
Lübbecke. Mit den Stimmen des Haupt- und Finanzausschusses hat die Verwaltung einem Vergleich mit der insolventen Fortriede GmbH zugestimmt, die den Lübbecker Haushalt zusätzlich mit 50.000 Euro belastet. Dies geht aus einer Beschlussvorlage hervor, die der NW vorliegt. Vor dem Landgericht Bielefeld hatte der Insolvenzverwalter des Architekturbüros auf Schadensersatz geklagt, nachdem die Stadt einen mit ihm geführten jahrelangen Rechtsstreit über versagte Baugenehmigungen verloren hatte. So erscheint das Lübbecker Bauamt innerhalb kurzer Zeit wiederholt in keinem guten Licht - zumindest auf den ersten Blick.
Erst im November hatte ein Richter am Landgericht Bielefeld seine Verwunderung darüber geäußert, dass dem Bauherrn Karsten Schmidt überhaupt eine Baugenehmigung für dessen überdimensionierte Gartenterrasse an der Oberen Tilkenbreite erteilt wurde. Im Fall des Architekten Werner Fortriede wiederum, der entlang der Hardenbergstraße (nahe B 239) um 2010 herum eine Spielhalle errichten wollte, wurde der Bau rechtswidrig untersagt.
Der vor dem Landgericht Bielefeld vorgeschlagene Vergleich sah vor, dass die Stadt Lübbecke 100.000 Euro Schadenersatz leistet. Für so einen Fall hat sich die Stadt bei der GVV Kommunalversicherung abgesichert. Diese ist jedoch der Ansicht, dass kein eindeutiger Haftungsfall vorliegt, da die Stadt mit der Erteilung negativer Bauvorbescheide rechtswidrig gehandelt habe. Die GVV teilte der Verwaltung schon Ende Juni 2016 mit, dass sie nur bereit sei, die Hälfte des Schadenersatzes zu übernehmen.
Anschließend drängte die Zeit. Bis zum 30. Juli musste darüber entschieden werden, ob der vorgeschlagene Vergleich angenommen werden soll. Würde man diesen Weg ausschlagen und auf eine gerichtliche Klärung drängen, bestünde laut GVV ein "erhebliches Risiko", dass sich die Schadenssumme deutlich erhöhe. Doch die Bedingung der Versicherung war eindeutig: Die Stadtkasse soll 50.000 Euro übernehmen.
Fortriedes Bauprojekt am ehemaligen Standort der Diskothek "Tenne" stand seit dem Wechsel im Bürgermeisteramt 2009 unter keinem guten Stern. Noch im September des gleichen Jahres hatte der Bauausschuss einem Antrag für ein "Sondergebiet mit der Bestimmung Spielcasino/Tankstelle" zugestimmt.
Als Eckhard Witte (CDU) wenige Wochen später Susanne Lindemann (SPD) ablöste, änderte sich die Meinung des Ausschusses. Im Frühjahr 2010 befürchtete man Lärm, Nachbarschaftskonflikte und ein negatives Straßen- und Stadtbild.
"Bemerkenswert fand Werner Fortriede diesen Sinneswandel innerhalb weniger Monate, wie er damals im Gespräch mit der NW sagte. Das Bauvorhaben wurde schließlich abgelehnt.
Für den Haupt- und Finanzausschuss, der in seiner Sitzung am 28. Juli 2016 der Zahlung über 50.000 Euro zustimmte, war mit der Entscheidung ein heißes Eisen vom Tisch: Ein Rechtsstreit, der auch durch die Politik ausgelöst wurde, könnte nach Jahren endgültig beendet werden. Und die Öffentlichkeit würde von der Zahlung keine Kenntnis erlangen, da die Entscheidung im nichtöffentlichen Teil der Sitzung fiel. Auf Anfrage wollte sich die Verwaltung bislang nicht zu dem Komplex äußern.
Ist das Bauamt nun der Schuldige? Es mehren sich Zweifel, denn es gibt immer deutlichere Hinweise, dass es sowohl in der Causa Karsten Schmidt als auch Werner Fortriede politische Einflussnahmen auf die Bewertung der Bauvorhaben gab. In Sachen Riesenterrasse kostete es die Stadt nur Ansehen. Bei Fortriede sind es 50.000 Euro.