Bedrückende Aussagen vor Gericht zu sexuellem Missbrauch

Hüllhorst. Das Leiden für einen heute 29-jährigen ehemaligen Hüllhorster nimmt kein Ende. Vor rund 17 Jahren soll er von einem 58-Jährigen sexuell schwer misshandelt worden sein. Der wurde im November vergangenen Jahres wegen schwerem sexuellem Missbrauch in Tateinheit mit Vergewaltigung gegenüber einem Jungen vom Landgericht Bielefeld zu einer Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt worden. Doch der Mann legte erfolgreich Revision ein. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und verwies es an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurück. Das oberste Gericht sah Lücken in der Urteilsbegründung bezüglich des damaligen Alters vom Opfer. So sei nicht klar, ob das Opfer zum Zeitpunkt der Taten jünger als 14 Jahre gewesen sei. Damit muss jetzt das gesamte Verfahren einschließlich der Beweisführung wiederholt werden. So blieb es dem Opfer nicht erspart, am 2. November, dem ersten Verhandlungstag, noch einmal zu den als Kind erlittenen Qualen und sexuellen Übergriffen auszusagen. "Es fiel ihm schwer, über die Vorfälle detailliert zu reden" Gestern, am zweiten Prozesstag, waren insgesamt sieben Zeugen geladen, darunter eine Ermittlerin der Paderborner Polizei. Ihr hatte sich das aus Russland stammende Opfer 2018 als Erste anvertraut und damit das Strafverfahren in Gang gesetzt. Die Kriminalkommissarin bearbeitet Sexualdelikte und schilderte vor Gericht die erste Begegnung mit dem Opfer. &bdquo;Das Gespräch war nicht einfach und sehr lang. Der Mann wirkte gehemmt. Es fiel ihm schwer, über die Vorfälle detailliert zu reden", sagte die Polizistin aus. Zum ersten Mal vertraute sich der damals 27-Jährige einer Person an. Er war mit seinen Eltern, Oma und weiteren elf Geschwistern 2004 aus Russland nach Hüllhorst übergesiedelt. Der jetzt Angeklagte, Mitglied einer Baptistengemeinde, half den Eltern bei der Wiedereingliederung, bei Behördengängen und suchte schnell den Kontakt zu dem damals 13-Jährigen. Im Keller der Notunterkunft, in der die Großfamilie untergekommen war, soll dann der erste sexuelle Missbrauch mit einer Vergewaltigung stattgefunden haben. Auf späteren Spaziergängen soll er den Jungen immer wieder im Intimbereich angefasst haben und ihn genötigt haben, auch an ihm sexuelle Handlungen durchzuführen. &bdquo;Ich spürte, und das sagte mir auch mein Bauchgefühl, dass hier etwas nicht stimmt. Der Mann schien entschlossen, nach einer langen Leidenszeit auszupacken. Sein Begründung hierfür war, er wolle sich nicht vorstellen, dass auch andere Kinder das durchmachen müssten, was er erlitten habe", berichtete die Polizistin von dem Gespräch. Mindestens 100 Mal sei er sexuell traktiert worden Schon zwei Monate nach dem Bezug der Notunterkunft in Hüllhorst habe sein Martyrium begonnen. Der derzeit 41-Jährige lockte mit Versprechungen, die aber nicht gehalten wurden. Wenn er einem anderen über die Vorfälle erzählen würde, passiere etwas ganz Schlimmes. Die Gesamtzahl der Übergriffe konnte er kaum schätzen. Mehrfach die Woche, mindestens 100 Mal sei er sexuell traktiert worden. Immer wieder habe er bei den Taten, zum Teil Vergewaltigungen, starke Schmerzen verspürt und Verletzungen erlitten, so die damaligen Aussagen des Opfers gegenüber der Paderborner Polizistin. Während dieser kaum zu ertragenden Schilderungen saß der Angeklagte, ein großer und stämmiger Mann, wie ein Häufchen Elend auf der Anklagebank. Er knetete immer wieder seine Finger oder stützte den Kopf in seine Hände. Zur Sache will er nicht aussagen. Seine Ehefrau, ebenso als Zeugin geladen, aber nicht erschienen, wurde telefonisch vom Vorsitzenden Richter kontaktiert. Sie wolle nicht erscheinen, mache von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Ansonsten liebe sie ihren Mann, er sei unschuldig, ließ der Richter dann im Sitzungssaal verlauten. Sexualität sei ihm fremd gewesen Da das Opfer inzwischen in Niederbayern wohnt, wurde vom Gericht auch als Zeuge ein Polizist der Landshuter Polizei vernommen. Er hatte das Opfer ebenso vernommen und einen Fragenkatalog der Bielefelder Staatsanwaltschaft abgearbeitet. &bdquo;Man konnte sich sehr gut mit ihm unterhalten. Sein Verhältnis zur Familie war, im Gegensatz zum Angeklagten, eher gestört. Als Kind vertraute er sich niemandem an, sondern machte seine Probleme mit sich selbst aus. Er habe das Vorgehen überhaupt nicht richtig einordnen können. Sexualität sei ihm fremd gewesen", berichtete der bayerische Polizeibeamte von seiner Vernehmung. Ansonsten habe das Opfer detailliert die Leiden geschildert, die es durch den jetzt wiederum Angeklagten erlitt. Während der Vernehmung kam auch ein Vertrag zwischen Opfer und mutmaßlichem Täter zur Sprache. Den hatten beide nach der ersten Aussage des Opfers bei der Polizei in Paderborn geschlossen. Einvernehmlich unterschrieb man ein Papier, in dem das Opfer keine weiteren rechtlichen Schritte verfolgen wolle und als Gegenleistung dafür ein Schmerzensgeld von 5.000 Euro erhalte. Dieser Betrag wurde auch gezahlt. Doch das Strafverfahren konnte durch diesen Vertrag natürlich nicht aufgehalten werden. Das Opfer muss nicht mehr vor Gericht erscheinen. Zu klären bleibt für das Bielefelder Landgericht, wie alt das Opfer bei den sexuellen Übergriffen genau war. Bei der Strafbemessung macht es einen Unterschied, ob ein 13- oder ein 14-Jähriger sexuell missbraucht wird.

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