Neue Spuren zum Flugzeugabsturz von 1944 im Wiehengebirge

Lübbecker Land. Eigentlich sollte die Junkers 88 G-6 zu einem neuen Geschwader überführt werden. Aber in Varel kam sie niemals an. Sie stürzte ab – vermutlich wegen schlechter Sicht. Die Geschichte von Ju 88 G-6, Werknummer 620172, liest sich wie ein Krimi. Am 14. November 1944 stürzte die Maschine im Bereich Obermehnen/Kahle Wart/Babilonie ab und riss vier Männer (Leutnant Horst Rüdiger Blume, Obergefreiter Siegfried Kautz, Unteroffizier Waldemar Scholz und Unteroffizier Rudolf Wilhelm) mit in den Tod. Die vier Männer hätten das Flugzeug an diesem Tag von der 3. Gruppe des NJG 2 zur 4. Gruppe des NJG 3 überführen sollen. Wie es genau zum Absturz kam, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Vermutlich war die schlechte Sicht über dem Wiehengebirge schuld daran, dass der Nachtjäger abstürzte. Damals wurde bereits eine erste Bergung vorgenommen, dabei wurden wohl auch die größeren Teile (zum Beispiel die Tragflächen) mitgenommen. Die Toten (Pilot, Copilot, Heckschütze und Navigator) liegen auf dem Friedhof &bdquo;Unter den Ulmen" in Gütersloh bestattet. Zwei Zufallsfunde trugen zur Aufklärung bei Die Stelle, wo der Flieger abgestürzt ist, kennt Gerd H. Niemeyer wie seine Westentasche. Der Wald ist schon lange im Besitz seiner Familie, &bdquo;ich gehe hier oft spazieren und schaue nach dem Rechten", sagt er. An den Tag, an dem er die ersten Flugzeugteile fand, kann er sich noch gut erinnern. Die Wildschweine seien schuld gewesen, meint er schmunzelnd. Die hatten in der Nacht den Erdboden durchwühlt und so zahlreiche Funde an die Oberfläche geholt. Dass die Teile (teils von der Außenhülle, teils vom Motor) zu einem Flugzeug gehören könnten, war Niemeyer nicht bewusst. Erst der Kontakt mit den Experten der &bdquo;Gesellschaft zur Förderung der Bodendenkmalpflege im Kreis Minden-Lübbecke" machte Niemeyer klar, was in dem Waldstück passiert war. Ein zweiter Zufallsfund, diesmal in Feldpostbriefen des Großvaters, bestätigte die Vermutung: &bdquo;Die Briefe meines Großvaters an meine Großmutter habe ich in der Schublade einer alten Nähmaschine gefunden und auch darin ist schon von dem Absturz die Rede." Warum der Großvater in seinem Feldpostbrief auf dieses Thema zu sprechen kam? Weil der Flieger auf einer Parzelle niedergegangen war, die bis heute der Familie Niemeyer gehört. In dem Brief an die &bdquo;liebe Grete" heißt es: &bdquo;Du schreibst, dass du im Berg gewesen seiest. Da sei ein Flugzeug niedergegangen in unserem Bergteil. Ist der Eichbaum unbeschädigt geblieben? Es wäre schade, wenn er kaputt wäre (...) Erkundigt Euch dann mal, ob Ihr Schadensersatz beanspruchen könnt." Wie die Geschichte weiterging, weiß Niemeyer nicht. Nur, dass es Gerüchte im Ort gab, dass die Soldaten tot in den Bäumen gehangen hätten. Viele Informationen seien wohl auch durch die Geheimhaltung im Krieg verloren gegangen. Wünschen würde sich Niemeyer, dass eine Stele oder ein Kreuz an der Absturzstelle angebracht wird. Auch eine Führung mit Fundstücken könne er sich durchaus gut vorstellen. &bdquo;Ich möchte, dass die Erinnerung an diesem Krieg wach gehalten wird", sagt er. Wo die Maschine abgestürzt ist, ist gut zu erkennen An die Ausgrabung der noch vorhandenen Flugzeugteile machten sich dann Mitglieder der "Gesellschaft zur Förderung der Bodendenkmalpflege im Kreis Minden-Lübbecke" und der &bdquo;Arbeitsgruppe Luftfahrtarchäologie". Zwei Tage waren sie mit den Ausgrabungen beschäftigt, am Ende waren über 150 Fundstücke zusammengekommen. &bdquo;Eines der wichtigsten Dinge für uns ist, die Maschine zu identifizieren", erklärt Experte Ole Uecker. &bdquo;Das Ganze ist wie ein Puzzle, das wir, indem wir immer mehr Teile finden, nach und nach zusammensetzen", ergänzt Daniel Bake, Geschäftsführer der &bdquo;Gesellschaft zur Förderung der Bodendenkmalpflege im Kreis Minden-Lübbecke". Einig sind sich beide: &bdquo;Wenn man alles zusammennimmt, sind wir uns sicher, den Typ der Maschine zu kennen." Ein wichtiges Indiz war beispielsweise das nur Millimeter große Symbol der Junker-Werke. Wo die Maschine abgestürzt ist, ist im Boden gut zu erkennen. &bdquo;Da ist mitten im Lössboden ein Bereich, der ganz schwarz und verbrannt ist", erklärt Uecker. Für ihn ein Zeichen, dass hier die Maschine ausgebrannt ist. Und tatsächlich finden sich genau in diesem Bereich die meisten Fundstücke: der Pluspol einer Batterie, Plexiglas, ein längliches Rohr, ein Teil eines Schusszählers. Andere Stücke weisen auf die Opfer des Flugzeugabsturzes hin: ein Teil eines Gürtels, der Knopf einer Fliegerhaube, ein Messer. &bdquo;Das sind teils sehr persönliche Dinge, die uns zeigen, dass hier Menschen gestorben sind", macht Uecker deutlich. Ihm sei es wichtig, dass mit der Identifizierung auch Angehörigen im In- und Ausland geholfen werden könne. &bdquo;Da hängen Schicksale dran – und bis heute gibt es, sobald eine Werknummer ins Netz gestellt wird – Reaktionen und Anfragen." Daniel Bake ist noch etwas anderes wichtig. Er möchte &bdquo;eine Geschichte erzählen, eine Geschichte über einen wahnsinnigen und unnötigen Krieg". Raubgräber gibt es auch in Minden-Lübbecke Bake wäre es am liebsten, &bdquo;wenn dieser Platz vom Kreis als Bodendenkmal geschützt wird". Dann wäre Raubgräberei nämlich keine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat. Denn Raubgräber gibt es auch in Minden-Lübbecke. &bdquo;Die suchen nach Patronen, waschen sie aus und verkaufen sie bei E-Bay", meint er kopfschüttelnd. Anderen sei nicht klar, dass jede Grabung genehmigungspflichtig ist, &bdquo;selbst wenn sie auf dem eigenen Grundstück stattfindet". Das Problem: &bdquo;Wer einfach drauflos gräbt, zerstört den Kontext möglicher Fundstücke und macht sie damit wertlos."

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