Arzt erklärt: Warum nun auch Jüngere geimpft werden müssen

Rahden. Endlich gibt es Fortschritte beim Impfen. Jeder Dritte aus dem Kreis Minden-Lübbecke ist zumindest schon einmal gegen das Coronavirus geimpft worden. Zu denen, die im Impfzentrum in Unterlübbe aktiv sind, gehört auch der Rahdener Mediziner Wolfgang Adam. Im Gespräch mit der Neuen Westfälischen macht sich Wolfgang Adam Gedanken über den Umgang mit Impfstoffen, über Hilfe für Menschen in wirtschaftlicher Not und über die Schüler. Zudem gibt er eine Prognose für den Sommer ab – für die Urlaubszeit. Mal nur für Menschen unter 60, dann nur für Bürger über 60 Jahren und nun generelle Freigaben – der Impfstoff von Astrazeneca ist in die Diskussion geraten. Er würde keine Frau unter 60 Jahren mit einem solchen Vektor-Impfstoff impfen, merkt Adam an. Bei jüngeren Menschen sei die Impfung mit einem solchen Vektor-Impfstoff mit der Gefahr von Autoimmun-Thrombosen verbunden. &bdquo;Einige Länder haben diese Impfstoffe gar nicht zugelassen.“ Welche Rechnung der Arzt aufmacht Bis zum 40. Lebensjahr sind nach Angaben von Wolfgang Adam von drei Millionen Corona-Infizierten rund 300 verstorben. Das seien 1 zu 10.000 auf 3.000.000 Infizierte. Bei Frauen seien es 1 zu 20.000. Bei den seltenen Autoimmun-Thrombosen nach Vektor-Impfstoffen ( Astra) liegt nach Angaben von Wolfgang Adam das Verhältnis für jüngere Frauen, diese schwere Erkrankung zu bekommen, bei 1 zu 40.000. Fazit des Rahdener Mediziners: Für jüngere Frauen sei das Risiko, an Covid 19 zu sterben, nur unwesentlich größer als eine schwere Autoimmun-Krankheit zu bekommen. Und es habe doch immer geheißen, dass die Nebenwirkungen einer Impfung um ein vielfaches geringer sein sollten als das Risiko einer Erkrankung. Wolfgang Adam: &bdquo;Das war für mich als Kinderarzt immer die Prämisse bei einer Impfung.“ "Es bleibt eine persönliche Abwägung" Bei älteren Frauen oder Männern ist diese seltene Nebenwirkung nach Angaben Adams sehr viel seltener, aber grundsätzlich bestehe auch dort die Gefahr. &bdquo;Es bleibt eine persönliche Abwägung, da eine Impfung immer freiwillig ist.“ Von zehn Impflingen verweigere ein Großteil Astrazeneca, weil dieser Impfstoff durch wankelmütige Aussagen auch der Politik &bdquo;verbrannt wurde“, hat der Rahdener Mediziner beobachtet. In der Wirksamkeit seien Vekor-Impfstoffe wie die von Astrazeneca und Johnson & Johnson sehr gut, macht Wolfgang Adam deutlich. Gesundheitsminister Jens Spahn habe diese Impfstoffe für alle freigegeben, weil Politik und Behörden das Vertrauen in diese Stoffe ruiniert hätten. "Sind es den Jüngeren schuldig, nun etwas für sie zu tun" Wolfgang Adam rät, die Priorisierung aufzuheben und auch junge Menschen endlich zu impfen. Sie seien sonst doppelt gestraft – wegen Einschränkungen und dem Warten auf einen Impftermin. Wolfgang Adam: &bdquo;Außerdem sind wir es jetzt gerade den Jüngeren schuldig, etwas für sie zu tun.“ Durch die nach wie vor komplizierte Impfterminvergabe wie ein Windhundrennen sei eine Priorisierung nach Maß sowieso nicht möglich. Seine Kollegen würden auch in Schulen gehen und als mobile Teams impfen, sagt Wolfgang Adam. &bdquo;Aber dann ohne große Bürokratie mit zehn Zetteln und zehn Unterschriften.“ Jugendliche müssten vor den Sommerferien geimpft werden, fordert der Rahdener Mediziner. In den Sommerferien setzt Wolfgang Adam auf eine konzertierte Aktion: &bdquo;Es darf kein verlorenes Jahr der Kindheit und der Jugend geben.“ Es müsse auch nicht Lernstoff allein nachgeholt werden. Sport und das Erleben von Gemeinschaft seien mindestens genauso wichtig. In Rahden wäre der Präventionsrat bei einer solchen Aktion dabei, merkt Wolfgang Adam an. Es müssten aber alle mitziehen – Kommunen, Schulen, Lehrer, Eltern und Schüler. "Bis der digitale Impfpass kommt, wird Weihnachten sein" Der Rahdener Mediziner befasst sich auch mit anderen Aspekten des Impfens. Seinen Impfpass und die Bescheinigung habe er immer dabei. &bdquo;Man sollte beides mitnehmen. Bis der digitale Impfpass von Jens Spahn kommt, wird Weihnachten sein.“ Zudem hat Wolfgang Adam beobachtet, dass sich Menschen auch zwei Impftermine sichern. &bdquo;Wenn man zwei Termine ergattert hat, dann sollte man aber den absagen, der nicht mehr benötigt wird.“ Alles andere sei unsolidarisch. Der Kreis Minden-Lübbecke sei beim Impfen mit dem Impfzentrum und den Hausärzten gut unterwegs, lobt Wolfgang Adam alle Beteiligten. &bdquo;Gerade durch den Pragmatismus, beim Impfen keine Dosen verfallen zu lassen, haben wir im Kreis Minden Lübbecke hervorragende Zahlen von Erstgeimpften.“ Welche Kritik es beim Test gibt Vorübergehend sollten aus Sicht von Wolfgang Adam auch alle Einzelhändler, Friseure oder andere Unternehmen ihren Kunden Schnellteste anbieten können, um wieder normal ihre Arbeit aufnehmen zu können. Gleiches gelte auch für das Gastgewerbe. Jedes Mal aufwändig zu einem Testzentrum in einen anderen Ort fahren, das sei nicht pragmatisch. Wolfgang Adam: &bdquo;So durften zum Beispiel geschulte Unternehmen, Friseure und Händler, die von Ärzten unterrichtet und zertifiziert wurden, nicht ihre Kunden testen. Aber vor Kirchen und in Schulen oder sonst wo konnte jeder sich frei testen lassen – auch ohne Arzt oder Apotheker“, kritisiert er. Warum ein "Corona-Soli" Sinn macht Hinsichtlich der gravierenden wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise plädiert Wolfgang Adam für einen &bdquo;Corona-Soli“. &bdquo;Die Schere zwischen arm und reich wird immer größer und bedroht letztlich unsere Demokratie, besonders von Rechtsaußen. Vielleicht sollte auch hier der Bundesgerichtshof ein Urteil fällen, dass die zukünftige Gesellschaft, also unsere Kinder und Kindeskinder, nicht die ganze Bürde der Pandemie tragen müssen. Also her mit dem Corona-Soli für die Wohlhabenden und Reichen.“ Sie hätten während der Krise doch viel gespart. "Einigermaßen gerecht sollte es doch zugehen" &bdquo;Erst retten die Jungen die Alten und dann müssen sie auch noch die Zeche bezahlen“ – das könne es nicht sein. Gesundheitsminister Spahn sage, dass es nicht absolut gerecht zugehen könne. Das verlange auch keiner. Wolfgang Adam: &bdquo;Aber einigermaßen gerecht zugehen sollte es doch.“ Wer lade die Menschen ein, die keine Versicherungskarte hätten, keinen genauen Aufenthaltsort oder wer lade die einfachen armen Menschen ein, die sich schlecht einwählen könnten in die Impfzentren oder beim Hausarzt, fragt Wolfgang Adam. Virologe Christian Drosten erwartet einen entspannten Sommer und so sieht es auch Wolfgang Adam. Er erwarte einen guten Sommer, sagt der Rahdener. Wegen der Wärme werde das Virus nicht mehr so verbreitet und zusammen mit den Fortschritten beim Impfen halte er Urlaub im Sommer für möglich – &bdquo;wohl auch schon eher in vielen Gebieten“. Zuversichtlich ist er, dass die Menschen in NRW wieder in Kneipen draußen sitzen und ihr Bier trinken können.

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