1.500 Euro für 30 Minuten Arbeit: Handwerker nutzen Hilflosigkeit einer Minden-Lübbeckerin aus

Minden/Bad Oeynhausen/Hille. Plötzlich ist kein Saft mehr da und alles aus. Ute Möller befindet sich an diesem Freitagnachmittag im Garten und geht ins Haus, als sie den Stromausfall bemerkt. Sie möchte den Schalter am Sicherheitskasten bewegen, doch der klemmt. Die Alleinstehende wählt eine Handwerkernotrufnummer, erlebt am Ende eine böse Überraschung und ist 1.500 Euro los. Später stellt sich heraus: Das Unternehmen selbst ist dubios, der mutmaßliche Geschäftsführer saß bereits hinter Gittern. Ute Möller (Name geändert) schämt sich dafür, was ihr widerfahren ist. &bdquo;Ich war überfordert und hatte ein Brett vorm Kopf.“ Niemals hat die 63-Jährige geglaubt, dass ihr so etwas geschehen könne. Mitte Oktober wählt die Hillerin, die inzwischen in Bad Oeynhausen wohnt, nach einer kurzen Internetrecherche die Nummer der Firma Seibel. Das Unternehmen wirbt damit, dass es Handwerkerarbeiten in Porta und Bad Oeynhausen erledigt. Drei Stunden nach ihrem Anruf hört sie nichts, dann meldet sich jemand. &bdquo;Ich war überfordert“ Zwei Männer rufen zurück und stehen schon bald vor ihrer Tür in der Kurstadt. &bdquo;Beide waren freundlich, gaben sich als Bielefelder aus, hatten Klamotten der Marke Engelbert Strauss an und müssten um die 30 Jahre alt gewesen sein“, erinnert sich die 63-Jährige. Als Angestellte der Firma Seibel haben sie sich allerdings nicht vorgestellt. Recht fix beheben sie das Problem und tauschen den Fehlerstrom-Schutzschalter aus. Ein Ersatzstück kostet im Handel deutlich unter 50 Euro. &bdquo;In nicht mal 30 Minuten waren sie fertig und stellten die Rechnung aus“, sagt Ute Möller. Ihr Fehler? Sie habe einfach unterschrieben. &bdquo;Ich war überfordert.“ Für ihre Abrufbereitschaft berechnen die Handwerker 300 Euro, hinzu kommt ein Abendzuschlag von 333 Euro, eine Anfahrtspauschale von 69 Euro, 300 Euro für die Arbeit und 400 Euro für den Schutzschalter. Insgesamt stehen unterm Strich: 1.666,69 Euro. Möller soll direkt 1.500 Euro anzahlen. &bdquo;Sie hatten ein Gerät dabei, aber es konnte meine Karte angeblich nicht lesen.“ Daraufhin fährt sie mit beiden zur Volksbank, holt das Geld in bar aus einem Geldautomaten und überreicht es den Männern. &bdquo;Ich wollte sie einfach loswerden, anders ging es nicht - ich hätte nicht gewusst, wie.“ Schon bald wird der Frau klar, dass sie wohl auf Betrüger hereingefallen ist und dabei neben der Spur gewesen sein muss. &bdquo;Eigentlich habe ich Menschenkenntnis“, bemerkt sie. Die Spur führt zu Thomas Mannstaedt Auf dem Briefkopf der Rechnung ist die Firma Haustechnik M.B mit Sitz in Essen angegeben. Das ist offenbar nur eine Briefkastenadresse, im Internet lässt sich nichts zu dem Unternehmen finden. Der Südwestrundfunk (SWR) stieß bei Recherchen auf ein ähnliches Konstrukt. Ein Stuttgarter sprach in seiner Not ebenfalls mit einer Firma Seibel, die Handwerker schrieben die Rechnung ähnlich wie bei Möller im Namen der &bdquo;Haustechnick A.S.“ aus Hannover. Recherchen des SWR zufolge handelt es sich dabei um ein Firmengeflecht. Hinter der Seibel GmbH & Co. KG soll die Notdienst-Zentrale24-Beteiligungs GmbH stehen, dahinter die Heltom GmbH aus Regensburg. Nach SWR-Angaben heißt deren Gesellschafter Thomas Mannstaedt. Unterschiedliche Medien berichteten schon mehrmals über seine Handwerker-Vermittlungsgeschäfte und die von seinen Dienstleistern aufgerufenen astronomischen Preise. Der Geschäftsführer saß im vergangenen Jahr mehrere Wochen in U-Haft. Die Regensburger Staatsanwaltschaft wirft ihm banden- und gewerbsmäßigen Betrug in mehr als 200 Fällen sowie Wucher vor. Eine MT-Anfrage zu dem konkreten Fall aus dem Mühlenkreis ließ der Bayer unbeantwortet. Die Redaktion wolle auch wissen, ob er hinter der Rechnung steht. Polizei ermittelt nun Ute Möller hat inzwischen bei der Polizei eine Strafanzeige gestellt und geht nun juristisch gegen die Handwerker vor. &bdquo;In dem Vertrag bin ich nicht über das Widerrufsrecht belehrt worden“, habe die Frau von ihrer Anwältin erfahren. Auch Wucher als Vorwurf stehe im Raum, was zivil- und strafrechtliche Folgen haben könnte. &bdquo;Ich will das nicht einfach so stehen lassen“, sagt die Betroffene. Von ihrer Hausratversicherung habe sie erfahren, dass die Dienstleistung eigentlich rund 200 Euro hätte kosten müssen. Polizeisprecher Nils Schröder bestätigt, dass die Beamten die Ermittlungen aufgenommen haben. Die Polizei empfehle, bereits vor einem Notfall entsprechende Kontaktnummern von örtlichen Handwerkern herauszusuchen und sich abzuspeichern. &bdquo;Stellen Betroffene fest, dass mutmaßliche Betrüger im Haus sind, dann sollte der Polizeinotruf 110 gewählt werden“, so Schröder. Die Polizei könne vor Ort die Sachlage bewerten und die Personalien der Beteiligten zweifelsfrei feststellen. Betrüger im Bereich Wucher würden oft mit allen Tricks arbeiten. &bdquo;So filmen diese beispielsweise die Situation mit den Betroffenen vor Vertragsabschluss und fragen sinngemäß: &bdquo;Wollen Sie das jetzt wirklich, das wird aber teuer“,“ teilt Schröder mit. Ziel sei es, Beweismittel in der Hand zu haben, dass das Geschäft ordnungsgemäß vereinbart worden sei. &bdquo;Wir raten außerdem dazu, möglichst vor Ort nicht bar zu zahlen, sondern auf eine Rechnung zu bestehen.“ Ähnliches empfiehlt auch die Verbraucherzentrale und informiert, dass viele unseriöse Anbieter mit gekauften Anzeigen weit oben bei den Suchergebnissen im Internet landen. Diese schmerzvolle Erfahrung musste auch Ute Möller machen.

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