So lief der Start des Impfzentrums im Kreis Minden-Lübbecke

Hille. Es ist rührend anzusehen, wie wacker und entschlossen die zierliche alte Dame ihren Rollator durch den Matsch bugsiert. Sie ist schon so weit gekommen. Als eine der Ersten hat sie einen ü80-Termin im Impfzentrum Unterlübbe ergattert. Jetzt marschiert sie mit Hilfe ihrer Tochter, die sie sanft am Arm unterstützt, über den Parkplatz. Von hier an sind es nur noch wenige Meter bis zu ihrer ersten Corona-Impfung. Gestern haben die 53 Impfzentren in Nordrhein-Westfalen ihre Arbeit aufgenommen, die Sporthalle in Unterlübbe wurde dazu umgerüstet. Impfen gegen Corona – Hoffnung in kleinen Dosen. Wer an diesem Montag hier ist, hat sozusagen den Doppel-Jackpot gewonnen: Er oder sie hat (erstens) einen der heiß begehrten Termine bekommen und sich (zweitens) erfolgreich durch die Schneeberge gekämpft. Das ist nicht selbstverständlich. Es schneit ohne Unterlass. Das Räumfahrzeug fährt zwar ständig die Schulstraße hoch und runter. Weil die Seitenstreifen aber vom Schnee blockiert sind, finden die Autofahrer kaum einen Parkplatz. Schon um 13 Uhr sind die ersten Impflinge hier angekommen, obwohl es erst um 14 Uhr losgeht. Einige bleiben im Auto sitzen und lassen den Motor laufen. Kaffee und Tee standen bereit Genaue Zeitpläne sind ohnehin nur Schall und Rauch. Am Impfzentrum sind schon den ganzen Tag über Helfer im Einsatz, um den Impfstart trotz der Schneemassen so wenig chaotisch wie möglich zu gestalten: Polizei, Security, Bundeswehr und Deutsches Rotes Kreuz. Allein vom DRK sind sechs Leute vor Ort, sagt Rotkreuzleiter Leroy Telke (Ortsverein Hille). In einem aufblasbaren und beheiztem Zelt stellen er und seine Kollegen Kaffee und Tee bereit. Bei den aktuellen Minustemperaturen können die Impflinge und deren Angehörigen die kleine Aufwärmung gut gebrauchen. Noch wichtiger ist allerdings der Sanitätsdienst: &bdquo;Falls es jemandem schlecht gehen sollte nach der Impfung, sind wir da." Ein gefragter Mann an diesem Tag ist auch Ralf Schymon, der technische Leiter des Impfzentrums in Unterlübbe. Sein innerer Wecker hat ihn schon um 3.30 Uhr geweckt: &bdquo;Vermutlich war ich heute Morgen genauso nervös wie die Impflinge", sagt er. Jedenfalls hat er gegen Mittag schon ein strammes Programm hinter sich: &bdquo;Gefühlte 60 Telefonate waren es heute schon." Denn die Logistik, die hinter dem Impfstart steckt, ist nicht zu unterschätzen. Am größten war die Sorge, dass der Impfstoff überhaupt, und wenn ja, rechtzeitig ankommt. &bdquo;Die Lieferung war zwischen 9 und 9.30 Uhr am Morgen angekündigt. Angekommen ist sie um 13 Uhr", erzählt Ralf Schymon. Ihr seien zehn Pfund Steine vom Herzen gefallen, als es hieß, der Impfstoff sei da, sagt Landrätin Anna Bölling. Sichtlich erleichtert ist auch Anke Richter-Scheer. Sie ist Vorsitzende des Hausärzteverbands Westfalen-Lippe und trägt die medizinische Verantwortung für das Impfzentrum in Unterlübbe. Der Druck sei sehr hoch gewesen. Umso mehr freue sie sich, dass es endlich losgeht, sagt sie zu Beginn eines Rundgangs durch die umfunktionierte Sporthalle. Gab es Absagen? Trotz der teils schlimmen Straßenverhältnisse habe es bislang keine Absagen gegeben, sagt die Ärztin, nachdem das Impfzentrum rund eineinhalb Stunden in Betrieb ist. Klar, an einigen Stellen habe es geruckelt, gibt Anke Richter-Scheer zu, aber einiges ließe sich eben erst im laufenden Betrieb nachbessern. &bdquo;Erst hatten wir einen Stau bei der Registrierung, dann am Ausgang, weil der Drucker kurzzeitig ausgefallen ist." Hier sieht auch Hans-Joerg Deichholz, Sozialdezernent beim Kreis und zuständig für das Gesundheitsamt, noch Potenzial: &bdquo;Ich glaube unser Problem wird nicht das Verimpfen sein, sondern die Bürokratie am Ein- und Ausgang. Das müssen wir möglichst verschlanken." Allein für einen Patienten müsse sie sechs Unterschriften leisten, sagt Anke Richter-Scheer. Um die Abläufe zu demonstrieren, hat sich die Ärztin einen Freiwilligen gesucht. Hans-Joachim Karrasch ist 87 Jahre alt und hat dank seinem Sohn Michael einen der ersten Termine ergattert. &bdquo;Dafür habe ich eine Zwölf-Stunden-Schicht eingelegt", sagt der. Er sei froh, dass sein Vater der Impfung überhaupt zugestimmt habe. &bdquo;Ich habe lange überlegt", gibt der Mann aus Pr. Oldendorf zu. Letztlich überzeugt habe ihn Dr. Eckart von Hirschhausen, den er in einem Fernsehinterview gesehen habe. Nein, aufgeregt sei er nicht, sagt der Senior. Zunächst muss Hans-Joachim Karrasch zur Anmeldung im Foyer der Sporthalle. Hier wird überprüft, ob er auch tatsächlich einen Termin hat. &bdquo;Hier soll es möglichst schnell gehen, um draußen keinen größeren Pulk entstehen zu lassen", erklärt Anke Richter-Scheer. Dann geht es schon ins Innere der Halle. Mit einem Handscanner misst eine Mitarbeiterin die Temperatur. &bdquo;Gibt es hier Auffälligkeiten, werden die Leute sofort in einen separaten Raum gebracht, wo wir einen Corona-Schnelltest machen", so die Ärztin. Am nächsten Stopp findet die Registrierung und Kontrolle aller Unterlagen und der Personalien statt. Michael Karrasch hat alles in einer Kladde zusammengepackt und legt die Unterlagen vor. Sein Vater kommt zügig voran. Den dahinterliegenden Wartebereich bekommt der Impfling nur kurz zu sehen, denn Anke Richter-Scheer bittet ihn direkt zum Arztgespräch, das sie in diesem Fall selbst übernimmt. Vorerkrankungen? Auffälligkeiten bei vergangenen Impfungen? Erkältungssymptome? Allergien? Hans-Joachim Karrasch verneint. &bdquo;Drei Minuten haben wir für das Arztgespräch eingeplant. Das ist sportlich", gibt die Ärztin zu. Bei ihrem aktuellen Patienten reicht die Zeit aus. Und dann sitzt Hans-Joachim Karrasch auch schon im Impfraum. Das Vakzin bekommt er von Isabelle-Marie Bernhardt verabreicht. Sie ist Schichtkoordinatorin der Medizinischen Fachangestellten im Impfzentrum und arbeitet in der Praxis von Anke Richter-Scheer. &bdquo;Die Leute sind alle sehr dankbar und haben Verständnis, wenn noch nicht alle Abläufe reibungslos klappen." Und was sagt der Senior aus Pr. Oldendorf? Den Pieks habe er kaum gemerkt und es gehe ihm gut. Jetzt noch eine halbe Stunde im Aufenthaltsbereich und ein Dank an die Ärztin. &bdquo;Wir sehen uns in drei Wochen." So geht es jetzt weiter Der Betrieb laufe zunächst einmal langsam an, sagt Anke Richter-Scheer. Insgesamt 198 Personen sind gestern in der Zeit von 14 bis 19.30 Uhr geimpft worden. Drei der sechs Impfstraßen sind dafür zunächst geöffnet worden. &bdquo;Wir schaffen zwölf Patienten pro Stunden pro Impfstraße." Die Ärztin erklärt, dass der Betrieb zügig hochgefahren werde, denn es sei mehr Impfstoff angekündigt worden, als zunächst angenommen. Und spätestens Ende der Woche wird hier in Unterlübbe das Vakzin von AstraZenenca erwartet, mit dem die Mitarbeiter der mobilen Pflegedienste geimpft werden sollen. Dieser Personenkreis werde auch einbestellt, sollte abends noch Impfstoff von Biontech übrig sein, der ansonsten verworfen werden müsste. Ob die Pflegedienst-Mitarbeiter sich anmelden müssen, oder eine Einladung bekommen, müsse laut Deichholz noch geklärt werden. Fest steht, sie bekommen ihre Impfung in Unterlübbe verabreicht. Und spätestens im März werde das Zentrum ausgelastet und alle sechs Impfstraßen geöffnet sein.

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