Nach Stadtwerke-Schwarmfinanzierung: "Verträge sind einzuhalten"

Lübbecke. Nachdem der Versuch gescheitert ist, von Kunden der Stadtwerke Lübbecke Darlehen über 2,5 Millionen Euro einzusammeln und damit die Übernahme des Rahdener Gasnetzes zu finanzieren, stellt sich die Frage: Wie hoch sind die Kosten und wer muss dafür aufkommen? Der Vorsitzende der LK-Fraktion, Bernd Sasse-Westermann, schätzt den "nicht unerheblichen Schaden" nach Steuern auf netto 40.000 Euro und meint: "Mit dem verloren gegangenen Geld hätte man sicherlich zwei Spielplätze bauen können." Deshalb hat er in einem Brief an Bürgermeister Frank Haberbosch die Stadtverwaltung aufgefordert zu prüfen, in wie weit "Schadenersatz gegen die Mitglieder des Rates, die diesem Beschluss zugestimmt haben, durchzusetzen ist." Gemeint sind offenbar SPD und WL, die mit ihrer Mehrheit im Stadtrat das Projekt ermöglicht hatten (¦ Info). »Wir wollten nicht zu einer Bank werden« Gesellschafter der Stadtwerke Lübbecke sind mit 96,17 Prozent der Anteile die einhundertprozentige Stadt-Tochter Wirtschaftsbetriebe Lübbecke (WBL) und mit 3,83 Prozent die Stadt Lübbecke. Folglich überbrachten der Bürgermeister und Finanzdezernent Dirk Raddy, zugleich WBL-Geschäftsführer, in der jüngsten Ratssitzung die schlechte Nachricht: "Die Idee hat nicht funktioniert, das Projekt kommt nicht an", sagte Haberbosch. Raddy ergänzte, statt 2,5 Millionen Euro seien nur 104.000 Euro zusammengekommen. 40 Kunden hätten 2.500 Euro investiert, vier weitere 500 bis 2.000 Euro. Im Exklusivgespräch mit der Neuen Westfälischen hat sich jetzt Stadtwerke-Geschäftsführer Markus Hannig zu den möglichen Gründen des Scheiterns und den finanziellen Folgen geäußert. Demnach ist die Idee zu einem alternativen Finanzierungs-Modell in dem mit Lokalpolitikern besetzten "Arbeitskreis Strategie" der Stadtwerke entstanden. Er ist personell identisch besetzt wie das Aufsichtsgremium, die Gesellschafterversammlung, diskutiert aber ohne feste Tagesordnung. Dann wurde ein Finanzberater eingeschaltet, um Alternativen zu prüfen. Die Wahl fiel auf "Schwarmfinanzierung" Die Wahl fiel auf "Schwarmfinanzierung", Crowdfunding: "Wir wollten den personellen Aufwand gering halten und aufgrund von Vorgaben wie einer Prospektpflicht nicht zu einer Bank werden", sagt Hannig. So entstand das Limit von 2,5 Millionen Euro - die Hälfte des Gesamtbetrages, den die Stadtwerke nun komplett über Banken finanzieren müssen. Für etwas über ein Prozent Kreditzinsen und nicht, wie in der damaligen Diskussion genannt, von 0,25 Prozent. Zunächst gab es Befürworter von Darlehenssummen bis zu 10.000 Euro, erinnert Hannig sich. Das erschien denen, die sich sogar eine "Überzeichnung" vorstellen konnten - eine stärkere Nachfrage nach den mit zwei Prozent verzinsten Darlehen als die Stadtwerke hätten anbieten konnten - zu hoch. Deshalb wurde die Darlehenssumme für Kunden auf Beträge zwischen 500 und 2.500 Euro reduziert. Auch die Möglichkeit, statt Geld in das Projekt zu investieren - allein die Nutzung der Internetplattform kostet über fünf Jahre 75.000 Euro - die Bezugstarife für Stadtwerkekunden zu senken, ist Hannig zufolge diskutiert worden. Sie wurde aber verworfen, denn: "Es wäre nicht viel bei den Kunden angekommen." Die Antwort auf die Frage, warum die Bürgerbeteiligung, die bis Ende Juni möglich war, auf so geringe Resonanz gestoßen ist, hält Hannig offen. Vielleicht sei das Gasnetz Rahden als Anlage nicht "sexy" genug gewesen, wie vom Berater empfohlen. Vielleicht sei der Zinsgewinn über fünf Jahre zu niedrig, die Mindestanlage von 500 Euro zu gering und die Begrenzung auf 2.500 Euro falsch gewesen. "Angemessen beworben wurde das Projekt jedenfalls", ist Hannig sicher. Zahlen werden erst im Rat am 20. September genannt Bedeckt hält der Geschäftsführer sich bei der Höhe des "Schadens". Er wolle zunächst die Verwaltung und die Politik informieren, so Hannig, der das Thema auf der Tagesordnung der nächsten Ratssitzung am 20. September sieht. Auf die Frage, ob die Stadtwerke den Darlehensgebern nun den über fünf Jahre laufenden Vertrag kündigen werden, wie von einigen Ratsmitgliedern gefordert, gibt er als persönliche Auffassung wieder: "Verträge sind einzuhalten." Er geht davon aus, dass das erfolglose Projekt die Wertschätzung der Kunden für die Stadtwerke nicht gemindert hat, zumal das übliche Unternehmensbudget von diesem Pilotprojekt nicht berührt werde. Das sicherzustellen sei ihm von Anfang an wichtig gewesen, damit beispielsweise die Sponsorentätigkeit der Stadtwerke nicht eingeschränkt werden müsse. Abgeschreckt hat der geplatzte Versuchsballon Hannig jedenfalls nicht, denn er sagt: "Ich stehe Finanzierungs-Alternativen auch künftig offen gegenüber."

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