Lübbecke. Sie sind die heimlichen Herrscher der Welt, etwa 48 Prozent aller Tiere sind Insekten. Doch wie lange noch? Die wissenschaftlich fundierte Studie einer Krefelder Forschergruppe aus dem Jahr 2015 weist nach, dass innerhalb eines Zeitraumes von 25 Jahren die „Insekten-Biomasse" um 75 Prozent zurückgegangen ist. Sie benötigen für ihre Lebensweisen bestimmte Landschaftsstrukturen. Schließlich werden rund 90 Prozent aller Kulturpflanzen weitestgehend von Bienen, Hummeln und anderen Insekten bestäubt. Grund genug, den Fakten nachzuspüren, die für diesen alarmierenden Zustand mitverantwortlich sind.
Der Kreisverband Bündnis 90/Die Grünen Minden-Lübbecke und die Ortsverbände Rahden und Lübbecke haben zusammen mit dem NABU-Kreisverband Minden-Lübbecke am Mittwochabend im NABU-Besucherzentrum Moorhus die Ausstellung „Irrweg Pestizide" des NABU-Regionalverbands Angermünde eröffnet, die nicht nur die schädlichen Folgen des Pestizid-Einsatzes, sondern auch Alternativen aufzeigt. Mit Norwich Rüße, Sprecher für Landwirtschaft, Natur-, Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz der Grünen im NRW-Landtag und Landwirt im Nebenerwerb, führte ein Fachmann in die Ausstellung ein.
Das Thema ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen
Wie sehr das Thema in der „Mitte der Gesellschaft angekommen ist" und den Menschen unter den Nägeln brennt, zeigten die vielen Besucher, die Hermann Nagel (NABU) zur Eröffnung im Moorhus begrüßen konnte. Neben dem Klimaschutz sei das Artensterben das dringlichste Problem, betonte Norwich Rüße. Er ist aber auch überzeugt, dass man als Weltgemeinschaft global etwas erreichen könne, und nannte als Beispiel die Erholung der Ozonschicht, unter anderem eine Folge des weltweiten Verbots von FCKW.

Norwich Rüße nannte einige alarmierende Zahlen, die deutlich machten, dass der „Zustand der Natur dramatisch schlecht ist" und Politik und Gesellschaft dringend gefordert sind, etwas zu ändern. So seien 45 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten in NRW gefährdet, laut EU-Bericht stehe jede dritte Vogelart auf der Warnliste, 48 Prozent der Wildbienenarten seien bedroht und auch Schmetterlinge als wichtige Bestäuber in Gefahr. Laut UN sind eine von acht Millionen Arten weltweit vom Aussterben bedroht.
Zudem befänden sich in den intensiv genutzten Agrarlandschaften 77 Prozent der Lebensräume in einem unzureichenden oder schlechten Zustand, nur noch sechs Prozent der Flüsse und Seen verfügten über ein intaktes Ökosystem, in den vergangenen 40 Jahren seien die Grünlandflächen in NRW mehr als halbiert worden und der Flächenfraß gehe weiter. „Täglich gehen rund 15 Hektar wertvolle Natur durch Versiegelung verloren", klagte Rüße.
„Wir brauchen ein generelles Umdenken!", forderte er. „Ich bin überzeugt, die Lösung liegt nicht in dem Anlegen von Blühstreifen." Die Frage sei vielmehr: „Brauchen wir nicht eine andere Kulturlandschaft?" Die er mit einem klaren Ja beantwortete.
Politik muss ökologische Leitplanken aufstellen
Pestizide seien Teil eines ökologisch problematischen Systems, eine weitere oder auch gleichbleibende Intensivierung der Landwirtschaft bedeute, dass das Artensterben nicht zu stoppen ist. „Es muss sich in der Fläche deutlich etwas ändern!" Die entscheidende Frage sei: Wie wollen wir eigentlich leben und sind wir bereit, für eine Landwirtschaft, die Natur und Umwelt schont, entsprechend Geld auszugeben? Die Politik müsse mutiger werden und soziale und ökologische Leitplanken einbauen.
Auf 13 Tafeln beschreibt die Ausstellung die Folgen der Pestizidanwendung im Boden, bei Tieren, Pflanzen und beim Menschen. Behandelt werden Themen wie Erkrankung von Menschen, Resistenzentwicklung, Agro-Gentechnik und „Wer daran verdient". Ferner werden die Zusammenhänge aufgezeigt, die einen Wandel so schwer machen.
Ein wichtiger Aspekt der Ausstellung ist die Darstellung der Alternativen, die in zehn Strategien des ökologischen Landbaus beschrieben sind. Die 13. Tafel mit der Überschrift „Ökologische Intelligenz" zeigt mögliche Wege aus der Pestizidproblematik.
Den Organisatoren der Ausstellung geht es nicht darum, polemisch zu agitieren und Chemie in der Landwirtschaft zu verteufeln, sondern verständlich und anschaulich aufzuklären, welche nachhaltigen Folgen ein Zuviel an chemischen Unkraut- und Schädlingsvernichtungsmitteln hat und welche Alternativen es gibt. Bis zum 30. November ist die Ausstellung im NABU-Besucherzentrum Moorhus, Frotheimer Straße 57a in Lübbecke-Gehlenbeck, zu sehen.