im Mühlenkreis zusammen. Gleich mehrere Wetterrekorde im Mühlenkreis Und jetzt kommen die Superlative: Deutschlandweit war es das wärmste Jahr seitdem es Wetteraufzeichnungen (ab dem Jahr 1881) gibt. Im Mühlenkreis selbst geht es gleich weiter mit den Rekorden: Das alte Jahr endete mit einem Paukenschlag, so Föst und das neue Jahr 2023 habe gleich mit einem neuen begonnen. Silvester und Neujahr wurden Jahrzehnte alte Rekorde gebrochen. Mit 16,7 Grad wurde an der Wetterstation des Deutschen Wetterdienstes in Rahden ein neuer Temperaturrekord nicht nur für Silvester, sondern gleich für den gesamten Dezember gemessen. Der alte Dezember-Rekord datierte vom 24. Dezember 1977 und lag bei 16 Grad. Auch an Neujahr war es noch nie so warm wie am 1. Januar 2023. In den frühen Morgenstunden des ersten Tages im neuen Jahr wurden satte 17 Grad gemessen – auch das sei ein neuer Rekord, nicht nur für Neujahr, sondern für den Januar insgesamt. Der alte Januar-Rekord lag bei 14,9 Grad am 5. Januar 1999 und wurde gleich um mehr als zwei Grad überboten. Angesichts solcher extremen Werte, die die Computer zunächst errechneten, überlege man schon, ob man das so übermitteln könne, sagt Föst im Gespräch mit nw.de. Warnungen vor Unwetter nehmen zu Ob sich der Klimawandel auf seine Tätigkeit bereits auswirkt? Seit 2006 versieht Föst seinen Job im Lübbecker Land aus und seit fünf Jahren arbeitet er auch für die Wetter-Manufaktur in Berlin, mit der er ans weltweite Wetterdatennetz und Tausende von Wetterstationen angebunden ist. Seine Daten werden sowohl von den heimischen Städten, den Feuerwehren und anderen Hilfsorganisationen, den Wasserverbänden und Energiekonzernen, für Online-Wetterdienste, den Arbeitsschutz in Firmen und Einrichtungen oder auch bei &bdquo;Radio Westfalica“ regelmäßig genutzt. Und da müsse er bereits feststellen, dass sich in einigen Arbeitsbereichen etwas verändere. Beispielsweise bei den Warnungen vor Unwettern oder Extremwetter. Vor allem vor Hitze, Trockenheit oder auch Starkregenereignissen musste der Meteorologe häufiger warnen. &bdquo;Das trifft auch auf das Lübbecker Land zu. Wir sind keine Insel der Glückseligen“, wird er deutlich. Erfahrung ist durch den Computer nicht einfach zu ersetzen Er habe seinerzeit das Hobby zum Beruf gemacht und es zu keiner Zeit bereut. Auch wenn man die meisten Daten natürlich heute per Computer erhalte, seien &bdquo;Erfahrung und Bauchgefühl“ nach wie vor erforderlich. Der Blick zum Himmel und in die Ferne, die Beobachtung der Luft und allgemeine Beobachtungen gehörten nach wie vor dazu. Er sei 24 Stunden im Dienst und es mache &bdquo;nach wie vor großen Spaß“. Der erste Schnee war kein Winter-Aprilscherz So hat er für das vergangene Jahr einige interessante Daten zusammengetragen. Der Winter 2021/2022 etwa habe seinem Namen keine Ehre gemacht. Statt Schnee und Kälte seien sehr milde Temperaturen vorherrschend gewesen. Als eine Art &bdquo;Aprilscherz“ des Winters sei dann auch einzuordnen, dass der erste nennenswerte Schnee in heimischen Gefilden erst zum 1. April gesehen wurde. Dafür kamen aber gleich große Mengen von mehr als zehn Zentimetern. Die tiefste Temperatur des vergangenen Jahres wurde erst am 18. Dezember gemessen mit minus zwölfeinhalb Grad. Der Sommer 2022 ging als viertwärmster im Mühlenkreis in die Geschichtsbücher ein. Der August war der wärmste August seit mindestens 130 Jahren. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 53 Sommertage gezählt. Außerdem dominierte große Trockenheit, so Föst. Er erwähnt ein Unwetter am 26. August, als innerhalb kürzester Zeit 80 bis 100 Liter Regen vom Himmel prasselten. Den ausgetrockneten Böden habe dies nichts gebracht, denn der Großteil des Wassers konnte von den betonharten Böden nicht aufgenommen werden und floss oberirdisch ab. Auch der Herbst sei ausgesprochen trocken ausgefallen, insbesondere Oktober und November brachten deutlich unterdurchschnittliche Niederschlagsmengen. Am trockensten war die Jahresbilanz in Stemwede mit örtlich nur 460 Litern Niederschlag auf den Quadratmeter. Im Bereich des Wiehengebirges war es mit 640 bis 570 Litern noch am nassesten. Es habe sich somit ein Niederschlagsdefizit von um die 100 bis 150 Liter aufgebaut. Zu wenig Regen, zu viel Sonne Was an Regen zu wenig war, glich die Sonne mit knapp 2.000 Stunden wieder aus – es war im Mühlenkreis das sonnigste Jahr seit 1959. Beim Thema Sturm hat Föst umfangreiches Datenmaterial gesammelt. Eine beispiellose Serie schwerer Sturmtiefs erreichte den Mühlenkreis Mitte Februar. Höhepunkt war am 18. Februar der Orkan Zeynep mit Spitzengeschwindigkeiten von 124 Stundenkilometern, an der Wetterstation in Lübbecke gemessen. Bemerkenswert sei auch das Auftreten von mehreren Tornados am 20. Mai gewesen. Sie hatten den Kreis nur knapp verfehlt.

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